Polytraumaversorgung - ambulante Abrechnung

  • Liebe Kollegen,

    folgende Fallkonstellation würde ich gerne vorstellen:

    Nach einem schweren Sturz wird ein Patient zunächst in das örtliche Krankenhaus der Grund - und Regelversorgung eingeliefert. Dort erfolgt eine komplexe Diagnostik (körperliche Untersuchjung, Nativ - Röntgen und CT).

    Die erfolgte Diagnostik ergibt:

    Polytrauma mit mehrfragmentärer dislozierter Oberschenkelfraktur rechts mit Beteiligung des Kniegelenkes
    Beckenfraktur rechts mit Acetabulumbeteiligung und Kreuzbeinfraktur rechts
    MFK-5-Fraktur mit oberflächlichen Hautabschürfungen

    Nach Analgesie und Kreislaufstabilisierung erfolgt die Aufwärtverlegung in ein Haus der Maximalversorgung. Während dieser Zeit wird der Patient primär im Schockraum behandelt; ein Behandlungsplan > 24h wird nicht formuliert.

    Gibt es hier u.U. Urteile, die eine komplexe Versorgung als stationär durchsetzbar rechtfertigen? - Oder bleibt hier "nur" die ambulante Abrechnung (bzw. Abklärungsuntersuchung in NRW) plus Großgerätezuschlag?

    Viele Grüße

    Stephan Wegmann

  • Guten Morgen,

    Ein Patient mit einem Polytrauma wie von Ihnen geschildert dürfte unstreitig immer stationär behandlungsbedürftig sein. Auch wenn Sie die nach Erstdiagnostik die Verlegung beschließen, sind zur Versorgung die Mittel der stationären Behandlung erforderlich.
    Ambulant kommt von ambulare = umherwandeln. Das dürfte mit

    Zitat

    Polytrauma mit mehrfragmentärer dislozierter Oberschenkelfraktur

    unmöglich sein.

    Gruß

    merguet

  • Dem ist höchstens noch hinzuzufügen, dass beim Polytrauma per Definitionem *immer* akute Lebensgefahr besteht, sonst wäre es kein Polytrauma ("Kombination mehrerer Verletzungen, die einzeln oder in ihrer Gesamtheit lebensbedrohich sind"). In Ihrem Fall bestand definitiv Lebensgefahr, da bei den genannten Frakturen Blutverluste im Bereich etlicher Liter möglich sind. Ein Patient in akuter Lebensgefahr ist hat wohl eher kein Potential für ambulante Behandlung. Selbstverständlich ist in dieser Konstellation von der ersten Minute an klar, dass der Patient wesentlich länger als 24h in einer Klinik verbleiben muss, auch wenn sicherlich niemand in der Phase der Primärversorgung lustige Zettel ausfüllt. Und die besonderen Möglichkeiten des Krankenhauses braucht es definitiv.

    Sonnige Grüße

    MDK-Opfer

  • Hallo

    Nach Analgesie und Kreislaufstabilisierung ....

    Das ist für mich die wesentliche Aussage, denn hier wurde eine über die reine Aufnahmeuntersuchung hinausgehende Leistung mit den Mitteln des Krankenhauses erbracht. Folgende Schritte zur Entscheidung sollten dokumentiert sein:

    • Aufgrund des primären Zustands bei Einlieferung unmittelbare stationäre Behandlungsbedürftigkeit eindeutig und schon bei minimaler Erstuntersuchung (Aspekt, Anamnese, Palpation) eindeutig.
    • Weiterführende Diagnostik und Therapie unter stationären Bedingungen (Anwesenheit Arzt, ggf. Anästhesie)
    • Nach Auswertung der Befunde erfolgt die Feststellung, dass Mittel des eigenen Krankenhaus nicht ausreichend sind und eine Weiterverlegung erforderlich ist

    Gruß

  • Guten Morgen,

    es gibt hier anderslautende Rechtsprechung.
    Wenn aus der ex ante Sicht eine Erstbehandlung erfolgt und auf Grund
    einer fehlenden Versorgungsfähigkeit keine Integration
    in das Krankenhaus geplant ist, dann findet auch keine
    stationäre Behandlung statt (so div. Urteile).

    Anderslautend gibt es Urteile, die eine stationäre Behandlung
    dann als erfüllt ansehen, wenn es der besonderen Mittel des KH bedurfte, die Behandlung
    durchzuführen. Dann war der Patient aber in das Krankenhaus integriert (OP - Intensivstation).

    Analgesie und Kreislaufstabilisierung sind m.E. keine Kriterien einer stat. Behandlung,
    die mache ich auch als Notarzt.

    Ich denke hier ist auch weniger ärztliches als formal juristisches Denken gefordert.
    Ggf. ist hier auch eine Klage im Interesse der Klarstellung sinnvoll.

    Es gibt übrigens bereits Entscheidungen in erster Instanz, wonach z.B. der Schockraum
    nicht Teil des Krankenhauses ist. Leider spielte die 2 Instanz aus formalen
    Gründen nicht mit und hat keine verwertbare weitergehende Entscheidung getroffen.
    Bleibt abzuwarten, wie hier die Entwicklung geht.

