Kein Behandlungszusammenhang - Keine Fallzusammenführung

  • Guten Tag Miteinander,

    es geht um das schöne Urteil Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 28.08.2012, Az.: L 6 KR 295/11 (Eine Fallzusammenführung wegen Rückverlegung setzt einen medizinischen Zusammenhang der Behandlungen voraus. Es entspricht der Rechtsprechung des BSG, dass ergänzend zum engen Wortlaut einer Abrechnungsregel systematische Überlegungen angestellt werden können. Die systematischen Gründe des LSG führen dazu, dass zwischen beiden Behandlungen, die zu einem Fall zusammengeführt werden sollen, ein medizinischer Zusammenhang bestehen muss).

    Eine große Kasse erkennt dieses nicht an. Nun zu meiner Frage: Kann ein Kostenträger dieses rechtskräftige Urteil aberkennen, weil dieses nicht in dem Bundesland entschieden wurde in dem die Klinik steht? Oder anders gefragt: Gilt das denn nur in Thüringen, weil Landessozialgerichtsentscheidung?

    Vielen Dank!

    Mit freundlichen Grüßen

    W.Miller

  • Hallo Frau/Herr Miller,

    natürlich kann eine Krankenkasse kein rechtskräftiges Urteil "aberkennen". Sie kann aber sehr wohl behaupten, dass sich dieses rechtskräftige Urteil nur auf die besondere Konstellation des dort verhandelten Einzelfalls bezieht.

    Um eine eigene Klage werden Sie daher wohl nicht herumkommen.

    Mit freundlichen Grüßen

    Markus Hollerbach

  • Guten Morgen,

    dies würde in der Konsequenz wohl auch bedeuten, dass bei Wiederaufnahme innerhalb von 24 h in einem anderen KKH aufgrund einer neuen Erkrankung ggf. auch keine Verlegungsabschläge zu berechnen sind, da hier keine Verlegung vorliegt. 8)

    Wie ist ihre Einschätzung ?


    LG


    Herb

  • Hallo,

    der einzige Grund warum der Kosteträger die Entscheidung des LSG Thüringen ablehnt liegt darin das es sich hier (wie bereits von Hr. Hollerbach beschrieben) um eine Einzefallentscheidung handelt. Eine "Allgemeinverbindlichkeit" besteht in keinster Weise. Die KK halten sich hier (korrekterweise) an die geltenden Rechtsvorschriften der FPV und diese stellt bekannterweise nicht auf med. Fakten ab.

    mit freundlichen Grüßen

    Einsparungsprinz

  • Hallo,

    Herb: falls sich bspw. ein Patient kurz nach der Entlassung aufs Fahrrad schwingt, von einem Fahrzeug angefahren und verletzt in ein anderes Krankenhaus gebracht wird, haben Sie im Falle einer Klage, denke ich, gute Chancen, keine Verlegungsabschläge abziehen zu müssen.

    Einsparungsprinz: natürlich kann ein LSG-Urteil, auch wenn es rechtskräftig ist, nicht dazu führen, dass der darin verhandelte Sachverhalt nun automatisch jede weitere Diskussion über vermeintlich ähnlich gelagerte Fälle ausschließt - immerhin wurden auch schon einige LSG-Urteile durch das BSG später wieder kassiert. Allerdings berufen sich auch Krankenkassen gelegentlich vollmundig auf derartige Entscheidungen.

    Und was das Thema "Med. Fakten in der FPV" betrifft: das wird etwa im Zusammenhang mit § 1 Abs. 7 S. 5 ("Beurlaubung") gerne ganz anders gesehen...

    Mit freundlichen Grüßen

    Markus Hollerbach

  • Hallo Forum,

    @Hr. Hollerbach: korrekt, das Thema Beurlaubung und Komplikation wird gerne ganz anders gesehen, allerdings auch von "beiden Seiten" aus!

    mit freundlichen Grüßen

    Einsparungsprinz

  • Guten Abend,

    mhollerbach: Ihr sehr einleuchtendes Beispiel mit dem Patienten, der sich nach Entlassung auf dem Fahrrad anfahren lässt, dürfte bei weitem nicht der einzig denkbare Fall sein, bei dem keine Verlegungsabschläge zu zahlen sind. So werden wahrscheinlich auch Aufnahmen innerhalb 24 Stunden in ein anderes Kh, die ohne Fahrradunfall einen anderen Aufnahmeanlass haben, gute Klagechancen besitzen.

    Wenn bei Entlassung die Behandlung abgeschlossen war und die Aufnahme ins neue Kh aus einem komplett anderen Grund erfolgte, sollten die Häuser nach Auskunft unserer Landeskrankenhausgesellschaft unbedingt gegen Verlegungsabschläge klagen. Zumal die Rechnungen durch die Kassen meistens "hart" abgewiesen werden und die Häuser somit zunächst gar kein Geld für den Aufenthalt erhalten.

    Einsparungsprinz: Selbstverständlich stellt das Urteil des LSG keine Allgemeinverbindlichkeit dar. Allerdings liegt der Grund der Ablehnung durch die Kasse mitnichten einzig in der Einzelfallentscheidung durch das LSG begründet, sondern vielmehr in der Befürchtung, dass die Kassen künftig in so manchem Fall keine Verlegungsabschläge mehr geltend machen könnten.

    Und obwohl das, inzwischen übrigens rechtskräftige Urteil, keine Allgemeinverbindlichkeit darstellt, so gibt es in der Begründung doch einen für andere Gerichte und auch juristische Laien nachvollziehbaren Sachverhalt wieder. Wir werden jetzt jedenfalls einen derartigen Fall beklagen und rechnen uns sehr gute Chancen aus.

    Viele Grüße

    Mille

  • Hallo,
    der Vorteil der Regelungen und der bisherigen Rechtsprechung des BSG (Auslegung nach Wortlaut) war / ist ja, dass man sich da nicht nach Fallzusammenhängen richten muss. Viel Spass bei den kommenden Diskussionen. Und damit meine ich nicht nur die vermeintlichen Beurlaubunsregelungen. Dann wären z.B. auch die 30 Tage bei Partitionswechsel diskutabel (steht auch in der FPV) und so vieles anderes. So zumindest meine Befürchtungen.

    Herzliche Grüsse aus Mittelfranken
    E. Horndasch

  • Hallo Forum,

    Mille: Solange keine höchstrichterliche Rechtssprechnung erfolgt ist oder die Regelungen in der FPV mit einem "Zusatz" ergänzt werden sehe ich (als Krankenkassenmitarbeiter) einer Klage durch das KH äußerst gelassen entgegen.

    Gesetzesvorschriften sind (leider) nicht immer eindeutig. Umso erstaunlicher wieso gerade eine "glasklare" Rechstvorschrift wie z. B. § 1 Abs. 1 letzter Satz FPV (24-Stunden-Regel) oder § 2 Abs. 2 Nr. 2 FPV (OP folgt Diagnostik) jetzt "verdreht" werden sollten. Wohl doch nur zugunsten des Leistungserbringers...

    mit freundlichen Grüßen

    Einsparungsprinz