Tages - bzw. Stundenfall - Nach dem Urteil B 3 KR 34/12 vom 19.09.2013: Jetzt alle Probleme gelöst?

  • Liebe Kollegen,


    mit Spannung haben wir das Urteil des BSG (B3 KR 34/12) zur
    Stundenfallproblematik erwartet. Geklärt ist nunmehr, das auch
    stationäre Aufenthalte unter 24 Stunden eine Fallpauschale auslösen
    können.


    So weit - so gut. - Dennoch bleiben im Alltag weiterhin ungelöste
    Probleme. Die Diskussion wurde hier im Forum bereits mehrfach geführt,
    ich würde sie gerne unter Berücksichtigung des obigen Urteils wieder
    aufnehmen.


    Offen bleibt für mich besonders die Frage der sog. "Aufwärtsverlegung":


    Im Referentenentwurf der KFPV 2004 gibt es diesen Begriff explizit, dem
    verlegenden Krankenhaus wird eine Fallpauschale zugerechnet. Spätere FPV
    - Versionen benennen den begriff nicht mehr.


    Wie gehen Sie mit folgenden Konstellation um:


    - Stationäre Aufnahme mit Thoraxschmerz; pathologisches EKG, postiver
    Trop., Verlegung von der Aufnahmeeinheit in ein Haus höherer
    Versorgungsstufe nach ca. 1 1/2; vorher zudem medikamentöse Therapie mit
    ASS und Clopidrogrel. Kein expliziter Behandlungsplan > 24 Stunden
    für das eigene Haus dokumentiert


    Statonär mit Auwärtsverlegung, Abklärungsuntersuchung, ambulant


    ==> Hier hat meines Erachtens mehr als eine Abklärung stattgefunden,
    sondern medikamentöse Therapie, Überwachung etc. - Nur war der Patient
    eben nicht auf der Intensivstation. Aber auf der Aufnahmestation mit
    ständiger Anwesendheit von pflegerischem und ärztlichen Personal.


    - Stationäre Aufnahme mit hochgradiger Luftnot; deutliche Spastik wird
    beschrieben, Frage einer Pneumonie; Gabe von Cortison i.v.; Erstgabe
    eines Antibiotikums; nach wenigen Stunden deutliche Besserung;
    Entlassung des Patienten


    ==> Hier lag bei Aufnahme ein therapiepflichtiges Krankheitsbild vor,
    das eine stationäre Aufnahme indizierte. Bei - unerwarteter -
    deutlicher Befundbesserung war eine Entlassung möglich und vom Patienten
    gewollt. Esllag keine Entlassung gegen ärztlichen Rat vor. Meines
    Erachtens im Sinne der BSG - Rechtsprechung eine Konstellation der
    abgebrochenen stationären Behandlung. - Kennt jemand zu dieser Regelung
    weitere Urteile?


    - Stationäre Aufnahme mit Dysarthrie; im CCT Ausschluss einer Blutung,
    Weiterverlegung in Neurologie = höhere Versorgungsstufe; kein expliziter
    Behandlungsplan.


    - Stationäre Aufnahme im Vollrausch; Überwachung auf der Aufnahmestation
    (Vitalzeichenkontrolle; Pulsoxymetrie, etc.). Pat. klart binn weniger
    Stunden auf und verlässt das Krankenhaus. Ein Behandlungsplan > 24
    Stunden liegt nicht vor.


    ==> Hier ist für mich das Ausmaß der Einbindung ausschlaggebend; aber wie steht es mit dem Behandlungsplan?


    In vorhergehenden Diskussionen haben wir auch die Regelungen der
    Landesverträge nach § 112 SGB V erörtert. In NRW gibt es den Passus der
    Aklärungsuntersuchung, der eben die Klärung ermöglichen soll, ob
    stationäre Behandlung eben in einem anderem Haus erforderlich wäre. Aber
    wie sind die Fälle zu bewerten, in den im erstaufnehmenden Haus
    Krankenhausbehandlungsbedürtigkeit bereits bestand, diese aber eben nur
    bis zur Weiterverlegung erfolgte, also Minuten bis Stunden? -
    Schließlich sitzt der Patient nicht nur bis zur Verlegung im
    Wartezimmer, sondern wir aktiv behandelt / überwacht.