    Gruß

    P. Host

  • wonach z.B. der Schockraum
    nicht Teil des Krankenhauses ist.

    Guten Morgen,

    nun wird es aber skurril. Sollte es tatsächlich Kassen geben, die bei einem Polytrauma die Zahlung verweigern, so würde ich versuchen, mit denen in Kontakt zu treten. Die Argumentation mit dem Notarzt lasse ich auch nicht gelten, da der Notarzt unter Umständen Maximalmedizin mit einfachen Mitteln betreibt, um die Zeit bis zum Krankenhaus zu überbrücken.

    Ein Polytrauma ambulant führen zu wollen ist einfach Unsinn, unabhängig von jeder rechtsmechanischen Konstruktion.

    Gruß

    merguet

  • Hallo Mitstreiter,

    zur Klarstellung:

    Schockraum und Polytrauma sind hier nicht zwingend gleichzustellen.

    In vielen Kliniken laufen mittlerweile viele Patienten,
    die mit dem Rettungsdienst liegend eingeliefert werden
    durch den Schockraum.
    Wenn am Abschluss der Untersuchung dann der Patient als "polygeprellt"
    direkt nach Hause ging, wurde dennoch als "stationär" berechnet.
    Dies war zu klären.

    Wenn allerdings rechtlich der Schockraum dem stationären Bereiuch zugeordnet würde,
    wäre dies auch im Falle einer Verlegung, wie sie hier zur Diskussion steht,
    eindeutiges Argument für die Abrechnung nach DRG.

    Gruß

    P.Host

  • Hallo!

    es gibt hier anderslautende Rechtsprechung.
    Wenn aus der ex ante Sicht eine Erstbehandlung erfolgt und auf Grund
    einer fehlenden Versorgungsfähigkeit keine Integration
    in das Krankenhaus geplant ist, dann findet auch keine
    stationäre Behandlung statt (so div. Urteile).

    Quelle?

    Für mcih kommt es entscheidend auf die Reihenfolge und die Maßnahmen an: Steht von vornherein (nach Erstuntersuchung) die Verlegung fest und erfolgt auch keine über die vom Rettungsdienst eingeleitete Therapie hinausgehende therapeutische Maßnahme mit den Mitteln des Krankenhauses, dann sehe ich hier auch eine ambulante Leistung. Im Beispielfall wurde jedoch eine weiterführende Therapie beschrieben und damit sind für mich die Kriterien der stationären Behandlung erfüllt. Wie immer kommt es dabei auf die Dokumentation an (siehe meinen vorherigen Beitrag).

    Gruß

  • Guten Morgen,

    Ein Patient mit einem Polytrauma wie von Ihnen geschildert dürfte unstreitig immer stationär behandlungsbedürftig sein. Auch wenn Sie die nach Erstdiagnostik die Verlegung beschließen, sind zur Versorgung die Mittel der stationären Behandlung erforderlich.
    Ambulant kommt von ambulare = umherwandeln. Das dürfte mit
    Zitat Polytrauma mit mehrfragmentärer dislozierter Oberschenkelfraktur

    unmöglich sein.

    Gruß

    merguet

    Guten Tag,

    da ist nix polygeprellt. Da ist Verletzung. Und um diesen Fall ging es doch?

    Und was soll den ein Schockraum rechtlich sein? Ein Art Ambulanz? In der dann Fachpersonal aller Disziplinen und Berufsgruppen zru Verfügung steht um ambulante Diagnostik zu machen? Nein, ich kann Ihnen nicht folgen.

    Gruß

    merguet

  • Nach einem schweren Sturz wird ein Patient zunächst in das örtliche Krankenhaus der Grund - und Regelversorgung eingeliefert. Dort erfolgt eine komplexe Diagnostik (körperliche Untersuchjung, Nativ - Röntgen und CT).

    Hallo,
    wenn der (hoffentlich ortskundige) Rettungsdienst den Patienten in ein KH der Grund- und Regelversorgung einliefert, dann gehe ich doch davon aus, dass hier eine Versorgung grds. auch möglich ist. Nur wenn von vornherein feststeht, dass eine Weiterverlegung auf jeden Fall zu erfolgen hat und die Anfahrt des Hauses nur zur Herstellung bzw. Prüfung der Transportfähigkeit dient, dann kommt m.E. keine stationäre Einbindung zustande.

    Hier wurde aber auch umfangreiche Diagnostik betrieben, was schon gegen eine reine Transportfähigkeitsprüfung spricht.

    Gruß
    zakspeed

  • Als Unfallchirurg und Notarzt wissen Sie doch, wie eine Polytraumaverletzung abläuft: Anästhesist und -Pflegekraft stehen mit Narkosegerät und Notfallmedikamenten bereit, Chirurg und Pflegekraft ebenso, Labor ist verständigt, CT wird freigemacht (wenn es nicht ohnehin integriert ist), OP steht bereit, MTRA ist im Schockraum. Während oben der Anästhesist sticht und schüttet, schallt unten der Chirurg den Bauch, evtl. röntgt die MTRA gleichzeitig noch Becken und Bein - wenn das nicht die besonderen Mittel des Krankenhauses sind, dann gibt es keine Krankenhäuser!