Tages - bzw. Stundenfall - Nach dem Urteil B 3 KR 34/12 vom 19.09.2013: Jetzt alle Probleme gelöst?

  • Hallo Herr Wegmann,

    es ist ein leidige Dikussion, Klageerfahrung kann ich diesbezüglich nicht beisteuern.

    Die Vorstellung einer ausschließlich ambulanten Behandlung ist schon skuril. Da kommt jemand mit Thoraxschmerzen und dem V.a. Myocardinfarkt, der ambulant zu behandeln sein soll. Die vollständige Abklärung mit zweitem EKG und Troponin nimmt mindestens 6 Stunden in Anspruch. Welcher Vertragsarzt überwacht einen Patienten in seiner Praxis programmiert 6 Stunden.

    Zunächst, ich bitte um Korrektur aus der Gemeinde, ist ja die ambulante Behandlung schon einmal nicht Aufgabe des Krankenhauses. Was soll man also machen. Ein erstes EKG und Troponin, eine nicht notwendige stationäre Behandlung konstatieren, den Patienten auf die weitere, ambulante Schiene setzen, mit der Empfehlung, die Angehörigen möchten bei einsetzendem Kammerflimmern (entsprechende Erklärung der Symptomatik sinnvoll) den Notarzt informieren? Eine ambulante Behandlung durchführen, die nicht zu den Aufgaben des Krankenhauses gehört, und in dieser Form auch nicht von niedergelassenen Vertragsärzten durchgeführt wird?
    Eine Aufnahmeuntersuchung umfasst eine Anamnese, körperliche Untersuchung und im vorliegenden Fall ein EKG und u.a eine Troponinbestimmung. Die weitere EKG-Kontrolle und Troponinbestimmung nach sechs Stunden gehören nicht mehr zur Aufnahmeuntersuchung.

    Sind die besonderen Mittel des Krankenhauses in diesem Fall erforderlich. Ich meine schon, denn bei V.a. Myokardinfarkt besteht die Notwendigkeit, unmittlbar eingreifen zu können. Das geht ambulant nicht. Schon die ad hoc Bestimmung des zweiten Troponinwertes dürfte ambulant ohne die besonderen Mittel des Krankenhauses Schwierigkeiten bereiten. Außerdem ist die Feststellung im Nachhinein, nachdem sich der V.a. Infarkt nicht bestätigt hat, nicht adäquat zur Beurteilung der Situation, die aus der ex-ante-Sicht zu bewerten ist.

    Zudem haben wir auch noch das GAEP-Kriterium A11 (dringender V.a. myokardiale Ischämie). Nur ist der dringende V.a. Myocardinfarkt unzweifelhaft eine Indikation zur stationären Behandlung. Das sagt aber nicht, dass der -nicht dringende- V.a. Infarkt dies nicht ist. Vielleicht können die Befürworter des ambulanten Vorgehens darlegen, wie sie ihre Patienten in dieser Situationbehandeln würden (ambulante Schiene?), aber bitte auch unter Übernahme der Verantwortung.

    Viele Grüße

    Medman2

  • Guten Morgen,

    in einem solchen Fall zitiere ich immer ganz gerne Herrn Salomé im Sinne eines Prüfschemas:

    "Wie mit einem Tagesfall umgehen?

    Tatsächlich scheint das BSG jetzt auf einen Aufenthalt von 24 Stunden aufzusetzen (“mindestens einen Tag und eine Nacht“). Im Präzedenzfall aus 2004 (B 3 KR 04/03 R) reichte es noch, wenn die Nacht vor oder die Nacht nach dem Eingriff im Krankenhaus verbracht wurde. Sie tun also gut daran, einen Aufenthalt erst ab 24 Stunden Dauer als sicher stationär zu betrachten. Wenn Sie diese Dauer nicht erreichen:
    Die geplante Behandlungsdauer sollte > 24 Stunden gewesen sein (voraussichtliches Entlassdatum in der Aufnahmeanzeige nach §301?, ärztliche Dokumentation der Aufnahmeindikation?) und
    der Patient sollte im Versorgungssystem eingebunden gewesen sein: Aufnahme auf einer Station, die nicht als Tagesklinik, Notaufnahme o. ä. dient (optimal: Intensivstation!) und eine stationäre Dokumentation sollte angelegt und auch ausgefüllt sein (ärztliche und pflegerische Aufnahme, Verordnungsplan, Fieberkurve).
    Wenn der Aufenthalt ungeplant kürzer ausfiel als 24 Stunden und der Patient im Versorgungssystem eingebunden war, kann nicht zurückblickend aus einer stationären Behandlung wieder eine teilstationäre oder ambulante Behandlung gemacht werden. Solche Umstände sind zum Beispiel:

