konkurrierende HD, Ressourcenverbrauch : rektale Blutung vs. pAVK mit Vakuumbehandlung

  • Hallo liebe Formusmitglieder:

    ich benötge Ihren Rat: strittig ist die Hauptdiagnose bei folgendem Fall:

    Die stationäre Aufnahme erfolgte wegen frischem rectalen Blutabgang während einer Dialysebehandlung (extern in der örtlichen Dialysepraxis).

    Begleiterkrankungen: term. dialysepflichtige Niereninsuffizienz, DM mit diab Fußsyndrom, art. Hypertonie, diab. Retinopathie, ren. Anämie, diab. Nepho- u. Angiopathie
    alk. Leberzirrhose, pAVK US Typ Stadium IV mit Nekrose (MR Angio vor 6 Wochen durchgeführt)
    Z.n. D1 u.D2 Amputation re Vorfuß, Z.n. Phlegmone Bereich MFK Köpfchen

    Bei der Aufnahmeuntersuchung: massiver hellroter Blutablauf mit Stuhl, Dekubitus und Nekrose an den Fersen bds.
    Die Blutung sistiert spontan am Aufnahmetag, Gabe von 2 EKs, Sigmoidoskopie am Folgetag wegen noch starker Stuhlverschmutzung ohne Ergebnis. Anamnestisch bekanntes Rektumulcus.

    Am 2. Behandlungstag chirurgisches Konsil bzgl. weiteres Vorgehen der Fersenulcera/Nekrosen am Unterschenkel und Fußrücken.
    Übernahme in die Chirurgie am 6. Tag. Nun folgt ein 2 monatiger Aufenthalt mit Wunddebridement, bei Wundheilungsstörung Oberschenkelamputation links, Vakuumtherapie rechts, letztlich bei nicht heilenden Wundverhältnissen, Oberschenkelamputation rechts.

    Wir haben die K92.2 (DKR peranale Butung) als HD gewählt.
    Sämtliche OPS bzgl. der chirurgischen Interventionen führen damit in die G35Z (komplexe Vakuumbehandlung bei Erkranklung der Verdauungsorgane). Diese DRG ist zwar etwas verquer, da sich die Behandung ja nicht auf das (vermeintlich blutende) rektale Ulcus, sondern auf die Nekrosen durch die pAVK erstreckte, aber so gibt es der Grouper nun mal aus.


    Das hat die MDK Prüfung veranlasst: Frage Hauptdiagnose.
    Der MDK argumentiert nun mit den "konkurrierenden Hauptdiagnosen" und fordert die pAVK (I70.24) als HD.
    Die pAVK sei als konkurrierende Hauptdiagnose zu sehen, lag schon bei Aufnahme vor und hat im Verlauf den größeren Ressourcenverbrauch verursacht.

    Bei mir hakt es schon gleich am Anfang der Begründung: Lagen hier wirklich konkurrierende HDs vor? Die Erkrankung die für die Veranlassung (das interpretiere ich als den Grund für die Aufnahme), war doch eindeutig die Blutung. Die Nekrosen wurden ambulant vor der stationären Aufnahme ambulant konservativ versorgt.
    Weitere Aussage: die 2 monatige Verweildauer seien nach Stabilisierung der Blutungssituation ja nur durch die pAVK begründet, somit erhöhter Ressourcenverbrauch durch die HD pAVK.
    Das stimmt natürlich schon, die Kosten für die erste Behandlungswoche dürften gering sein im Vergleich zur gesamten weiteren Behandlung. Aber wird dann mit diesem Argument die DKR der Hauptdiagnose ausgehebelt?

    Die Krux (mal wieder). Der Erlös der G35Z ist ein vielfaches im Vergleich zur F28B, die sich mit der pAVK groupt.

    Ich bedanke mich vorab für ihre Zeit und Mühe, hier die korrekte Wahl der HD zu verstehen. Wie ist Ihre Meinung?

    Kodeverdreher

    Einmal editiert, zuletzt von Kodeverdreher (7. Februar 2014 um 10:10)

  • Genau die selbe Konstellation hatte ich auch schon und es ist wirklich zum Haare raufen.

