Akutes Nierenversagen vs. Exsikkose

  • Liebes Forum,

    kurz eine Frage zur Umsetzung des folgenden Probelemes:

    Älterer Patient ohne vorbeschriebene Niereninsuffizienz kommt mit massiver Exsikkose zur stat. Aufnahme. Kreatinin auf rund 2 angestiegen; fällt unter Infusionstherapie auf 1,11 innerhalb von 48 Stunden.

    Vorwerte sind nicht bekannt.

    Hauptdiagnose?

    Exsikkose? - Akutes Nierenversagen, da Abfall um mehr als 0,3 innerhalb von 48 Stunden.

    Wenn Exsikkose als Hauptdiagnose kodiert werden sollte, ist ein ANV als Nebendiagnose statthaft? - Würde hier den DRG - Split herbeiführen.

    Welche Ressourcen würden dann überhaupt für das ANV gelten? - Außer Infusionstherapie gab es keine weitere Behandlung (wie Azidoseausgleich o.Ä.)

    Würde mich über eine Rückmeldung freuen. Vielen Dank :)

    Die Biene

  • Hallo Biene,

    m.E. ist hier das ANV als Hauptdiagnose zu kodieren (prärenales akutes Nierenversagen - AKIN I - N17.91), da dies die gravierendere Erkrankung ist. Es ist zwar Folge der Exsiccose, es handelt sich jedoch um ein eigenständiges Krankheitsbild. Aufwand ist z.B. die Rehydrierung, die auch die Exsiccose therapiert, zudem z.B. auch die Bilanzierung.

    Viele Grüße

    Medman2

    Einmal editiert, zuletzt von medman2 (5. Februar 2016 um 19:36)

  • Hallo Attila,
    dass eine adäquate Flüssigkeitszufuhr nicht vorgelegen hat, ist ja gerade das, was ein prärenales Nierenversagen durch Exsiccose auszeichnet. Dieser Einwand stellt alles auf den Kopf.

    Ich weiß, dass Ihr Beitrag ironisch gemeint war.

    Der Eintrag "adäquate Flüssigkeitszufuhr vorausgesetzt" zu N17.9 ist m.E. durchaus sinnvoll. Eines der klassischen Kriterien des ANV ist eben die Oligurie oder Anurie. Und wenn man darauf allein abstellt, ist der Zusatz erforderlich.

    Wenn ich nichts trinke und einen hohen Flüssigkeitsverlust, z.B. durch Schwitzen infolge Gartenarbeit bei hohen Temperaturen habe, reduziert sich physiologisch die Urinmenge bis zur Oligurie, ohne dass ein ANV vorliegt. Bei adäquater Flüssigkeitszufuhr (das kühle Blonde) kommt die Urinproduktion wieder in Gang (0,5 ml/kg/h sind bei 70 kg 210 ml über 6 Std.).

    Die Anmerkung bezieht sich nämlich nur auf die Urinmenge.

    Abzugrenzen davon sind die harnpflichtigen Substanzen, z.B. Kreatinin. Die steigen in o.g. Situation auch leicht an, aber nicht mehr als 0,3 mg/dl.

    Es gibt auch ein primär polyurisches Nierenversagens. Damit wird ein Anstieg der harnpflichtigen Substanzen im Rahmen eines akutes Nierenversagens bei primärer Polyurie bezeichnet. Ich hoffe, das macht den Gedankengang deutlich.

    Viele Grüße

    Medman2

    2 Mal editiert, zuletzt von medman2 (8. Juli 2015 um 00:17)

  • Hallo,

    wenn ich es richtig verstehe, beziehen sie den Passus "adäquate Flüssigkeitszufuhr vorausgesetzt" nur auf die Urinmenge. Dies ist aus meiner Sicht jedoch nicht korrekt. Der ICD 10 bezieht auch das Serum Kreatinin mit in die adäquate Flüssigkeitszufuhr ein.

