Neues vom BSG / LSG

  • korrekt, aber dass ist doch inzwischen schon "ständige Rechtsprechung" des Senats, auch wenn es hiergegen massive Kritik gibt. Mir liegt zB gerade ein Rundschreiben der KGNW vor, die dazu aufruft, sich generell nicht auf sachlich-rechnerisch mit all seinen Folgen einzulassen...

    bezüglich des Urteils zum Az. B 1 KR 13/14 R dürfte es auch Diskussionen geben, ob die Bewertung der ND N17.9 korrekt war, das BSG sah hier offenbar Anhaltspunkte dafür, dass gar keine eigenständige Erkrankung ANV vorlag, sondern die Werte nur Folge der Exsikkose waren, und damit gem. DKR D002 Symptome als ND ggf. nicht kodierfähig war, wobei ich ein ANV grds. immer als wichtiges Problem sehen würde...

    Einmal editiert, zuletzt von RA Berbuir (21. August 2015 um 11:43)

  • Hallo Herr Berbuir,

    zunächst sei darauf hingewiesen, dass ein ANV häufig als Folge einer Exsikkose entsteht. Gleichwohl ist es kein Symptom, sondern ein eigenständiges Krankheitsbild. Ein Symptom ist ein Zeichen einer Erkrankung (vgl. Wikipedia), ein ANV ist eine Erkrankung (mit mehreren Symptomen).

    Leider sind die Ausführungen im Urteil hinsichtlich der Voraussetzungen zur Kodierbarkeit des ANV -zuindest für mich- nicht eindeutig.

    Das BSG führt allerdings unter R-Nr. 17 aus: "Das ist nach den DKR (2008) dann der Fall, wenn die fragliche Diagnose überhaupt als Nebendiagnose zu kodieren ist und sich zudem auf das Versorgungsgeschehen tatsächlich im Sinne eines zusätzlichen Aufwands ausgewirkt hat."

    Das ist schlicht unzutreffend. Die Kodierrichtlinien sprechen -auch in 2008- von einer Beeinflussung des Patientenmanagements, nicht von einem Mehraufwand. Eine Beeinflussung des Patientenmanagements kann sogar zu einem geringeren Aufwand führen, z.B. keine Kontrastmittelgabe bei Allergie, so dass die Allergie damit kodierbar ist.

    Die Klarstellung, dass eine Maßnahme mehrere Diagnosen "bedienen" kann, wurde zwar erst in den DKR 2010 implementiert. Die zugrunde liegende Definition einer kodierfähigen Nebendiagnose war jedoch 2008 schon identisch. Dass es sich hierbei um eine Klarstellung und nicht um eine inhaltliche Änderung handelte, ist dem Anhang B der DKR 2010 zu entnehmen.

    Viele Grüße

    Medman2

    Einmal editiert, zuletzt von medman2 (22. August 2015 um 21:30)

  • der Terminbericht zur heutigen Verhandlung des 1. Senats ist raus! Wie zu erwarten ein paar echte Klopper:

    • geriatrische Komplexbehandlung ist nicht bei unter 60-jährigen abrechenbar

    hierzu sind nun auch die Urteilsgründe veröffentlicht.

    behandelt wurde ein 57-jährige u.a. mit geriatrischer Komplexbehandlung OPS 8-550.1 - strittig war lediglich, ob nur Ü60-Patienten geriatrisch behandelbar sind. Das BSG hat diese starre Altersgrenze nun bestätigt, ohne dass diese Altersgrenze im OPS vorgegeben wäre (soviel zu streng nach Wortlaut). Die Begründung stützt sich auf eine Auslegung des Begriffs Geriatrie (=höheres Lebensalter), der eine altersunabhängige Patientenzuordnung nicht erlaube (so aber noch das LSG) und diverse vom BSG selbst recherchierte Veröffentlichungen der geriatrischen Fachgesellschaften. Was sagen denn da die Geriater zu, auf der Seite der DGG findet sich folgendes:


    Wer ist ein geriatrischer Patient?

    Geriatrische Patienten sind definiert durch

    • geriatrietypische Multimorbidität
    • höheres Lebensalter (meist über 70 Jahre)
      (die geriatrietypische Multimorbidität ist hierbei vorrangig vor dem kalendarischen Alter zu sehen)


    Auch hier finden sich klare Gegenargumente. Also ich als Laie würde nach 5min Googlen sagen, dass es wohl auch jüngere Geriatrie-Patienten geben kann, denen das BSG nun eine adäquate Versorgung abschneidet... Der Fall war m.E. medizinisch zu entscheiden, nicht durch eine Verrechtlichung medizinischer Fachtermini!

    Einmal editiert, zuletzt von RA Berbuir (3. September 2015 um 17:06)

  • Hallo,
    mal schauen, ob die Fachgesellschaft das auch so sieht wie das Gericht oder ob es via DIMDI eine FAQ oder eine Anpassung des OPS gibt.
    Interessant auch, das das BSG sich in seiner Urteilsbegründung u.a. auf Wikipedia stützt.