    Freue mich über jeden Hinweis zu dieser Thematik


    Viele Grüße


    Stephan Wegmann



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  • Hallo Münsterländer,

    175 Klicks - keine Antwort. Das ist auch eine Antwort. Wir machen das bei uns folgendermaßen:

    Wir sehen sofort: der Patient muss vollstationär versorgt werden. Wir sind uns aber unsicher darüber, ob unser Haus dafür die richtige Einrichtung ist. Wir ergänzen die Diagnostik, geben auch bei Bedarf Medikamente oder kleben ein Pflaster - und fassen einen (Behandlungs-) Plan: Verlegung in ein anderes Haus. D.h., wir haben im Rahmen unserer Notaufnahme-Funktion eine Abklärung vorgenommen, aber nicht den Plan gehabt, den Patienten in unserem Haus zu versorgen. Damit können wir auch keine DRG abrechnen. Dieser Patient hat die Notaufnahme nicht ins Haus verlassen.
    Wenn wir uns nach einer entsprechenden Aufnahmeuntersuchung sicher sind, daß der Patient vollstationär behandlungsbedürftig und in unserem Haus richtig ist, dann fassen wir den Plan, ihn bei uns vollstationär zu versorgen und organisieren dies z. B. über Zuweisung auf eine Station. Dieser Patient hat die Notaufnahme verlassen. Wird dann im Laufe der Behandlung / Diagnostik festgestellt, daß der Patient doch besser in einem anderen Haus versorgt werden sollte, dann rechnen wir trotzdem für unser Haus eine DRG ab, auch wenn der Patient nur 8 oder 10 Stunden blieb.

    Gruß

    W.

  • Hallo Willis, hallo Münsterländer,

    wir machen das anders: Die Patienten (hier auch NRW) haben unbestreitbare stationäre Behandlungsbedürftigkeit, deshalb werden sie auch stationär abgerechnet. Die Abklärungsuntersuchung ist von der Logik her nur für eingewiesene Fälle ohne stationären Bedarf, da diese sonst nicht vergütet würden.

    Ob der Patient ausschließlich Minuten oder ein paar Stunden im Hause war, spielt dabei keine Rolle.


    MFG


    Bern

  • Hallo MF Bern,


    Insgesamt ist das Problem ja eher selten. Aber Ihre Variante finde ich interessant: Sie stellen fest, daß der Patient nicht in Ihr Krankenhaus gehört und Sie planen auch nicht, den Patienten in Ihrem Haus zu behandeln, rechnen aber trotzdem für Ihr Haus eine DRG ab, weil der Patient ja in einem anderen Haus vollstationär behandlungsbedürftig ist? Und das läuft bei Ihnen von Kostenträgern akzeptiert durch? Respekt!
    :thumbup:

    Gruß

    W.

  • Völlig zu Recht: Der Patient ist von dem Moment an, wo er z.B. mit akut vital bedrohlichem Zustand in die Klinik kommt, stationär behandlungsbedürftig und er erhält diese auch in der Zeit bis zur Verlegung, die schon mal länger dauern kann (schon mal versucht, in am Wochenende einen Patienten mit akutem Abdomen oder akuten Koronarsyndrom in ländlicher Region irgendwo hinzuverlegen?)- Notfalldiagnostik, entsprechende Überwachung und Therapie. Dass hier die spezifischen Mittel des Krankenhauses zur Anwendung kommen, wird wohl niemand bezweifeln. Im übrigen ergibt sich die Notwendigkeit zur Weiterverlegung ja häufig erst im Rahmen der Diagnostik - also dann, wenn der Patient bereits in die Krankenhausabläufe eingegliedert ist.
    Was wäre denn Ihrer Meinung nach das korrekte Vorgehen? "Sorry, kardiogener Schock können wir hier nicht - setzen Sie sich bitte draußen hin bis der ITW da ist"???

  • Hallo Willis,

    genau, der Patient gehört unstreitig in ein KH. Das geht sowohl beim MDK als auch in Fallbesprechungen ohne Probleme durch.

    Zur Beruhigung der Kassenvertreter: wenn der Patient mehrere Stunden da war, dann lohnt es sich für uns wegen der Verlegungsabschläge auch mal nicht mehr. So ist das halt mit Pauschalen...

    Gruß

    B

  • Hallo MDK-Opfer,

    ob Recht oder Unrecht, daß ist eben die Münsterländische Unklarheit. Das BSG hat den Plan, diesen Patienten vollstationär zu behandeln, als wesentliches Kriterium definiert. Jetzt wird nachgefragt, ob es für die Abrechnung einer DRG schon ausreicht, wenn das primär kontaktierte Haus eine solche vollstationäre Behandlungsbedürftigkeit zwar feststellt, diese aber nicht selbst umsetzt und auch gar nicht plant, diese selbst umzusetzen. Ist also die Abrechnung einer DRG für das notfallversorgende KH bereits dann statthaft, wenn geplant wird, den Patienten nicht in das eigene, sondern in ein anderes KH zu integrieren?
    Ich war bisher nach der Lektüre der einschlägigen Urteile davon ausgegangen, daß erst der Plan, im eigenen Haus zu behandeln, die Abrechung einer DRG begründen könnte. ?(


    Gruß

    W.

  • Guten Morgen,


    Zitat

    zwar feststellt, diese aber nicht selbst umsetzt und auch gar nicht plant, diese selbst umzusetzen.

