Neues vom BSG / LSG

  • nachdem die Urteilsgründe des 3. Senats zur Landesschlichtungsausschuss-Entscheidung B 3 KR 7/14 R veröffentlicht wurden, mal kurz die wesentlichen Aspekte:

    • Die Regelung betrifft auch Behandlungsfälle, die vor dem Stichtag 01.08.2013 aufgenommen wurden.
    • Es ist unerheblich, ob es sich um einen Verrechnungsfall oder einen von vornherein (teilweise) unbezahlten Fall handelt.
    • Die Regelung erfasst entgegen dem Wortlaut auch Erstattungsklagen von KKen (wichtig für NRW, wo der Landesvertrag ein Verrechnungsverbot beinhaltet).
    • Die Regelung betrifft nur Fälle in denen eine Krankenhausbehandlung nach § 39 geprüft wurde (Entbindungsfälle fallen nicht darunter, § 115a nach der Auffassung des 1. Senats wohl auch nicht?).
    • Die Regelung ist erst dann anwendbar, wenn das Schlichtungsverfahren nach § 17c Abs 4 KHG tatsächlich durchführbar ist (Anrufbarkeit des Schlichtungsausschusses erst nach tatsächlicher, funktionsfähiger Einrichtung mit Verfahrens- und Finanzierungsregelung und Bekanntgabe der Funktionsfähigkeit), alle bis 31.08.2014 erhobenen Klagen sind daher zulässig und bleiben dies auch nach dem 01.09.2014.
    • Verfassungsrechtlich ist die Einführung von Schlichtungsausschüssen grds. unbedenklich.
    • Eine Verjährungshemmung ist durch die Nicht-Errichtung der Schlichtungsstellen nicht eingetreten.
    • Seit dem 01.09.2014 sind Klagen ohne Schlichtungsverfahren auch weiterhin zulässig, solange keine Anzeige der Arbeitsfähigkeit eines (Ersatz-)Schlichtungsausschusses ggü. der Landeskrankenhausgesellschaft erfolgt ist.
    • Das BSG geht davon aus, dass die Landesschlichtungsausschüsse kurzfristig eingerichtet und die Aufsichtsbehörden gegen eine etwaige Verweigerungshaltung vorgehen werden.
    • Schlichtungsentscheidungen haben Verwaltungsaktqualität und können damit gerichtlich überprüft werden, was zur Folge hat, dass ggf. die Schlichtungsausschüsse zu verklagen sind (hier gibt es eine indirekte Kritik am schludrigen Gesetzgeber und die Warnung, dass man von der Klagemöglichkeit gegen den Schlichtungsausschuss wohl nicht weg kommt).

    schönen Wochenstart zusammen 8)

    • Offizieller Beitrag

    Da ich gerade bei BG-Gutachten immer mal wieder diese falsche Zuordnung der Hauptdiagnosen sehe, hier ein aktuelles Urteil:

    "16 bb) Die Klägerin hätte unter Beachtung der danach maßgeblichen DKR (2009) die Diagnose ICD-10-GM S22.06 (Fraktur eines Brustwirbels, T11 und T12) nur als Nebendiagnose kodieren dürfen. DKR (2009) D002f definiert die Hauptdiagnose wie folgt: "Die Diagnose, die nach Analyse als diejenige festgestellt wurde, die hauptsächlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes des Patienten verantwortlich ist." Nach DKR (2009) D003d ist eine Nebendiagnose dagegen definiert als: "Eine Krankheit oder Beschwerde, die entweder gleichzeitig mit der Hauptdiagnose besteht oder sich während des Krankenhausaufenthaltes entwickelt."Nach den Feststellungen des LSG erlitt die Versicherte einen Brustwirbelkörperbruch erst während ihres stationären Aufenthalts. Dieser "entwickelte" sich also erst in diesem Zeitraum."

