qualifizierter Entzug 9-700 und Intensiv

  • Hallo Forum,

    zum neuen Kode 9-700 habe ich einige Fragen:

    Beginnen Sie mit dem "qualifizierten Entzug" 9-700 tatsächlich erst nach der Intensivphase? Die beiden Behandlungsarten schließen sich ja nach OPS aus - nicht aber unbedingt in der Realität. Wie aber verfährt man dann, sobald ein Mindestmerkmal vorliegt und entsprechend "intensiv" therapiert wird - erst mal also kein qualifizierter Entzug?

    Die 9-700 wird als einzige Behandlungsart (im Gegensatz z.B. zur Regelbehandlung) in Tagen einmal pro Fall angegeben. Wie sieht das dann chronologisch nachher aus, wenn wir tatsächlich in der Zeit mit Intensiv-Mindestmerkmalen diese auch als Intensiv (und nicht Entzug) werten? Bp. Patient 2 Tage Intensiv, 2 Tage Entzug, dann noch mal Intensiv 1 Tag und wieder 10 Tage Entzug:

    9-614.0 Intensiv ohne TE 1.1.2014, 9-614 Intensiv ohne TE 5.1.2014, 9-700.1 7-14 Tage Entzug 3.1.2014 ?

    Wie verfahren Sie in der Zeit mit den - für den qualifizierten Entzug ja nicht verwertbaren - Therapieeinheiten?

    Viele Grüße, Garda

  • Hallo Garda,

    wie wollen Sie in der Realität eine qualifizierte Entzugsbehandlung machen, wenn der Pat. z.B. durch somatische Komplikationen im Entzug vital gefährdet ist?

    Wir starten mit der qualifizierten Entzugsbehandlung jedenfalls erst dann, wenn der Pat. dieser zugestimmt hat (solange er im Entzug klappert, ist er zu dieser Entscheidung nämlich nicht in der Lage) und er an entsprechenden Angeboten geistig auch aktiv teilnehmen kann. Eine zeitweilige Unterbrechung dieser Behandlung kommt bei uns ganz einfach nicht vor, weil wir die Vorgänge nicht noch komplizierter gestalten wollen als es not tut.

    Schöne Grüße
    Anyway

  • Hallo garda,

    bezüglich der Frage, was mit den TEs passiert: Bei uns werden sie nicht miteingerechnet. So verfährt auch die Sofware des KIS

    Nach der Definition beginnt tatsächlich die 9-700 erst nach der Intensivbehandlung Merkmal 7. In diesem Zusammenhang entsteht aber bei uns (wieder einmal) die Frage der Definition von "vitaler Gefährdung". Ist damit schon der Patient mit 3 mal täglicher Blutdruck/Pulsmessung gemeint, oder reden wir von wirklich komplizierten Entzügen nahe der Monitorüberwachung. Bei ersterem fallen also fast alle Patienten im Suchtbereich anfänglich unter den Intensivcode. Bei letzterem liegt der Anteil eben im einstelligen Prozentbereich. Ich finde das auch deshalb so wichtig, weil die Wahrscheinlichkeit, daß die Intensivmerkmale (stärker) zu Kostentrenner werden, sinkt, wenn das Intensivmerkmal bei fast allen Patienten im Suchtbereich und über einen relativ langen Zeitraum verwendet werden!

    Wie handhaben denn die anderen Häuser dieses Intensivmerkmal "Entzugsbehandlung mit vitaler Gefährdung"?

    Herzlichen Dank für die Beteiligung.

    E. Rah.

    Medizinische Dokumentarin

  • Hallo E. Rah,

    wir machen es so:
    Bei den Alkoholabhängigen trifft das Merkmal zu, solange der Patient eine spezifische Entzugsmedikation (z.B. Distraneurin) erhält oder sonstige erhebliche Gefährdungen (z.B. erhöhte Krampfanfallgefahr..) vorliegt. Wenn die Patienten sich dann auf die Qual. Entzugsbehandlung einlassen werden sie in die 9-700 eingestuft, ansonsten in die Regelbehandlung.

    Grüße, helmutwg

  • Oha - da haben wir aber deutlich strengere Richtlinien:

    das Intensivmerkmal "vitale Gefährdung" setzen wir ausschließlich ein bei Patienten mit deliranter Symptomatik oder aber extremen Vitalwerten, wobei Letztere i.d.R. zum Monitoring in die somatische Klinik verlegt werden.

    "Vitale Gefährdung" hätte ich jetzt als "lebensbedrohlich" verstanden - da bin ich ja mal gespannt darauf, wie andere Häuser das handhaben...

