Neues vom BSG / LSG

  • Schönen guten Morgen Herr Schaffert,

    insbesondere der zweite Fall interessiert mich auch brennend.

    darüber hinaus gibt es am 17.06. einen mindestens genau so interessanten Termin im 3. Senat über die Rechnungsprüfung durch eine KK nach vier Jahren. Mal sehen ob das BSG seine Rechtsprechung in Sachen Beschleunigungsgebot aufrecht erhält.

    Zitat

    1) 9.30 Uhr - B 3 KR 4/09 R - DAK ./. Marien-Hospital Euskirchen gGmbH

    Die Beklagte ist ein gemäß § 108 SGB V zugelassenes Krankenhaus. Dort wurde die bei der Klägerin gesetzlich krankenversicherte M. am 4.7.1997 als Notfall operiert und 12 Tage später wieder entlassen. Die Operation erfolgte wegen eines Tumors am linken Eierstock und umfasste eine Eröffnung der Bauchdecke mit linksseitiger Rest-Adnektomie (Entfernung des Eierstocks) sowie ebenfalls linksseitiger pelviner Lymphadenektomie (Entfernung von Lymphknoten). Die Klägerin zahlte die mit Endabrechnung vom 23.7.1997 geltend gemachte Vergütung von 10.116,22 DM am 4.8.1997 ohne Abzug und Vorbehalt, wobei sich der Rechnungsbetrag aus dem vollstationären Basispflegesatz, dem Abteilungspflegesatz Gynäkologie, einem 20%igen Abschlag bei Sonderentgelt sowie dem Sonderentgelt 11.01 \"Retroperitoneale Lymphadenektomie\" (4.288,88 DM) und dem Sonderentgelt 15.03 \"Ovarektomie und/oder Salpingektomie einseitig\" (1.868,58 DM) zusammensetzte.

    Mit Schreiben vom 15.11.2001 forderte die Klägerin die Beklagte in diesem und mehreren anderen Behandlungsfällen auf, die geleisteten Zahlungen teilweise zu erstatten - in dem hier streitigen Fall in Höhe von 1.868,58 DM (= 955,39 Euro), weil nur das höherwertige Sonderentgelt 11.01, nicht aber zusätzlich das Sonderentgelt 15.03 abrechenbar gewesen sei. Da die Beklagte nicht reagierte, hat die Klägerin am 27.12.2001 Klage erhoben und die Erstattung von 955,39 Euro verlangt. Das SG hat die Klage wegen Verjährungseinrede der Beklagten abgewiesen. Das LSG hat das Urteil des SG geändert und die Beklagte zur Zahlung von 955,39 Euro zuzüglich Zinsen verurteilt. Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch der Klägerin sei begründet, da ein Rechtsgrund für die Zahlung nicht bestanden habe. Die Sonderentgelte seien nach § 11 Abs 2 BPflV 1997 nicht nebeneinander abrechenbar gewesen, wenn wie hier zwei Eingriffe im Rahmen einer einzigen Operation in demselben Operationsgebiet erfolgten. Dem Erstattungsanspruch stehe weder ein Rückforderungsausschluss oder eine Verjährungseinrede noch der Einwand der Verwirkung entgegen; insbesondere verstoße es nicht gegen Treu und Glauben, wenn die Klägerin ihre Forderung erst kurz vor Ablauf der Verjährungsfrist von vier Jahren geltend mache.

    Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte die Verletzung materiellen Rechts. Die § § 11 ff BPflV 1997 hätten keine Konkurrenzregelung für die Abrechnung mehrerer Sonderentgelte enthalten. Ferner habe das LSG die zivilrechtlichen Vorschriften zum Bereicherungsrecht sowie den Grundsatz von Treu und Glauben verkannt. Das Krankenhaus werde doppelt belastet, wenn es auf der Individualebene zur Erstattung verpflichtet werde und dies auf Budgetebene im Rahmen der Pflegesatz- und Entgeltvereinbarungen nachträglich keine Berücksichtigung mehr finde.

    SG Köln - S 26 KR 260/02 -
    LSG Nordrhein-Westfalen - L 16 KR 242/06 -


    ich bin ebenfalls gespannt...

    mfg

    bern

    ehemaliger Versicherungsvertreter

  • Schönen guten Tag allerseits,

    aus zeitlichen und emotionalen Gründen kommentarlos möchte ich dennoch schnell die Ergebnisse der beiden Fälle bezüglich der Aufwandspauschale einstellen, zu finden unter der Terminvorschau des BSG:

    Zitat


    1) Die Revision der beklagten Krankenkasse (KK) ist erfolgreich gewesen, sodass der Senat das erstinstanzliche klageabweisende Urteil wiederhergestellt hat. Die klagende Krankenhausträgerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung einer Aufwandspauschale von 100 Euro nach § 275 Abs 1c Satz 3 SGB V, denn die der Prüfung zugrunde liegende Krankenhausbehandlung hat noch vor dem Inkrafttreten der Vorschrift am 1.4.2007 stattgefunden.

