Gutachten ohne medizinische Argumente

  • Hallo Zusammen,

    ich stelle zunehmend fest, dass MDK Gutachten einem "Dreizeiler ohne medizinische Fakten" gleich kommen.

    Epikrisen werden einfach kopiert. Stellungnahmen belaufen sich auf Stichpunkte oder wenige Zeilen.

    Bsp.: "Die Notwendigkeit des vollstationären Rahmens ist nicht nachvollziehbar. Der Versicherte hätte in eine geriatrische oder neurologische Rehabilitationseinrichtung verlegt werden können"

    Dieses Phänomen ist sicherlich in der Anfrageflut der KK begründet.

    Eigentlich darf man soetwas schon garnicht mehr "Gutachten" nennen und mit solchen kann ich erst recht nicht arbeiten (widersprechen).

    Wie geht ihr mit soetwas um? Ist der Adressat dann der Auftraggeber oder der MDK selbst?

    Vielen Dank für eure wertvollen Erfahrungen.

  • Guten Morgen

    Herrin des Verfahrens ist die KK. Diese entscheidet, ob der Widerspruch nochmal an den MDK geht oder nicht.

    Viele Grüße und einen entspannten Resttag vom
    Rheinkilometer 660

    • Offizieller Beitrag


    ich stelle zunehmend fest, dass MDK Gutachten einem "Dreizeiler ohne medizinische Fakten" gleich kommen.


    Guten Tag


    Es gibt keine gesetzlichen Regelung für die Erstellung von Gutachten


    vielleicht hilfreich

    Ein Gutachten erfordert eine umfassende und in sich nachvollziehbare Darstellung des Erkenntnis- und Wertungsprozesses des Begutachtenden. Hierzu gehören die Angaben der von ihm herangezogenen und ausgewerteten Erkenntnismittel sowie die hierdurch erlangten Informationen [...] KG Berlin, 5. Strafsenat, Beschluss vom 11.12.1998, AZ.: 5 Ws 672/98


    Die Verwertbarkeit des Gutachtens ist entscheidend von dessen Nachprüfbarkeit abhängig. Von daher besteht ein Entschädigungsanspruch des Sachverständigen nicht, wenn er pflichtwidrig grob fahrlässig die Unbrauchbarkeit des Gutachtens herbeiführt, indem er lediglich ein Ergebnis mitteilt, das nicht nachvollziehbar dargestellt ist.

    OLG Düsseldorf, 10. Zivilsenat, Beschluss vom 6. März 1997, AZ.: 10 W 33/97

    http://www.dhbv.de/dokumente/upload/1f6a3_qualitätsstandards_bei_sachverständigenleistungen_immer_wichtiger_4-2005.pdf


    Gruß

    E Rembs

  • Hallo Medicos,

    kurze Nachfrage. Sie haben im GA bestimmt bestätigt, welche UL vorgelegen haben. Demnach ist die von Herrn Rembs benannte erste Voraussetzung (herangezogene und ausgewertete Erkenntnismittel) erfüllt.

    Die Beurteilung an sich ist allerdings etwas knapp. Es wird das Ergebnis mitgeteilt (nicht notwendig) und eine Alternative (Reha) benannt. Ausformuliert ist allerdings nicht, warum nicht in durchgeführtem Rahmen notwendig.

    Allerdings kann man daraus schließen, dass die VWD nicht in vollem Rahmen indiziert ist, da eine frühzeitige Verlegung in eine Reha......... Interessant wäre zu wissen, ob an anderer Stelle des GA etwas dazu steht, ab wann keine vollstat. KHB mehr notwendig war. Vielleicht auch aus der Fragestellung heraus nachvollziehbar (z.B. Auftrag der KK, VWD ab dem xx.xx.xx notwendig?) .

    Teilweise ergibt sich die Plausibilität der GA aus der GEsamtbetrachtung von Auftrag, Stellungnahme etc.

    Viele Grüße und einen entspannten Resttag vom
    Rheinkilometer 660

    • Offizieller Beitrag


    Die Beurteilung an sich ist allerdings etwas knapp.

    ...

    Ausformuliert ist allerdings nicht, warum nicht in durchgeführtem Rahmen notwendig.

    Guten Tag


    Beispiel


    …“Die Klägerin hat M42.17 kodiert. Die Beklagte vertritt in Übereinstimmung mit dem MDK die Auffassung, dass als Hauptdiagnose M43.16 „kodiert werden sollte“. Bereits der Begriff „sollte“ statt „muss“ zeigt, dass insoweit keine abschließende Überzeugung besteht. Auch ausweislich der sozialmedizinischen Stellungnahme des MDK vom 7. 11. 2007 wurde der ICD Code erst auf Grund einer Rücksprache der Gutachterin, einer Fachärztin für Chirurgie, mit einem Neurochirurgen, festgelegt.Um welchen Neurochirurgen es sich gehandelt hat und auf Grund welcher Feststellungen die Gutachterin und der Neurochirurg zu ihrem Ergebnis gekommen sind, ist der sozialmedizinischen Stellungnahme allerdings nicht zu entnehmen.“

    LSG Berlin-Brandenburg Urt. v. 23. 8. 2013 – L 1 KR 295/12

    http://openjur.de/u/645973.html


    Gruß

    E Rembs

    • Offizieller Beitrag

    ..., dass MDK Gutachten einem "Dreizeiler ohne medizinische Fakten" gleich kommen.

    Epikrisen werden einfach kopiert.


    Guten Tag

    Ich habe gerade ein Gutachten erhalten, das nur aus 3 Zeilen Epikrise und 2 Wörtern („nicht belegt“)besteht.

    Die Nebendiagnose wird sowohl im E-brief als auch im OP-Bericht ausführlich geschildert und begründet.


