Neues vom BSG / LSG

  • Hallo Herr Berbuir,

    viel habe ich über die Urteile des 1. Senats zur sachlich-rechnerischen Richtigkeit nachgedacht, sie wiederholt gelesen, die Querverweise studiert, die Interpretation der großen grünen Kasse mit den drei Buchstaben analysiert und komme nicht recht weiter.

    Vielleicht handelt es sich um ein Konstrukt dieser Art?

    Viele Grüße

    Medman2

  • Hallo,

    wie muss ich das Urteil vom SG Mainz vom 22.10.2014 S 3 KR 438/12 einordnen ? Konnte es im Forum nicht entdecken.

    "....4.6 Eine Minderung des Vergütungsanspruchs kommt auch nicht unter dem Gesichtspunkt „fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhaltens“ in Betracht. Dieser vom 1. Senat des BSG im Urteil vom 01.07.2014 (B 1 KR 62/12 R) entwickelten Rechtsfigur mangelt es an einer gesetzlichen Grundlage. ...."

    mfG

    C. Hirschberg

  • Guten Morgen,

    nun spricht das mal jemand aus. Rechtsfigur. Schöner Begriff. Es dürfte spannend sein, wie diese Bewertung sich über die Instanzen weiterentwickelt.

    Gruß

    merguet

  • wie muss ich das Urteil vom SG Mainz vom 22.10.2014 S 3 KR 438/12 einordnen ? Konnte es im Forum nicht entdecken.

    So wie sämtliche Urteile, die sich gegen Entscheidungen der Bundesgerichte richten: als Einzelfallentscheidung mit teilweise interessanten juristischen Ansätzen, die jedoch oftmals nicht von anderen Gerichten aufgegriffen werden ("Die Frage ist doch bereits vom BSG geklärt") - um diese Ansichten durchzusetzen, müssten viel mehr geeignete Fälle durch die Instanzen geklagt werden, manchmal ändert auch ein Bundesgericht seine Auffassung (oder schränkt sie zumindest ein) - falls nicht, bleibt evtl. noch der Weg vors BVerfG... :P

  • Nochmal:

    Ich sehe gerade, dass auch die sachlich rechnerische Prüfung hier angegriffen wird:

    1. Die Kammer tritt der diesbezüglichen Rechtsprechung des 1. Senates des BSG (insbesondere im Urteil vom 01.07.2014 - B 1 KR 29/13 R - Rn. 23) entgegen. Der 1. Senat des BSG vertritt seit dem 01.07.2014 die Auffassung, dass es neben dem Verfahren nach § 275 Abs. 1c SGB V i.V.m. § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V (vom BSG ungenau „Auffälligkeitsprüfung“ genannt) ein weiteres Prüfregime („Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit“) für Abrechnungsfragen bei Krankenhausbehandlungen nach § 39 SGB V unter Einschaltung des MDK zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen gebe, welches nicht den Beschränkungen und Rechtsfolgen des § 275 Abs. 1c SGB V unterliege. Hierfür fehlt eine gesetzliche Grundlage. Die Auffassung des BSG ist mit Gesetzeswortlaut und -systematik nicht zu vereinbaren und verstößt daher - unter Berücksichtigung der Grenzfunktion des Gesetzeswortlauts - gegen den Grundsatz der Bindung an das Gesetz (Art. 20 Abs. 3 und Art. 97 Abs. 1 Grundgesetz - GG -).

    3. Die Schaffung einer von der Prüfung nach § 275 Abs. 1c SGB V unabhängigen „Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit" durch das BSG entbehrt einer gesetzlichen Grundlage.

    Hier der gesamte Text

    merguet

  • Hallo zusammen,

    es ist bekannt, das der junge Richter am SG Mainz eigene Vorstellungen zu manchen Themen hat. Wie man es auch sieht: Es ist nicht davon auszugehen, dass das BSG seine Rechtsprechung zu "sachlich-rechnerisch" in näherer Zukunft ändern wird. Klagefälle, die sich auf das Mainzer Urteil beziehen, werden voraussichtlich bereits vor dem LSG verpuffen.
    Das BSG hat im übrigen zeitlich nach dem Mainzer Urteil seine Auffassung noch einmal bestätigt (Siehe Terminbericht BSG vom 23.6.2015).

