Fehlende häusliche Versorgung

  • Liebe Kollegen,

    ich benötige kurzfristig Hilfe bei der folgenden Fallkonstellation:

    Stat. Aufnahme einer älteren Patienten zur arthroskopischen Kniegelenksoperation; OP am Aufnahmetag; 2 x Kat. 2 - Eingriff

    VWD 2 BT

    Kostenträger prüft diesen Fall und kommt zu dem Ergebnis, ambulante Maßnahmen seien ausreichend gewesen.

    Diesem haben wir widersprochen und auf die folgenden Aspekte hingewiesen:

    - 2 x Kat. 2 - Eingriff

    - adipöse Patientin mit hierdurch zu erwartender, postoperativer Mobilisationseinschränkung

    - Überwachung einer Redondrainage

    - Pat. ist alleinstehend

    Der MDK lehnt auch im Widerspruchsverfahren alle medizinischen Gründe ab und will sich zur Frage der häuslichen Versorgung nicht äußern.

    Nach meiner Wertung liegt hier ein eindeutiges G - AEP - Kriterium vor.

    Hat jemand Erfahrungen zur gerichtlichen Durchsetzbarkeit der Konstellation?

    Viele Grüße

    Stephan Wegmann

  • Hallo Hr. Wegmann


    Möchte auf folgendes Hinweisen:

    Entscheidung des Großen Senates zur Entscheidung des 3. Senats aus 2003 (B3-KR-18-03-R)

    "Die Entscheidung, ob ein Versicherter wegen einer behandlungsbedürftigen Krankheit in einem Krankenhaus versorgt werden muss, kann ein die Einweisung ins Krankenhaus verordnender niedergelassener Arzt (§ 73 Abs 2 Satz 1 Nr 7 SGB V iVm § 27 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V) oder die Aufnahme ins Krankenhaus anordnender Krankenhausarzt (§ 39 Abs 1 Satz 2 SGB V) stets nur mit Blick auf die in Betracht kommenden ambulanten Behandlungsalternativen treffen."

    Dies gilt in gleicher Weise bei der Entscheidung eines Krankenhausarztes, ob ein bereits stationär untergebrachter Patient bei fortdauernder Behandlungsbedürftigkeit weiterhin im Krankenhaus zu behandeln ist oder entlassen werden kann, weil die erforderliche medizinische Versorgung außerhalb des Krankenhauses nicht sichergestellt ist.

    Das Erfordernis einer konkreten Betrachtungsweise bedeutet, dass es nicht ausreicht, von theoretisch vorstellbaren, besonders günstigen Sachverhaltskonstellationen auszugehen, die den weiteren Krankenhausaufenthalt entbehrlich erscheinen lassen, sondern dass zu prüfen ist, welche ambulanten Behandlungsalternativen im Einzelfall konkret zur Verfügung stehen
    , weil nur so die kontinuierliche medizinische Versorgung eines Versicherten gewährleistet werden kann. Die Problematik wird besonders deutlich, wenn ein Patient auf Grund seines körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitszustands einstweilen oder auf Dauer nicht mehr in die eigene Wohnung zurückkehren kann, in der er vor dem Krankenhausaufenthalt gelebt hat.

    Eine Entlassung aus dem Krankenhaus kommt in solchen Fällen erst in Betracht, wenn geklärt ist, wo der weiterhin behandlungsbedürftige Patient nach der Entlassung - wenn auch möglicherweise zunächst nur vorübergehend - leben bzw wohnen wird und ob dort die notwendige medizinische Versorgung sichergestellt ist. Solange dies nicht geklärt ist, sondern nur theoretische Möglichkeiten im Raum stehen, kann ein Patient nicht aus dem Krankenhaus entlassen werden; die stationäre Behandlung ist dann weiterhin erforderlich i.S. des § 39 Abs 1 SGB V.

    Diese konkrete Betrachtungsweise gilt nicht nur für die beteiligten Ärzte und Krankenhäuser, sondern gleichermaßen für die Krankenkassen und den MDK.
    Auswirkungen hat dies insbesondere bei der Prüfung von Anträgen auf Kostenübernahme für eine stationäre Behandlung, also bei Erstanträgen zwecks stationärer Aufnahme sowie bei Folgeanträgen nach befristeten Kostenzusagen bzw. bei Verlängerung eines Krankenhausaufenthalts.