    Das Grouperergebnis widerstrebte uns genauso. Dennoch haben wir uns an den Wortlaut der Kodierrichtlinie gehalten:

    „Die Diagnose, die nach Analyse als diejenige festgestellt wurde, die hauptsächlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes des Patienten verantwortlich ist."

    Denn:

    "Wenn zwei oder mehrere Diagnosen in Bezug zu Aufnahme, Untersuchungsbefunden und/oder der durchgeführten Therapie gleichermaßen die Kriterien für die Hauptdiagnose erfüllen und ICD-10-Verzeichnisse und Kodierrichtlinien keine Verschlüsselungsanweisungen geben, muss vom behandelnden Arzt entschieden werden, welche Diagnose am besten der Hauptdiagnose- Definition entspricht. Nur in diesem Fall ist vom behandelnden Arzt diejenige auszuwählen, die für Untersuchung und/oder Behandlung die meisten Ressourcen verbraucht hat. Hierbei ist es unerheblich, ob die Krankheiten verwandt sind oder nicht."

    trifft auch im vorliegenden Fall einfach nicht zu. Die Indikation zur chirurgischen Behandlung ergab sich erst im Verlauf und entspricht somit den Nebendiagnosekriterien.

    Ganz klares Grouperproblem in meinen Augen.

  • So, wie ich den Behandlungsfall lese, ist mir die Sicht dieses MDKs fachlich und klassifikatorisch völlig unverständlich. Die Fallkonstellation ist eindeutig, die K92.2 ist definitiv der zur Aufnahme führende Sachverhalt. Ich sehe nichtmal im Ansatz konkurrierende Hauptdiagnosen. Ich empfehle, die Hauptdiagnose durchzufechten, und wenn es bis zum Sozialgericht gehen muss.

    (Manchmal kann ich nur den Kopf schütteln über die Entscheidungen mancher Kollegen ...)

    • Offizieller Beitrag

    Guten Tag

    Siehe hierzu auch:


    Pro HD I7024:

    „Somit erfüllen die zum Aufnahmezeitpunkt zweifellos bereits vorhandenen Wirbelmetastasen gleichfalls das Kriterium eines Aufnahmeanlasses „nach Analyse“ des Falles und können daher unter den hier diskutierten Bedingungen als Hauptdiagnose angegeben werden.“


    Pro HD K92.2

    „PS: In der Zwischenzeit wurden uns von mehreren chirurgischen MDK-Gutachtern kritische Stellungnahmen zu dieser Auffassung vorgetragen. Als übereinstimmendes Argument wird vorgebracht, dass zum Aufnahmezeitpunkt keine Symptome der Wirbelmetastase vorgelegen hätten, die somit nicht die Bedingungen einer Hauptdiagnose gemäß DKR D002f erfüllen kann.“


    http://www.bdc.de/index_level3.jsp?documentid=65EF0EF1A4A643CBC125743200285E1D&form=Dokumente&&ExpandSection=1


    Gruß

    E Rembs

  • Hallo zusammen,

    vielen Dank für Ihre Rückmeldungen.

    Ich habe auch noch in etwas älteren Fortbildungsunterlen gekramt und habe folgendes von einem Dozenten, der früher beim MDK Bayern tätig war, gefunden:

    Def: konkurrierende Hauptdiagnosen:
    1. beide Diagnosen müssen bei Aufnahme vorliegen
    2. beide Diagnosen müssen bei Aufnahme symptomatisch sein
    3. jede Diagnose muss für sich alleine die stationäre Aufnahme veranlassen.

    Welche davon auswählen?
    1. die den größeren Ressourcenverbrauch aufweist
    2. im konkreten Einzelfall


    Ich schließe aus diesen Ausführungen für meinen o.g. Fall:
    Punkt 1 trifft zu
    Punkt 2. nur bedingt (symptomatische Ulcera?) die Ulcera sind vorbestehend, also vorhanden, aber "symptomatisch"?
    Punkt 3. trifft nicht zu, die Ulcera waren ambulant lediglich durch regelmäßige Verbandswechsel "behandelt", bzw. versorgt

    Fazit: es liegen keine konkurrierenden HDs vor, deshalb stellt sich die Frage nach dem größeren Ressourcenverbrauch gar nicht.
    Die gastrointestinale Blutung ist m.E. korrekte HD.