    Kommentar:

    Was waren das doch für schöne Zeiten 1979, als es noch hieß: "Nur wo Nutella draufsteht, ist auch Nutella drin." Dieser Slogan war nicht nur ein vielfach kopierter Werbespruch. Nein, dahinter steckte ein längst belächelter moralischer Anspruch.

    Süddeutsche Zeitung vom 10.03.2008


    Nur wo Gutachten draufsteht….


    Gruß

    E Rembs

  • Hallo Forumsmitglieder,

    die Frage nach der Vollständigkeit von Gutachten ist interessant. Allerdings ist meines Erachtens zu berücksichtigen, dass zwei Rechtskreise bestehen:

    1. Der wesentliche Rechtskreis besteht zwischen Kostenträger und KH.

    Herr des Verfahrens ist der Kostenträger. Er erhebt, zumeist gestützt auf das Ergebnis der Begutachtung, Einwendungen, nicht der MDK. Der Kostenträger muss sich auch nicht dem Ergebnis des Gutachtens anschließen.

    In diesem Sinne ist die nicht selten geübte Mitteilung der Kostenträger, "der MDK hat entschieden, dass die ND XY nicht kodiert werden kann, also bitten wir um Rückzahlung," nicht rechtskonform. Zumindest muss sich der Kostenträger der Beurteilung des MDK anschließen.

    Nach meinem Rechtsverständnis muss der Kostenträger beim Erheben von Einwendungen diese allerdings begründen. Der Verweis auf ein schlüssiges und plausibles Gutachten ist da ausreichend.

    Die alleinige Feststellung im Gutachten, "ND XY kann nicht kodiert werden", ist keine ausreichende Begründung. Der Verweis des Kostenträgers auf ein solches Gutachten ist somit unzureichend.

    Insofern sollte es im Interesse der Kostenträger liegen, dass ein schlüssiges und nachvollziehbares Gutachten vorliegt und dem KH mitgeteilt wird.

    An die Juristen unter uns stellt sich die Frage nach der rechtlichen Folge unbegründeter Einwendungen durch den Kostenträger (übertrieben: "Wir zahlen nicht!"). Sind die Krankenkassen als Körperschaften öffentlichen Rechts damit rechtlich mit ihren Einwendungen eo ipso ausgeschlossen?

    2. Der zweite Rechtskreis besteht meines Erachtens zwischen KH und MDK.

    Dieser ist geregelt im SGB V § 275 (Prüfrahmen), § 276 (2) Datenübermittlung, (4) Prüfung vor Ort und § 277 (1) Mitteilunspflicht des MDK. Letzte Bestimmung regelt, dass der MDK dem KH lediglich das "Ergebnis der Begutachtung" mitteilen muss, der KK zudem den "Befund". Der MDK kann dem KH aber auch den "Befund" mitteilen.

    "Befund" im juristischen Sinn im Zusammenhang mit Gutachten wird beschrieben als "Feststellung, Schlussfolgerungen", im medizinischen Sinn als z.B. der körperliche Untersuchungbefund. Es wird nicht klar, was gemeint ist. Stellt man auf den juristischen Sinn ab, so wäre die Mitteilung des MDK, "abzurechnen ist die DRG XY", ausreichend. Gleichwohl dürfte dies als Substantiierung von Einwendungen im Rahmen des erstgenannten Rechtskreises nicht ausreichen.

    3. Interessant in diesem Zusammenhang ist noch § 282 (2) SGB V. Hier ist als Aufgabe des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (MDS) verankert: "... erlässt Richtlinien ... zur Sicherstellung einer einheitlichen Begutachtung ...."

    Es gibt zwar einige Richtlinien für sehr spezifische Fragestellungen. Welche Anforderungen jedoch grundsätzlich von einem Gutachten zu erfüllen sind, ist in keiner Richtlinie geregelt. Es wäre wünschenswert, wenn der MDS seiner gesetzlichen Verpflichtung in diesem grundsätzlichen Bereich nachkommt, auch im Hinblick auf die Reputation des MDK. Dies könnte "Dreizeiler-Gutachten", deren Ausfertigung gegenüber der Krankenkasse gewöhnlich auch nicht umfänglicher ist, verhindern.

    Viele Grüße

    Medman2

    Einmal editiert, zuletzt von medman2 (1. März 2014 um 13:53)

  • Gutachten geschwärzt

    Hallo Zusammen,

    bei mir liegt wieder etwas auf dem Schreibtisch dass ich nicht für mich behalten kann. Eine BG hat einen Fall bzgl. der Kodierung durch eine externe Firma prüfen lassen. Soweit so gut.

    In dem beigfügten "Gutachten" sind jedoch Firmenlogo, Gutachter (ich sehe nur Dr. med.) und Ansprechpartner geschwärzt!

    Äh...darf man soetwas dann überhaupt Gutachten nennen? Sind wir so schlimm, dass man sich nicht mehr traut den Gutachter beim Namen zu nennen?

    Bei der Kanppschaft läuft das übrigens nicht anders. Kein Datum. Kein Name des Gutachters. Keine Unterschrift. Nur Text....

    Bin gespannt auf gleichwertige Erfahrungen.

    Viele Grüße!

  • Hallo Medicos,

    interessant wäre da auch die Frage nach dem Datenschutz, da § 275 ff SGB V ja für BGen nicht gelten und die §§ 199 ff SGB VII zwar eine Übermittlungspflicht an die BGen vorsehen, aber m.E. eine Weitergabe an externe Gutachter ohne Einwilligung/Information des Patienten kritisch zu sehen ist. Evtl. mal bei der Aufsichtsbehörde oder dem Datenschutzbeauftragten nachfragen... :D

    Beste Grüße