    Da die Krankenkasse dem Versicherten die notwendige medizinische Behandlung als Sachleistung schuldet (§2 Abs 2, § 27 SGB V) und sie gegenüber dem Versicherten nach § 14 Sozialgesetzbuch Allgemeiner Teil (SGB I) zur Beratung über seine Rechte und Pflichten aus dem Sozialversicherungsverhältnis verpflichtet ist, kann sich die Krankenkasse nicht allein damit entlasten, dass sie auf denkbare ambulante Behandlungsalternativen verweist, solange sie diese nicht in konkreter und nachprüfbarer Weise aufzeigt.

    Bin der Meinung, dass wir dies in all diesen Fällen anwenden sollten, in welchen es sich nur um theoretisch vorhandene ambulante Therapie-/Behandlungsmöglichkeiten handelt. Sollten wir uns nicht daran halten und dem Patienten im ambulanten Bereich ein Schaden entstehen, werden die Kostenträger die ersten sein, die uns auf unsere Pflicht hinweisen. Wir als Klinik haben sicherzustellen, dass der Patient nach Entlassung, zu Hause versorgt/betreut ist.

    Wünsche noch einen angenehmen Arbeitstag.

    Beste Grüße

    Thorsten Günther
    Bereichsleiter operatives Medizincontrolling
    RS S Röming und Schneider Strategie GmbH

  • Hallo Herr Wegmann,

    vielleicht hilt das Urteil vom 08.07.2008 - Sozialgericht Oldenburg S 62 KR 167/07 (rechtskräftig)


    "Im vorliegenden Fall war es erforderlich, die Versicherte D. E. zwei Tage stationär aufzunehmen. Hierbei hat das Gericht den Umstand berücksichtigt, dass die Versicherte allein stehend ist, so dass eine durchgehende 24-stündige postoperative Überwachung nicht gewährleistet war. Eine solche hätte auch nicht durch ambulante Behandlung, häusliche Krankenpflege und erst recht nicht durch Haushaltshilfe sichergestellt werden können. Dem steht nicht entgegen, dass im vorliegenden Fall bei vorausschauender Betrachtungsweise weder der Anästhesist noch der operierende Gynäkologe mit konkreten Problemen gerechnet haben. Abzustellen ist vielmehr auf das generelle Risiko, das jede Operation in Vollnarkose mit sich bringt. Der Klage ist daher im Hinblick auf den besonderen Umstand, dass es sich bei der Patientin D. E. um eine allein stehen-de Versicherte handelt, stattzugeben. "

    Gruß

    Sven Lindenau

  • Liebe Kollegen,

    ich würde gerne diesen Beitrag aus aktuellen Anlass fortsetzen.

    Folgende Fallkonstellation:

    Stat. Aufnahme eines Patienten zur endoskopischen Intervention am Kniegelenk. Alle OPS aus dem Katalog gem. § 115b ambulant erbringbar.

    Der Patient gab bei Aufnahme an, die häusliche Versorgung sei aufgrund der Abwesendheit seiner Frau (bei Berufstätigkeit)nicht gewährleistet gewesen.

    Der Kostenträger akzeptiert dieses nicht. - Hier wäre somit eine geeignete Person grundsätzlich verfügbar gewesen.

    Wäre es der Ehefrau zumutbar gewesen, hier z.B einen Tag Urlaub zu nehmen? - Oder hätte dieses sogar gefordert werden können?

    Wer hat hier entsprechende Erfahrungen?

    Viele Grüße

    Stephan Wegmann

  • Hallo Hr. Günther,

    Ihr Zitat ist zunächst aus der Ursprungsentscheidung des 3. Senats (B KR 10/03 R). Inhaltlich wurde diese dann durch die Entscheidung des Großen Senats (BSG vom 25.9.2007 - GS 1/06) revidiert, der ausgeführt hat, das für die stationäre Krankenhausbehandlung ausschließlich medizinische Gründe vorliegen müssen. Eine mangelnde häusliche Versorgung sei per se kein Grund für eine stationäre Behandlung.