    Ich werde dem Erstgutachten widersprechen und weiter berichten. Letzlich wohl aber ein Fall fürs Sozialgericht.

    Viele Grüße ....der

    Kodeverdreher (mir gefällt mein Alias immer besser...)

    • Offizieller Beitrag

    Hallo,

    Hallo zusammen,
    Ich habe auch noch in etwas älteren Fortbildungsunterlen gekramt und habe folgendes von einem Dozenten, der früher beim MDK Bayern tätig war, gefunden:

    3. jede Diagnose muss für sich alleine die stationäre Aufnahme veranlassen.


    Dieser Punkt ist dann allerdings nicht korrekt. Bei der HD-Definition geht es nicht um die Veranlassung der stationären Aufnahme, sondern um die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes.
    Das macht vereinzelt dann einen relevanten Unterschied.

  • Hallo ins Forum,

    nach Herrn Selters Ausführung, wäre theoretisch Tag für Tag aufs Neue zu überprüfen welche Erkrankung/Diagnose den Verlauf und damit die DAUER des Aufenthaltes bestimmt hat?
    Ich verstehe den Wortlaut der DKR anders, nämlich so wie schon oben von mir ausgeführt. Die "...Veranlassung..." in Bezug auf die Aufnahmesituation und nicht auf den stationären Behandlungsverlauf.

    Gibt es hierzu passende Rechtssprechung? Hat jemand noch weitere Beispiele für solche Konstellationen? Wie haben sie Ihre Entscheidungen für die Wahl der Hauptdiagnose begründet?

    Viele Grüße

    kodeverdreher

    • Offizieller Beitrag

    Hallo,

    einfaches Beispiel, was vor Jahren auch per Gericht dann so entschieden wurde.

    Pat. zunächst Aufnahme zur TEP-Implantation. Dann aber Darm-CA festgestellt, deswegen operiert und hat maßgeblich den stationären Krankenhausaufenthalt bestimmt (keine TEP-Implantation). HD wurde dann laut Gericht CA zugeordnet, obwohl zunächst Aufnahme wegen Arthrose. Im Einzelfall darf also gestritten werden. Fakt ist, dass es keine Formulierung "stationären Aufnahme" in der D002 gibt, sondern "stationären Krankenhausaufenthalt". Von Dauer ist da auch nicht die Rede.

  • Hallo,

    vielen Dank für den Hinweis auf den TEP-Dickdarm Fall. Hier kann ich die Entscheidung des Gerichts sofort nachvollziehen und hätte selbst genauso beim Kodieren verfahren.

    ich habe mittlerweile einen wertvollen Hinweis seitens der DRG Research Group der Uni Münster zu meinem Fall erhalten. Kurz zusammengefasst:
    es liegen keine konkurrierenden HDs vor. Die pAVK ist als Komorbidität zu betrachten, die im Verlauf des Aufenthaltes als behandlungsbedürftig erachtet wird. Sie hat mit der Begründung der Aufnahmesituation nichts zu tun.

    Nun läuft das Widerspruchsverfahren, ich werde weiter berichten.

    Viele Grüße

    Kodeverdreher

  • Hallo,

    wie begründen die Münsteraner dass?

    Sie haben doch zwei massive gesundheitliche
    Probleme: einmal die rektale Blutung und
    zum andern die Dekubiti bei pAVK.

    Beides bedarf einer stationären Therapie, damit besteht
    eine Konkurrenz als Aufnahmegrund.
    Retrospektiv begründet doch bereits der Zustand bei Aufnahme
    des Patienten die notwendige Therapie,
    auch wenn erst im Verlauf diese dann definitiv beschlossen wurde.

    Mich würde die Begründung aus Münster interessieren.

    Gruß

    P.Host