    Nach den Grundsätzen des intertemporalen Rechts - hier dem Leistungsfallprinzip und dem Grundsatz des Regelungsschwerpunkts, nicht aber nach dem Geltungszeitraumprinzip - ist § 275 Abs 1c Satz 3 SGB V nur auf solche Sachverhalte anwendbar, die vollständig nach seinem Inkrafttreten verwirklicht werden: Die Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung, ihre Vergütung und die Kontrolle des Vorliegens der Voraussetzungen dafür durch KKn und Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) vertragen kein Nebeneinander unterschiedlichen Rechts in Bezug auf die einzelnen Teilkomponenten, denn sie sind auf das Engste miteinander verknüpft. Da ein Anspruch auf Vergütung stationärer Krankenhausbehandlung ua voraussetzt, dass die Behandlung erforderlich war, gehört es zu den Pflichten der KKn, diese Voraussetzungen zu überprüfen und nach § 275 Abs 1 SGB V ggf den MDK einzuschalten. Die Einführung des diagnose-orientierten Fallpauschalensystems für Krankenhäuser hat am Zusammenspiel von Behandlung, Vergütung und Prüfung nichts geändert (BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 17 RdNr 23). Es entspricht der durch § 275 Abs 1c Satz 3 SGB V geschaffenen, in der Breite nicht unerheblichen finanziellen Belastung der KKn (und damit der Beitragszahler), dass die KKn die Möglichkeit haben müssen, Behandlungsfälle im Krankenhaus in Kenntnis dieses wirtschaftlichen Risikos bereits vom Behandlungsbeginn an zu begleiten. Ein hiervon abweichender Wille des Gesetzgebers kommt in den Gesetzesmaterialien, die von einem notwendigen Bürokratieabbau nur \"für die Zukunft\" sprechen, nicht zum Ausdruck.

    SG Koblenz - S 6 KR 326/08 -
    LSG Rheinland-Pfalz - L 5 KR 20/09 -
    Bundessozialgericht - B 1 KR 29/09 R -


    2) Die Revision der beklagten Ersatzkasse war erfolgreich, weil die Voraussetzungen für die nach § 275 Abs 1c Satz 3 SGB V an die klagende Krankenhausträgerin zu entrichtende Aufwandspauschale von 100 Euro nicht erfüllt sind. Der Anspruch scheitert nicht schon am Fehlen einer \"Prüfung\" iS von § 275 Abs 1 Nr 1 SGB V, weil eine Abklärung mit fachkundiger Hilfe des MDK tatsächlich stattfand und beim Krankenhaus die erneute Befassung mit dem Behandlungs- und Abrechnungsfall einen gesonderten Aufwand verursachte. 100 Euro sind gleichwohl nicht zu zahlen, weil die Beklagte durch eine fehlerhafte Krankenhausabrechnung zur Prüfungseinleitung veranlasst wurde. Nicht schon jede Prüfung nach § 275 Abs 1 Nr 1 SGB V, die auf eine Vergütungsminderung für eine Krankenhausbehandlung gerichtet ist, aber unter dem Strich nicht zu einer \"Minderung des Abrechnungsbetrags\" führt, begründet die Zahlungspflicht. Sinn und Zweck des § 275 Abs 1c Satz 3 SGB V und sein funktionales Zusammenspiel mit der Prüfpflicht nach Abs 1 Nr 1 führen zu einer den Wortlaut einschränkenden Interpretation: Der Anspruch des Versicherten auf Krankenhausbehandlung, die Pflicht der KKn zu ihrer Bewilligung sowie die Pflicht des Krankenhauses zu ihrer Bewirkung hängen von der Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots ab. § 275 Abs 1 SGB V verpflichtet die KKn, den MDK ggf zur Prüfung von Leistungsgewährung und Ordnungsgemäßheit der Abrechnung einzuschalten. Allein die Erfüllung dieser Prüfpflicht löst noch keine Zahlungsansprüche eines Krankenhauses aus, weil die damit verbundenen Kosten den KKn zusätzlich und allein nur ausnahmsweise auferlegt werden können. Von Krankenhäusern und KKn ist innerhalb ihrer dauerhaften Zusammenarbeit gegenseitige Rücksichtnahme mit der Konsequenz der Begrenzung wechselseitig vorgesehener Ansprüche zu erwarten (vgl schon BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 19; BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 3 KR 12/08 R). Dem widerspräche es, die Aufwandspauschale selbst dann zu beanspruchen, wenn eigenes Fehlverhalten des Krankenhauses (hier: Verstoß gegen § 301 SGB V) zu einer überflüssigen, nutzlosen Prüfung führt oder wenn sich sogar der Abrechnungsbetrag im Nachhinein noch zu Lasten der KK erhöht. Wie auch die Gesetzesmaterialien bestätigen, zielt § 275 Abs 1c Satz 3 SGB V auf die Einschränkung von Prüfungen ab, die KKn ohne berechtigten Anlass oder gar missbräuchlich eingeleitet haben, nicht aber auf Verfahren, zu denen es nur durch ein Fehlverhalten des Krankenhauses gekommen ist. Die Regelung soll \"unnötige Bürokratie\" abbauen und zu zielorientierteren und zügigeren Einzelfallprüfungen führen.