    Allerdings ist auch in der Entscheidung des Großen Senats unter R-Nr. 20 ausgeführt, dass es bestimmte Leistungen der Krankenversicherung gibt, die nicht unmittelbar der medizinischen Versorgung dienen, z.B. Haushaltshilfe und Fahrtkosten. Zudem wird in R-Nr. 21 dargelegt, dass in gleiche Weise "Lebensumstände und die häusliche Situation ... etwa bei der Entscheidung zu berücksichtigen sind, ob ein chirurgischer Eingriff im konkreten Fall ambulant durchgeführ werden kann oder ausnahmsweise eine stationäre Aufnahme erfolgen muss, weil eine ausreichende Überwachung und Nachbetreuung des Patienten in seiner häuslichen Umgebung nicht gewährleistet ist (siehe dazu § 115b Abs.1 SGB V in Verbindung mit den dort vorgesehenen dreiseitigen Vereinbarungen zum ambulanten Operieren)."

    Und da ist wieder der Einstieg für die stat. Behandlung. Theoretisch kann nach AOP-Vertrag eine 24-stündige ambulante Pflege verordnet werden, auch wenn eine solche eigentlich im Leistungsverzeichnis nicht vorgesehen ist. Gleichwohl wird eine solche 24-stündige Pflege - zumindest bei uns - von den abulanten Pflegediensten nicht angeboten, so dass ein diesbezüglicher Einwand seitens der Kassen nicht durchgreift (s. konkreter Nachweis).

    Viele Grüße

    Medman2

    Einmal editiert, zuletzt von medman2 (16. Januar 2015 um 17:54)

  • Hallo,
    deshalb sollten solche Sachen VORHER mit der zuständigen Kasse geklärt werden.
    So sagt das BSG dazu

    Zitat

    Die Entscheidung darüber, ob dem Versicherten ein Anspruch auf Gewährung vollstationärer Krankenhausbehandlung als Sachleistung zusteht und darin eingeschlossen die Entscheidung, ob eine stationäre Behandlung aus medizinischen Gründen notwendig ist, obliegt nicht dem Krankenhaus, sondern der Krankenkasse, gegen die sich der Anspruch richtet

    Die Entscheidungsabläufe sind unterschiedlich, je nachdem, zu welchem Zeitpunkt die Kasse mit dem Leistungsbegehren befasst wird. Beantragt der Versicherte vorab die Genehmigung einer gemäß § 73 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 i.V.m. Abs. 4 SGB V vertragsärztlich verordneten Krankenhausbehandlung, so entscheidet die Krankenkasse ihm gegenüber durch Verwaltungsakt.

    Herzliche Grüsse aus Mittelfranken
    E. Horndasch

  • Hallo,
    Steht im Beschluss des grossen Senats vom 25.09.2007 - Az.: GS 1/06 drin.

    Herzliche Grüsse aus Mittelfranken
    E. Horndasch

  • 1. Tag stationär bei Plexusanästhesie

    Hallo Zusammen,

    ich habe eine ähnliche, aber etwas andere Fallkonstellation wo ich eine zweite Meinung benötige:

    Es wurde im vorliegenden Fall eine Kat. 1 Leistung 5-787.0b stationär durchgeführt, da mehrere G-AEP Kriterien vorlagen (aHT, Adipositas, NIDDM OSAS + CPAP-Gerät, NIDDM, Mall. IV, ULBT II, schwerer Atemweg: nur Epiglottis einsehbar, Maske nur zu zweit, ITN nur mittels BURP + Cookstab) + fehlende postoperative häusliche Versorgung.

    Nun ist es aber so, dass keine ITN durchgeführt wurde, sondern lediglich eine Plexusanästhesie. Der Pat. blieb bis zum Folgetag. Komplikationloser Verlauf.

    KK fordert auf Basis eines MDK Gutachtens nun AOP.

    Ist die stationäre Durchführung trotzdem begründet?

    Vielen Dank im Voraus!