    • Selbstentlassung gegen ärztlichen Rat.
    • Eine veränderte medizinische Situation, die eine Entlassung rechtfertigt.
    • Der Patient verstirbt im Laufe des Aufenthaltes.
    • Der Patient verstirbt noch in der Notaufnahme nach einer intensivmedizinischen Behandlung (etwa: Beatmung, Reanimation, Traumabehandlung). Siehe dazu auch B 3 KR 17/06 vom 28.02.2007 zur Frage einer ambulanten intensivmedizinischen Behandlung und SG Leipzig S 8 KR 310/05 zur Reanimation nach einem Herzinfarkt.
    • Ein schwer kranker Patient wird, nach einer intensiven Behandlungsphase zur Stabilisierung, zur weiteren Behandlung verlegt. Dieser letzte Punkt könnte noch Streitpotential enthalten, weil hier die Behandlungsplanung typischerweise die Verlegung schon berücksichtigt haben wird. Das BSG hat aber einen solchen Fall noch nicht beurteilt. Wir dürfen noch hoffen."

    Quelle: https://www.medcontroller.de/2014/01/15/tag…nar-oder-nicht/

    Meine eigene Herleitung:

    1. Es liegt das G-AEP Kriterium A11 vor.

    2. In Ihrem konkreten Fall kann man von einem med. Behandlungsplan > 24 Stunden ausgehen.

    3. Geht aus Ihren Angaben leider nicht hervor ob eine stationäre Einbindung erfolgte oder der Pat. in der Notaufnahme verweilte.

    4. Lag im Verlauf eine veränderte med. Situation vor, die eine Entlassung aus med. Sicht vertretbar machte.

    5. Die Sicherheitsinteressen des Patienten haben absolute Priorität. Es besteht eine Fürsorgepflicht des Arztes für das Wohlergehen seines Patienten. Rechtlich verankert ist sie im Berufsrecht, in der Bundesärzteordnung (BÄO) und in der (Muster-)Berufsordnung (MBO) für Ärzte, die als oberstes Gebot ärztlichen Handelns die Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit des Patienten bestimmen (§ 1 Abs.1 BÄO und § 1 Abs. 2 MBO). Eine Unterlassung könnte sogar mit strafrechtlichen Konsequenzen einhergehen.

    Aus Sicht der Krankenkassen:

    1. ambulante Notfallbehandlung
    oder
    2. vorstationäre Behandlung
    oder
    3. Abklärungsuntersuchung gem. Landesvertrag.

    Viele Grüße!

    Einmal editiert, zuletzt von Medicos (22. September 2015 um 09:01)

  • Hallo miteinander,

    ich wollte hier auch noch mal eine neue Nuance in die Diskussion bringen. Eigentlich hatte ich mir eingebildet, dass das BSG sich dazu schon mal geäußert hätte, aber ich finde nichts. Muss wohl eine Fehlerinnerung sein.

    Sachverhalt: Aufnahme eines Stroke Patienten, Diagnose CT gesichert, nach Zeitfenster und Befund Verlegung in Zentrum zur lokalen, selektiven Lyse der intracerebralen Gefäße.
    Dauer von Aufnahme, CT, Orga Verlegung ca 1-3 h. Bleibt solange in der Notaufnahme, nicht auf Stroke.

    Wie abrechnen, da unstrittig vollstationär behandlungspflichtig, aber eben nicht im eigenen Haus.

    Grüße aus dem Norden

    Uwe Neiser


  • Hallo miteinander,

    da sich zu diesem Thema bis heute immer noch niemand geäußert hat, frische ich es nochmal auf.