    Herzliche Grüsse aus Mittelfranken
    E. Horndasch

  • da bin ich auch drüber gestolpert, mir hat man im Studium immer beigebracht, dass sowas keine wissenschaftlich-seriöse Quelle darstellt, aber das BSG geht wohl mit der Zeit... korrekterweise hätte man doch einfach mal ne Stellungnahme vom Fachverband einholen können, statt sich hier selbstherrlich medizinisches Fachwissen anzumaßen.

  • Interessant in dem Zusammenhang ist auch, dass die Einstufungshinweise der Selbstverwaltung (gehören da nicht die GKVen dazu? ;) ) zur Psych PV einen Patienten durchaus mit 55 Jahren in den gerontologischen Bereich schieben...

    Zitat

    Beispiel 2 für G 4 Patient, Alter 55 Jahre, mit seit Jahren bekannter Chorea Huntington, ist dement, schwer hirnorganisch geschädigt und wesensverändert. [...]


    Viele Grüße!

    Das Problem am Gesundheitssystem ist der aufrechte Gang. Der aufrechte Gang ist moralisch wünschenswert, orthopädisch aber eine Katastrophe.

  • interessante Entscheidung des LSG Bayern vom 14.07.2015 zu den Anforderungen an eine wirksame Aufrechnungserklärung der KKen:

    Eine Aufrechnungserklärung von Krankenkassen gegenüber Forderungen der Krankenhäuser müssen den Mindestanforderungen an die Bestimmtheit genügen. Die bloße Ankündigung, eine nicht bezifferte Summe “mit der nächsten Zahlung in Abzug“ zu bringen und dann auf einer Sammelabrechnung einen geminderten Betrag anzuweisen, ohne dass eine konkrete Gegenforderung benannt wird, genügt hierfür nicht.

    Die Klage betraf einen Altfall aus dem Jahr 2007, seit 2015 fordert auch die PrüfvV in § 9 die Einhaltung dieser eigentlich selbstverständlichen Minimalvoraussetzungen.

  • sehe ich nicht so, da die Revision zum einen nicht zugelassen wurde und das BSG auch in ständiger Rechtsprechung selbst die Anwendbarkeit von § 387 ff. BGB bejaht. Wenn die Kassen hier halt nicht in der Lage sind, simple Angaben zur Bestimmtheit der Gegenforderung zu machen, kann ihnen auch das BSG nicht helfen...

    vgl. insoweit auch die zivilrechtliche Rechtsprechung: "Da eine Aufrechnung rechtsgestaltend wirkt, muss sich die beabsichtigte Rechtsänderung klar und unzweideutig aus der Erklärung ergeben. Fehlt es an der danach erforderlichen Bestimmtheit, ist die Aufrechnungserklärung unwirksam." (OLG Frankfurt, Beschluss vom 07.01.2010 - 19 W 89/09; OLG Köln, Urteil vom 10.11.2004 - 2 U 168/03).

  • Hallo,
    interessant ist der letzte Satz im urteil:
    Zudem wurde die hier streitentscheidende Formulierung der Pflegesatzvereinbarung 2007 ausschließlich im Freistaat Bayern verwendet. Seit 2011 findet sie auch hier keine Anwendung mehr.
    Damit dürfte die Anzahl der Streitfälle begrenzt sein.

    Herzliche Grüsse aus Mittelfranken
    E. Horndasch

  • ausnahmesweise mal ein positives Urteil für ein KH vom 1. Senat!
    Die KK hatte im erstinstanzlichen Klageverfahren irrtümlich ein Anerkenntnis erklärt, das aber eigentlich einen anderen Fall betreffen sollte. Inhaltlich war der Fall für das KH eigentlich nicht zu gewinnen (fehlender Versorgungsauftrag für abgerechnete Leistung). Allerdings entschied das BSG nun im Gegensatz zu den Vorinstanzen, dass man ein einmal erklärtes Anerkenntnis nicht einfach widerrufen oder anfechten kann, da es als Prozesserklärung ggü. dem Gericht bindend ist, sofern nicht sog. Restitutionsgründe (vgl. § 580 ZPO: Täuschung, Fälschung o.ä.) vorliegen. Andere Senate hatten hier früher mal abweichend entschieden, haben diese Auffassung nun aber offenbar aufgegeben. Ein einfaches Büroversehen reicht somit nicht als Entschuldigung. Da das Ganze natürlich genauso gut in die andere Richtung funktioniert, ist hier eine Schriftsatzkontrolle (korrektes Gerichtsaktenzeichen angegeben?) evident wichtig. Insbesondere auch beauftragte Anwälte können sich bei Fehlern haftbar machen... ;)