    Dieser Ansatz springt zu kurz. In zahlreichen Fällen wird das primär aufnehmende Haus bereits Diagnostik und Therapie einleiten, die unstreitig zur Gesamt-Behandlung gehören. Ich meine, dass hier mit Augenmaß jeder Einzelfall entschieden werden muss. Gerade, wenn der Patient eine lebensbedrohliche Erkrankung aufweist (z.B. beim akuten Koronarsyndrom) muss auch das erstbehandelnde Haus einen hohen AUfwand betreiben (Monitoring, i.v.Therapie etc.), der unstreitig die Eingliederung in den stationären Betrieb mit sich bringt.

    Stellt sich statt dessen nach einfacher Untersuchung heraus, dass die Erkrankung nur in einem anderen KH behandelt werden kann (z.B. Gyn- oder HNO) und keine spezifischen Maßnahmen getroffen werden können, so ist hier eher von einem ambulanten Kontakt auszugehen.

    Wie gesagt: Es muss sicher in jedem Einzelfall entschieden werden.

    Gruß

    merguet

  • Hallo Herr Merguet,

    danke für die Klarstellung. Es ist natürlich richtig, dass sich meine Argumentation nur auf einen akuten stationären Bedarf bezieht. Wenn die Behandlung auch ein paar Tage später durchgeführt werden kann, handelt es sich wohl eher um eine Abklärungsuntersuchung.

    Gruß

    B.

  • Liebes Forum,

    lieber Herr Merguet,


    der Begriff "Therapieeinleitung" oder "Gesamtbehandlung" wurde vom BSG bisher nicht gebraucht. Auch die Höhe des Aufwandes, den das erstversorgende Haus betreibt, spielte in der Argumentation des BSG bisher keine Rolle. Das BSG schrieb: Der Aufenthalt des Versicherten im Krankenhaus zur Durchführung einer Operation bedeutet deshalb ebenso wenig wie die Unterzeichnung eines Krankenhausaufnahmevertrages, die Durchführung einer Vollnarkose oder eine mehrstündige, intensive postoperative Überwachung im Krankenhaus bereits eine vollstationäre Behandlung (BSGE 92, 223 RdNr 17 ff = SozR 4-2500 § 39 Nr 1 RdNr 16 ff). Das spezifische Versorgungssystem des Krankenhauses wird daher (erst dann) in Anspruch genommen, wenn sich die Behandlung zeitlich über mindestens einen Tag und eine Nacht erstreckt.
    Herr Wegmann fand das Maß der Einbindung ausschlaggebend. Das BSG hat sich dieser Einbindung durch den "Mehr als 24h-Plan" genähert, weil ja so etwas wie Vollnarkose oder mehrstündige Überwachung nicht ausreichend war. Die weiteren Antworten hier lassen eine latente Unzufriedenheit mit dieser Regelung erkennen. Aber dem BSG ging es um formale Regeln, nicht um Kohle.
    Das von Herrn Merguet empfohlene Augenmaß bei der Erstellung der Abrechnung hat bisher schon dafür gesorgt, daß solche Fälle mit Aufwärtsverlegung kaum in der Rechtsprechung auftauchen.
    Deutlich problematischer empfinde ich soetwas wie die von Herrn Wegmann angesprochene Ausnüchterungs-Überwachung. Die Davidswache auf St. Pauli macht das für die Kassen zum Null-Tarif, eine Überwachung über mehr als 24h wird nicht geplant....

    Gruß

    W.

  • Guten Tag,

    vorab herzlichen Dank für die zahlreichen Antworten.

    Es bleibt festzustellen, das die Sichtweise unterschiedlich bleibt.

    In unserer Region werden regelmäßig Fälle mit einer Verweildauer unter 24 Stunden von einigen Kostenträgern strittig gestellt.

    In der Häufigkeit empfinde ich insbesondere solche Fälle als kritisch, bei denen bereits der klinische Befund (Bild eines Apoplexes) oder erste, schnelle Untersuchungen (EKG mit Patholigika im Sinne eines Myokardinfarktes) eine Diagnose ermitteln lassen, die nicht im eigenen Haus typischerweise behandelt werden kann. Natürlich gibt es in vielen Fälle noch eine erste Therapie (Schmerztherapie, Volumengabe, Thrombozytenaggregationshemmung), aber die Abklärungsuntersuchung des aufnehmenden Arztes kommt zu dem Ergebnis der Notwendigkeit unmittelbarer Weiterverlegung.

    Sollte der Patient auf der Intensivstation zunächst überwacht werden, sehe ich eine stationäre Einbindung im Sinne der BSG - Rechtsprechung als vorliegend. - Verlässt der Patient die Notaufnahme nicht, stellt sich die Frage stationärer Einbindung für mich als schwieriger dar.

    Wie gehen Sie mit Fällen um, die nach einer notärztlich behobenen Hypoglykämie stationär aufgenommen werden und nach wenigen Stunden und engmaschiger BZ - Kontrolle wieder entlassen werden?

    Sonnige Grüße aus dem Münsterland

    Stephan Wegmann