  • Hier war es natürlich auch äußerst unglücklich, gerade so einen Fall mit offensichtlicher Fehlkodierung (vgl. auch die Ausführungen hier zu den möglichen Beweggründen des KHs für die Kodierung) vor das BSG zu bringen. Solche Konstellationen machen es dem 1. Senat natürlich leicht, den KHs versuchten Abrechnungsbetrug (vgl. Rz. 20: "Irreführung und darauf beruhender täuschungsbedingter ungerechtfertigter Vermögensverfügung der KK", das sind die Tatbestandsmerkmale des § 263 StGB !!!) vorzuwerfen und dementsprechend die gesetzlichen Prüfnormen so weit es geht zu Gunsten der KKen auszudehnen bzw. neue zu erfinden... ;(

  • Das Krankenhaus hatte im von Herrn Selter beschriebenen Fall die Patientin wg. einer Herzinsuffizienz aufgenommen. Am dritten Tag war sie gestürzt und hatte sich mehrere Frakturen zugezogen. Die Kasse hatte über den Sturz eine Mitteilung von der BG erhalten. Das Krankenhaus hatte die Frakturen und nicht die Herzerkrankung als Hauptdiagnose kodiert.

    Die Klinik hatte die Unterlagen herausgegeben, aber bestritten, dass sie wg. der Verfristung nach § 275 (1c) S 2 SGB V verwertet werden dürften und damit in den ersten beiden Instanzen sogar Recht bekommen. Chuzpe muss man halt haben.

    Im BSG-Urteil steht dazu jetzt, dass hier die Hauptdiagnose unter vorsätzlicher oder zumindest grob fahrlässiger Missachtung der DKR kodiert wurde. Es hat den Fall zum Anlass genommen, den Begriff der Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit weiter zu definieren, die nicht verfristet, sondern nur verjährt.

    Weiter im Wortlaut:

    "Die gegen die Aufrechnung erhobenen Einwendungen der Klägerin aus den Anforderungen an Auffälligkeitsprüfungen (vgl § 275 Abs 1c und Abs 1 SGB V) greifen nicht durch. Die Klägerin kann aus der Regelung des § 275 Abs 1c S 2 SGB V nichts für sich herleiten. Unerheblich ist, dass nach den unangegriffenen, den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) die von der Beklagten zunächst veranlasste Auffälligkeitsprüfung nicht innerhalb der Frist des § 275 Abs 1c S 2 SGB V der Klägerin angezeigt wurde. Denn die Beklagte durfte die sachlich-rechnerische Richtigkeit der Abrechnung nach allgemeinen Grundsätzen überprüfen. Das Überprüfungsrecht der KKn auf sachlich-rechnerische Richtigkeit besteht unabhängig von den engeren Anforderungen einer Auffälligkeitsprüfung . Es entspricht nicht nur den gesetzlichen Vorgaben (§ 301 Abs 1 SGB V), sondern den eigenen Interessen des Krankenhauses, der KK die entsprechenden Sachverhalte vollständig und nachvollziehbar mitzuteilen, die es zu seiner Auslegung der Abrechnungsvorschriften veranlasst haben. Nur so beugt das Krankenhaus einer Irreführung und darauf beruhender täuschungsbedingter ungerechtfertigter Vermögensverfügung der KK vor, ermöglicht der KK die sachlich-rechnerische Richtigkeitskontrolle und schafft damit die für die Zusammenarbeit unerlässliche Vertrauensbasis."

  • Hallo,
    hier die neuesten Ausführungen des 1. Senats vom BSG: BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 14.10.2014, B 1 KR 27/13 R

    Zitat

    Erstellt der MDK jedoch - wie hier zur ESWT - ein Grundsatzgutachten, das auch die nicht von dem Auftrag erfassten Einzelfälle in der Sache umfasst, weil sie vom Typus her identisch sind, bedarf es keiner erneuten - gleichlautenden - Stellungnahme zu den darauf folgenden Einzelfällen, weil die KK aus sich heraus ohne weitere medizinische Sachverhaltsermittlung und -bewertung durch den MDK die Frage der Wirtschaftlichkeit selbst beantworten kann. Folgen die weiteren Einzelfälle dem gleichen Verhaltensmuster, ist es danach legitim, nicht jedes Verfahren einzeln aufzugreifen und durch den MDK bewerten zu lassen. In jedem Einzelfall eine gutachtliche Stellungnahme zu fordern, wäre reine Förmelei.