    Viele Grüße

    SKoch

  • Tag,

    wie auch immer. Es ist Zeit, dass jemand klar sagt, dass die Entscheidungen des BSG inzwischen nicht mehr Gesetzeskonform sind. Daher spricht das SG-Mainz auch vom Grundsatz der Bindung an das Gesetz (Art. 20 Abs. 3 und Art. 97 Abs. 1 Grundgesetz - GG -).

    Dieser Widerspruch kann auf die Dauer von der Jurisdiktion nicht unbeachtet bleiben.

    Darauf sich durchzuklagen, wird sicher schwer. Dennoch ist dieser Widerspruch nun einmal gegeben. Schwierig wird es, wenn die Rechtsprechung die Gesetze interpretiert. Nicht haltbar ist, wenn es den Gesetzen zuwider handelt. Es ist an den Anwälten, das Ganze vor die entsprechenden Gremien bzw. zuständigen Gerichte zu tragen.

    Gruß

    merguet

  • So wie sämtliche Urteile, die sich gegen Entscheidungen der Bundesgerichte richten: als Einzelfallentscheidung mit teilweise interessanten juristischen Ansätzen, die jedoch oftmals nicht von anderen Gerichten aufgegriffen werden ("Die Frage ist doch bereits vom BSG geklärt") - um diese Ansichten durchzusetzen, müssten viel mehr geeignete Fälle durch die Instanzen geklagt werden, manchmal ändert auch ein Bundesgericht seine Auffassung (oder schränkt sie zumindest ein) - falls nicht, bleibt evtl. noch der Weg vors BVerfG... :P

    ... Weg vors BVerfG ... wäre da die DKG am Zuge ?

  • da es sich letztlich um eine Urteilsverfassungsbeschwerde handeln würde, kann das nur das jeweilige KH, welches auch das Klageverfahren durch die Instanzen getrieben hat machen, selbstverständlich bleibt es der DKG unbenommen, insoweit Hilfestellungen anzubieten. Insbesondere die weiteren Kosten (ggf. auch für zusätzliche Anwälte, die Erfahrung mit Verf.beschwerden haben) bei ungewissem Ausgang haben bislang m.W. oftmals die KHs davon abgehalten, diesen letzten Schritt zu gehen...

  • die Begründung zum letzten Urteil des BSG zur AWP (Zahlung auch wenn erst im Gerichtsverfahren die Korrektheit der Abrechnung festgestellt wird) ist online. Es verstecken sich in dieser eigentlich positiven Entscheidung leider noch einige bittere Pillen:

    • Wiederholung, dass auch die Auffassung des 3. Senats passé ist, wonach der Minderungswille bei jeder Einzelfallprüfung der KK vermutet wird (Rz. 9)
    • die Rechtsprechung des 3. Senats, wonach Abschläge bei der Investitionskostenpauschale für die AWP unbeachtlich sind wird aufgegeben (Rz. 10). ist zwar bislang nur ein obiter dictum, da es vorliegend hierauf nicht ankam, dürfte aber im Streitfall die Richtung vorgeben...
    • AWP entfällt auch dann, wenn zunächst Auffälligkeitsprüfung erfolgt, dann aber nur wegen sachlich-rechnerischer Gründe eine Minderung erfolgt (Rz. 10)
    • Wer nach Ablauf der 6.Wochenfrist freiwillig Unterlagen zur Prüfung vorlegt, muss sich daran festhalten lassen (Rz. 11)
    • Wiederholung, auf die AWP gibt es nur Prozesszinsen von 5%-Punkten über Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit, keine Verzugszinsen (Rz. 14ff.)
  • Hallo,
    viel interessanter ist für mich die Ausführung in Rz 25 im Verfahren B 1 KR 13/14 R (auch 23.06.2015)
    Der hier betroffene Streit über die Vergütung betrifft die sachlich-rechnerische Richtigkeit der geforderten Vergütung, nämlich die richtige Kodierung und Abrechnung (vgl oben II. 2; § 301 SGB V). Der Anspruch auf Zahlung einer Aufwandspauschale kommt hierfür nicht in Betracht, unabhängig davon, zu welchem Ergebnis das LSG bei seiner erneuten Entscheidung hierzu gelangt, nachdem es die noch erforderlichen Feststellungen getroffen hat.

    Conclusio:Also gibt es bei Kodierfragen keine AWP und bei VWD-Prüfungen nur dann, wenn sich kein Cent an der Rechnung ändert.

    Herzliche Grüsse aus Mittelfranken
    E. Horndasch