    Dennoch wünsche ich einen schönen Tag,

  • Moin

    am schönsten finde ich das hier:

    Zitat

    Von Krankenhäusern und KKn ist innerhalb ihrer dauerhaften Zusammenarbeit gegenseitige Rücksichtnahme mit der Konsequenz der Begrenzung wechselseitig vorgesehener Ansprüche zu erwarten

    Gruß

    merguet

  • Hallo,
    wird wohl zur Konsequenz haben, dass jede ND geprüft wird, es könnte ja sein, dass das KH falsch abgerechnet hat, weil die Harninkontinenz nicht belegt ist oder die Schlafstörungen vergessen wurden.
    Ob sich der bürokratische Aufwand vermindert darf bzweifelt werden.
    Und wenn jetzt noch die Prüfgebühr für KH kommt - so wie es die KK fordern - dann sind wir von der 95% Prüfquote nicht mehr weit entfernt, da sich hier de facto fast jede Rechnung ändern lässt.
    Vielleicht sehe ich aber nur schwarz ......

    Herzliche Grüsse aus Mittelfranken
    E. Horndasch

  • Guten Morgen (wirklich??)

    Zitat


    Original von E_Horndasch:
    ...da sich hier de facto fast jede Rechnung ändern lässt.....

    Es geht nicht um die Rechnung sonder um die Kodierung.

    Und jeder der sich mit der Kodierung beschäftig kann berichten das es hier für ein und den selben Umstand verschieden Kodierungsmöglichkeiten gib.
    Das Forum wäre ohne diese Tatsache größtenteils überflüssig.

    Gruß

    MiChu ;)
    Sei nicht unglücklich vor der Zeit, denn was dich, als dir drohend, in Angst versetzt, wird vielleicht nie kommen. (Seneca)

  • Hallo miteinander,

    ich glaube nicht, dass Sie da so schwarz sehen, Herr Horndasch, die Tendenz geht ja jetzt schon in die Richtung, dass man selbst bei klaren Graubereichen mit den Kassen keine Vereinbarung mehr findet. Das hier ist Wasser auf die Mühlen der GKV.
    Es gab doch da mal so ein Statement, dass der Gestzestest eindeutig nur auf die \"Minderung\" abstellt- also alles andere formal juristisch unbedeutend wäre? :)

    Trotzdem allen einen schönen Arbeits (\"Streit\") tag

    Kommt jetzt wenigstens der Sommer?

    Uwe Neiser


  • Hallo Zusammen,

    nach den Erfahrungen mit den Nachberechnungsurteilen des BSG würde ich auch hier erstmal entspannt auf die Begründung warten. Immerhin wurde in diesem Fall die HD geändert, was etwas anderes ist als irgendeine ND.

    entspannt (zumindest bis heute 20:30)

    mfg

    bern

    ehemaliger Versicherungsvertreter

  • Moin bern,

    da sntspannt sich garn nichts.
    Ungeachtet irgendeiner Urteilsbegründung erhalten wir Serienbriefe mit Ablehnung der Nachberechnung. Neueste Argumentation: Der Kodierfehler muss für die Kasse offensichtlich sein.

    AUch in dieser Sache wird es nicht auf Nuancen ankommen. Das BSG erklärt im Gegensatz zu allen Vorinstanzen, dass das intrument ganz anders zu verstehn ist, als im Gesetz formuliert (\"Jede...\")
    \"weil die damit verbundenen Kosten den KKn zusätzlich und allein nur ausnahmsweise auferlegt werden können\"

    statt dessen ist der Tenor:
    \"nicht aber auf Verfahren, zu denen es nur durch ein Fehlverhalten des Krankenhauses gekommen ist\".
    M.a. W. AUch hier wird wieder JEDER Irrtum der KH gegen diese ausgelegt.