    Ich finde diesen Passus eine Katastrophe. Die Kassen reiben sich die Hände. Es gibt eine Definition des akuten Nierenversagens, der mit diesem Passus wieder ausgehebelt wird. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass diese Problematik nicht nur uns betreffen wird.

    Natürlich ist auch für uns ein prärenales Nierenversagen durch Exsiccose ein akutes Nierenversagen. Aber sie können ja mal versuchen diesen Passus dem Richter zu erklären. Diesen Spaß werden wir nämlich bald in aller Ausführlichkeit haben. ;)


    Gruß Attila

  • Hallo,
    deswegen werden Sie in der im ICD angegebenen Literaturstelle (Kidney Disease: Improving Global Outcomes, abgedruckt in Kidney International Supplements (2012) 2, 8-12) nichts zum Thema adäquate Flüssigkeitszufuhr finden.

    Herzliche Grüsse aus Mittelfranken
    E. Horndasch

  • Hallo Attila,

    im ICD heißt es zu N17.91:
    "Anstieg des Serum-Kreatinins um mindestens 50 % bis unter 100 % gegenüber dem Ausgangswert innerhalb von 7 Tagen
    oder
    um mindestens 0,3 mg/dl innerhalb von 48 Stunden
    oder
    Abfall der Diurese auf unter 0,5 ml/kg/h über 6 bis unter 12 Stunden (adäquate Flüssigkeitszufuhr vorausgesetzt)"

    Ob sich "(adäquate Flüssigkeitszufuhr vorausgesetzt)" lediglich auf das letzte Teilglied ("Abfall der Diurese") oder auch auf die anderen Teilglieder (Kreaanstieg um 50% - 100% oder um mindestens 0,3 mg/dl ...) bezieht, ist sprachlich m.E. keineswegs eindeutig.

    Medizinisch stellt es sich wie oben genannt dar. Die Oligo-/Anurie als klassisches Zeichen des Nierenversagens ist alleine nicht aussagekräftig, sofern man ein Flüssigkeitsdefizit hat, da dann die Verminderung der Urinproduktion auch physiologisch sein kann (s. Beispiel). Etwas anderes gilt, wenn man ausschließlich auf das Kreatinin abstellt. Da liegen, auch bei Flüssigkeitsdefizit, o.g. Grenzen außerhalb des Physiologischen.

    Bezieht man die Voraussetzung der adäquaten Hydratation auch auf die genannten Kreatininwerte, wird die Definition absurd. Blindheit liegt vor, wenn man nicht sehen kann, vorausgesetzt, man kann sehen.

    Viele Grüße

    Medman2

    3 Mal editiert, zuletzt von medman2 (8. Juli 2015 um 20:25)

  • Hallo zusammen,
    wir sollten das Thema N17.- nochmals "aufleben lassen".
    Einige Kassen scheinen nach dem BSG-Urteil B1KR13/14R vom 23.06.2015 (wonach dem KH eine Rechnungsänderung gewährt, jedoch die Erstattung der AWP verwehrt wird), in dem eine chronische Niereninsuffizienz in ein akutes Nierenversagen korrigiert wird, vermehrt MDK-Kodierprüfungen zu veranlassen.
    Das BSG verweist auf das LSG zur Klärung der Voraussetzungen zur Kodierung der N17.- im Zusammenhang mit dem Vorliegen einer Exsikkose. Hat jemand Informationen dazu, ob hier mit einem Urteil zu rechnen ist?
    Eine Abwertung der Stadien 1 und 2, wie es der MDK in seinem Änderungsvorschlag an DIMDI fordert, ist natürlich auch eine Lösung des Problems!!!

    Doch bis es keinen Prüfanlass mehr gibt (da nicht schweregradrelevant) sind wir um Anregungen zur Argumentation dankbar.
    Einen guten Tag!

  • Hallo zusammen,
    gibt es hier vielleicht etwas Neues, das uns helfen könnte, bis 2017 ist es ja noch ziemlich lang.

    Viele Grüße
    bruening

    Mit freundlichen Grüßen

    Annette Brüning
    Medizincontrolling
    Katholische Hospitalgesellschaft Suedwestfalen