    Gruß
    Anyway

  • Hallo zusammen,

    wie bei den anderen Intensivmerkmalen auch, fehlt im Grunde eine klare Definition was genau eigentlich gemeint ist. Wenn man das Merkmal "Entzugsbehandlung mit Vitalgefährdung durch somatische Komplikationen" so auslegt wie in den beiden letzten Beiträgen beschrieben, wird es nicht oft zutreffen. Patienten die sich in einem akutem lebensbedrohlichen Zustand befinden werden doch üblicherweise in die Innere Medizin ggf. auch Intensiv verlegt.
    Wir stufen Patienten im Alkoholentzug dann intensiv (mit diesem Merkmal) ein, wenn ein schwerer körperlicher Entzug vorliegt, Entzugsmedikamente gegeben werden, Krampfanfallprophylaxe erfolgt, die Patienten in einem Überwachungszimmer sind, regelmäßig (mehrfach am Tag) die Vitalparameter bestimmt werden und mehrfach am Tag eine ärztliche Kontrolle stattfindet.
    Das alles bedeutet einen personellen Aufwand, der sich doch deutlich von leichten Entzügen unterscheidet.
    Vielleicht hilft es auch nochmal in den OPS zu schauen: Als Erklärung zum Merkmal steht "Dieses Merkmal ist erfüllt, wenn eine Überwachung der Vitalparameter und der Vigilanz engmaschig erfolgt". Von akuter Lebensgefahr steht dort nichts, "vital gefährdend" kann ein schwerer körperlicher Alkoholentzug aber durchaus sein.
    Grüße, helmutwg

  • Guten Abend,

    "Gefährdung" kann aus unserer Sicht nur als "es besteht die Gefahr" interpretiert werden, nicht als "es ist so". Der Krampfanfall und das Delir "sind". Entsprechend werden gefährdete Patienten "engmaschig etc" überwacht und werden in die Kategorie "Intensivbehandlung" eingeordnet. Bisher!

    Spannend ist für uns die Frage, was im Sinne der PEPP "sinnvoller" ist. In der oben beschriebenen Situation ist der Patient gelichzeitig ja auch somatisch entzüglich und pro Woche könnten ja auch die Mindestanforderungen (Gruppen- und Einzelmaßnahmen) durchgeführt werden. Sind die 7 Tage "Somatischer Entzug" oder die 50 oder 75% Intensivbehandlung von Vorteil, die Auswirkungen auf das PEPP-Cluster haben.

    Freundliche Grüße

    Jorge

  • Liebe Forumsteilnehmer,

    vielen Dank für die rege Resonanz auf meine Frage. Die verschiedenen Interpretationsansätze sind bei uns bei der Entwicklung einer klinikinternen Definition auch aufgetaucht. Meine Gedanken gingen eben auch dahin, wie Warscheinlichkeit, dass hier Kostentrenner identifiziert werden, sinkt, wenn die Häuser, die Kalkulationsdaten liefern, so unterschiedliche OPS Einstufungen handhaben. Aber ich weiß, ich wiederhole mich und ich bin nicht die einzige: es wäre hilfreich, wenn bei der Überarbeitung des OPS genauere Intensiv-Definitionen entwickelt werden könnten. Es hat ja eine marginale Änderung des Textes beim Intensivmerkmal 7 für 2014 stattgefunden. Wollte man damit eine stengere Auslegung bewirken oder ist das rein germanstisch zu sehen?

    Besten Dank für die bisherigen Antworten, ich möchte damit aber nicht weitere Beiträge "abwürgen". Ich freue mich über weitere Gedanken.

    Schöne Grüße

    E. Rah.

    Medizinische Dokumentarin

  • Liebes Forum,

    vielen Dank für Ihre zahlreichen Antworten.

    Ich sehe das Merkmal "Entzugsbehandlung mit Vitalgefährdung durch somatische Komplikationen" bei Alkoholabhängigen - ähnlich wie helmutwg - erfüllt, wenn ein Entzug u.a. ein Überwachungszimmer, "engmaschiges" Überwachungsprotokoll bzgl. der Vitalparameter und entsprechende Medikation erfordert.

    Im Vergleich zu 2013 sind die Bedingungen ein wenig gelockert worden - eben "engmaschig" (z.B. alle 15 Minuten) statt "dauerhaft" (Monitor). Das ist m.E. aber nur die Anpassung an die Realität, dass die Patienten in einem Überwachungszimmer in der Psychiatrie liegen und nicht in einem "in einem akutem lebensbedrohlichen Zustand" (danke helmutwg) auf einer somatischen Intensivstation.

    Viele Grüße, Garda

  • Eine Frage habe ich noch -

    wie bilden Sie den Entzug von illegalen Drogen (Heroin, Kokain etc.) ab? Der OPS differenziert ja an dieser Stelle nicht, so dass ich grundsätzlich erst mal ähnliche Kriterien für die Einstufung ansetzen würde. Der Entzug läuft aber ja doch anders.

    Betrachtet man das "Ergebnis" bzgl. PEPP, ist es für Heroin schon über die Hauptdiagnose geregelt -> PA02A. Bei Kokain aber z.B. erreicht man vermutlich oft die PA02C (mit qualifiziertem Entzug) oder sonst PA02D. Für die PA02B sind ja doch recht hohe Anforderungen an den Intensiv- bzw. 1:1-Anteil oder ND gestellt. Ggf. "hilft" noch die Therapiedichte.

    Jorge, durch die hohen Anforderungen bzgl. Intensiv an die PA02B "mind. 3 Merkmale: > 50% der VWD, > 2 Tage" wird dies m.E. deutlich seltener zum Tragen kommen als der qualifizierte Entzug -> PA02C. Die ggf. noch mögliche Intensiv-PEPP P004Z erreicht man noch seltener.

    Viele Grüße, Garda