    Meine Prognose: Die Aufwandspauschale wird nur noch in absoluten Ausnahmefällen gezahlt werden.

    Das Instrument hat eh nicht den gewünschten Erfolg gebracht.
    Prüfungen bleiben ungebremst.

    Es soll Klniiken geben, die verienbaren Abschläge auf die Rechnungen und erkaufen sich damit Prüfungsverschonung. Die lachen sich doch jetzt ins Fäustchen.

    Geschmacklos, das.

    merguet

  • Zitat


    Original von merguet:

    Meine Prognose: Die Aufwandspauschale wird nur noch in absoluten Ausnahmefällen gezahlt werden.

    ... genau - und zwar unter dem lapidaren Verweis auf das Aktenzeichen und garniert mit dem Hinweis die Kasse sei durch eine \"fehlerhafte Krankenhausabrechnung zur Prüfungseinleitung veranlasst\" worden.

    Unser mögliches Gegenargument, dies sei ja keine \"überflüssige, nutzlose Prüfung\" und der Abrechnungsbetrag wird im Nachhinein ja nicht noch zu Lasten der KK erhöht, wird kaum greifen.

    Herzlichst.

    „Quod non in actis est, non est in mundo.“ (Was nicht in den Akten ist, ist nicht in der Welt)

    • Offizieller Beitrag

    Hallo,

    Zitat


    Original von merguet:
    Meine Prognose: Die Aufwandspauschale wird nur noch in absoluten Ausnahmefällen gezahlt werden.


    Das sehe ich dann auch so. Es wird dann irgendeine ND oder Prozedur gestrichen oder an 4 - 6. Stelle geändert und schon wird die Aufwandspauschale mit eben dieser Begründung nicht mehr bezahlt. Selbst wenn man als Klinik diese Änderung dann als unbegründet ansieht, wird die Kasse sich auf das MDK-Gutachten berufen. Wer wird dann wegen der 6. Stelle eine Prozedur dann vor das SG ziehen, um die 300 € einzuziehen? Wohlgemerkt nachdem das SG erst mal die richtige Kodierung der 6. Stelle bestätigt hat.

    Wie das Urteil in dieser Art ergehen konnte, darf das Geheimnis des Gerichts beiben. Es konterkariert völlig die Intension der Aufwandspauschale.

  • Hallo allerseits,

    eine abschließende Bewertung dieses Urteils wird sicherlich warten müssen, bis die ausführliche Begründung vorliegt. Dass einige Kassen in der Zwischenzeit schon mal ausführlich mit den angeblichen Konsequenzen hausieren gehen werden, ist eh klar.

    Aber: im Terminbericht ist eigentlich nur die Rede davon, dass die Aufwandspauschale dann nicht beansprucht werden kann, \"wenn eigenes Fehlverhalten des Krankenhauses (hier: Verstoß gegen § 301 SGB V) zu einer überflüssigen, nutzlosen Prüfung führt \" bzw. sich der Abrechnungsbetrag i.R. der Prüfung sogar noch erhöht.

    Es stellt sich also die Frage: was führt eigentlich zu einer Prüfung? Diese Frage haben wir als Krankenhäuser doch eigentlich in den letzten Jahren gegenüber den Kostenträgern systematisch vernachlässigt. Dabei ist die Nennung der Auffälligkeit, die zur Einleitung einer Prüfung führt, nicht nur unser gutes Recht, sondern stellt genaugenommen sogar die Begründung für das Aussetzen der Schweigepflicht gegenüber dem MDK dar. Unterlagen dürfen nur in dem Umfang verschickt werden, der zur Prüfung unbedingt erforderlich ist. Wie soll ich aber Unterlagen verschicken, wenn ich gar nicht weiß, was eigentlich konkret geprüft werden soll?

    Ich denke daher, wir wären gut beraten, nach diesem Urteil bei jeder Einleitung einer Falllprüfung Unterlagen nur dann zu versenden, wenn in der Prüfanzeige die Auffälligkeiten, welche die Prüfung veranlasst haben, auch explizit und detailliert genannt werden (also nicht mehr irgendwelches Wischiwaschi a la \"zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung und Kodierung\"). Denn wie soll § 275 Abs. 1c Prüfungen ohne berechtigten Anlass einschränken können, wenn der Anlass für eine Prüfung regelhaft gar nicht konkret benannt wird?

    Mit freundlichen Grüßen

    Markus Hollerbach