    Es gibt die verschiedensten Ansichten dazu:
    1. Notaufnahme nicht verlassen- keine DRG abrechnen?
    2. unstrittig vollstationär- egal wo- DRG abrechnen ?
    3. Notaufnahme ist bettenführend im Bettenplan- daher vollstationär?
    4. schon bei Aufnahme ersichtlich, dass nicht Profil des eigenen Hauses - Verlegung in jedem Fall nötig- z.B. größere Verbrennung-daher ambulanter Notfall, obwohl zwingend vollstationär behandlungspflichtig
    5. erst durch die Diagnostik (CT, CT Angio) ergibt sich eine Konstellation, dass die medizinisch angezeigte Therapie im eigenen Haus nicht möglich (OP, selektive Lyse ...), daher Verlegung durch die Diagnostik erst indiziert

    mit Hoffnung auf mehr Resonanz als 2015.

    Uwe Neiser


  • Ich denke, in der 2015 von Ihnen geschilderten Situation bleibt Ihnen nur die Abrechung einer Notfallbehandlung. Es gibt dazu jedenfalls ein entsprechendes LSG -Urteil.

    Mit freundlichen Grüßen

    Breitmeier

  • Ich denke, in der 2015 von Ihnen geschilderten Situation bleibt Ihnen nur die Abrechung einer Notfallbehandlung. Es gibt dazu jedenfalls ein entsprechendes LSG -Urteil.

    Guten Morgen,
    haben Sie zu dem Urteil eine Bezugsquelle?
    Gruß,

    B. Schrader

  • LSG Baden-Württemberg, 31.08.2016 - L 5 KR 2479/15
    https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=187286
    Das Urteil geht insbesondere auf die Auslegung der im Landesvertrag BW beschriebenen "Aufnahmeuntersuchung" ein.
    Medizinisch: Stroke-Patient mit Hirnblutung und Verlegung in eine Neurochirurgie nach mehreren Stunden -> nach dem Urteil fällt alles unter "Aufnahmeuntersuchung" und somit sei vorstationär abzurechnen.
    ;( Gruß aus dem Süden.

    Mit freundlichen Grüßen

    k-ontroller

  • Vielen Dank für den Link.
    Gruß,

    B. Schrader

  • Das Urteil, welches ich meinte, ist älter, geht aber in dieselbe Richtung:
    LSG Sachsen- Anhalt: L 4 KR 71/07 · Urteil vom 21.12.2010Dok1.docx

    Anmerkung: Der Titel entstammt natürlich nur meiner eigenen Verschlagwortung und ist kein offizieller Leitsatz des Gerichts o.ä. Falls ein Admin den Titel noch ändern kann, möge man das gerne tun.

    Mit freundlichen Grüßen

    Breitmeier

    Einmal editiert, zuletzt von Breitmeier (21. Februar 2017 um 15:12)

  • Vielen Dank für die Auskünfte, das Urteil war interessant, ist allerdings aktuell noch als nicht rechtskräftig gekennzeichnet! Ist das beim BSG anhängig? Doch wohl eher nicht?

    Ich halte es für ein Fehlurteil, bin aber kein Jurist. Im Landesvertrag MV gibt es ähnliche Formulierungen, allerdings widersprechen sich da §3 Abs 4 und §5 Abs 1 nach meiner Auffassung. Auch hat sich das BSG in seinen Urteilen für mich anders festgelegt, als es das o.g. LSG Urteil auslegt.
    Ein Aufenthalt auf ITS bei "Warten" auf die Verlegung mit Hirnblutung ist definitiv allein durch die Infusionen und Medikation, eventuell Beatmung? auch eine Therapie, wenn auch nicht kausal, aber das wird ja nicht gefordert.

    Nochmals vielen Dank, es hat mir zumindest einen weiteren Denkansatz gegeben und den Landesvertrag ins Spiel gebracht.

    Uwe Neiser


  • Hallo liebes Forum,

    wir haben einen Pat. nach pathologischem Herzkatheter zur Kontrolle eingewiesen bekommen , nochmals einen Herzkatheter durchgeführt, auf Intensiv aufgenommen und von dort unter 24 Std. in das Herzentrum verlegt. Die Krk. will nun eine Abklärungsuntersuchung , da es eine Auftragsleistung war !!

    Das LSG Baden-Württemberg, 31.08.2016 - L 5 KR 2479/15 trifft hier nicht zu... Oder ? Habe schon mit dem Landesvertrag argumentiert und mit Intensivbehandlung...:(

    Vielen Dank für eine Antwort