    Herzliche Grüsse aus Mittelfranken
    E. Horndasch

  • So, nachdem ich wieder bei Bewusstsein bin (Kopf ist etwas zu heftig auf die Tischplatte geknallt), mal ne Frage an diejenigen, die sich besser auskennen:

    Gibt es nach einem BSG Urteil noch die Möglichkeit dagegen vorzugehen, also über das Bundesverfassungsgericht? Oder ist mit dem Urteil alles aus?

    stellv. Leitung Medizincontrolling
    Fachwirt Gesundheits- und Sozialwesen (IHK)
    MDA

  • Aber schön, dass endlich mal gesagt wird, wie unabhängig der MDK ist:

    "[...]Das Wirtschaftlichkeitsgebot verknüpft die Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung, ihre Vergütung und die Kontrolle des Vorliegens ihrer Voraussetzungen durch KKn und MDK untrennbar miteinander[...]"

    stellv. Leitung Medizincontrolling
    Fachwirt Gesundheits- und Sozialwesen (IHK)
    MDA

  • Gibt es nach einem BSG Urteil noch die Möglichkeit dagegen vorzugehen, also über das Bundesverfassungsgericht? Oder ist mit dem Urteil alles aus?


    Die Verfassungsbeschwerde gegen Urteile der obersten Bundesgerichte ist grds. möglich (vgl. z.B. aktuell die Verfahren wegen der sog. Syndikus-Entscheidungen des BSG), hat aber sehr hohe Hürden, weshalb solche Verfahren nur selten erfolgreich durchgeführt werden, andererseits: wer nichts wagt... :whistling:

  • Hallo Forumsmitglieder,

    nach der Entscheidung des 1. Senats des BSG (B 1 KR 24/13 R - RNr. 21) frage ich mich, ob die Diskussion von Kodierproblemen gefährlich ist. Der 1. Senat führt aus,

    "Anhaltspunkte für die sachlich-rechnerische Unrichtigkeit der Abrechnung oder zumindest für die Verletzung der Informationsobliegenheiten bestehen etwa in Fällen, in denen die vom Krankenhaus vorgenommene Auslegung und Anwendung von Abrechnungsvorschriften zweifelhaft ist oder sogar bestehender Kodierpraxis widerspricht."

    U.a. unter Hinweis auf einen Thread wird dann gefolgert:

    "Die übliche Kodierpraxis hätte die Klägerin" [Anm.: KH] "dazu veranlassen müssen, von sich aus gegenüber der Beklagten" [Anm.:KK] "den Sachverhalt - und die eigene abweichende Meinung - deutlich hervorzuheben."

    Zwar wird hier auf die vermeintliche bestehende Kodierpraxis abgestellt, aber gemäß o.g. Ausführungen begründen bereits bestehende Zweifel an der Auslegung und Anwendung von Abrechnungsvorschriften die Pflicht der Krankenhäuser, ihre Abrechnung gesondert zu bgründen.

    Damit wird m.E. jede Konstellation, die z.B. in diesem Forum kontrovers diskutiert wird, gesondert erklärungsbedürftig, und zwar im Vorhinein. Oder habe ich da etwas falsch verstanden?

    Ist es sinnvoll, hier weiter zu diskutieren, oder ist die vom 1. Senat vertretene Rechtsauffasung, die nunmal eine gewisse Verbindlichkeit hat, nur abwegig? ?(

    Viele Grüße

    Medman2

  • übrigens der neue Geschäftsverteilungsplan des BSG ab 01.01.2015 sieht wie folgt aus:

    Zitat

    1. Senat:
    Streitigkeiten aus dem Leistungserbringerrecht der gesetzlichen Krankenversicherung *), soweit Krankenhäuser, Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen betroffen sind und nicht der 6. Senat zuständig ist einschließlich der Bestände des 3. Senats am 31. Dezember 2014.

    Zitat

    3. Senat:
    Streitigkeiten aus dem Leistungserbringerrecht der gesetzlichen Krankenversicherung *), soweit nicht der 1. Senat oder der 6. Senat zuständig sind einschließlich der Bestände des 1. Senats am 31. Dezember 2014.

    Damit dürften sich dann die Streitereien 1. vs. 3. erledigt haben... :S