Erworbener Mangel an Gerinnungsfaktoren: zum X-ten

  • Guten Morgen zusammen,
    es gibt wieder etwas Neues aus dem Kreativitätslabor, was der Gemeinde nicht vorenthalten werden sollte.
    Die neueste Ablehnung der Nebendiagnose D68.4 lautet nun wie folgt:
    "Der Arzneimittelwirkstoff Phenprocoumon (Handelsname: Marcumar) gehört zur Gruppe der sog. Antikoagulanzien oder auch Vitamin-K-Antagonisten. Vitamin K wird bei der Überführung der Faktoren II, VII, IX und X in deren gerinnungsaktive Form in seiner chemischen Struktur verändert und anschließend in seinen Ausgangszustand zurückgebracht. Hierzu sind verschiedene Enzyme erforderlich. Phenprocoumon tritt mit dem enzymatisch veränderten Vitamin-K (dem sog. Vitamin KO) in Konkurrenz um einen Bindungsplatz an der Epoxid-Reduktase (sog. kompetitive Hemmung), so dass weniger Vitamin K in seinen Ausgangszustand zurückgebracht wird. Phenprocoumon bewirkt demnach nicht einen Mangel an Vitamin K, sondern vielmehr einen funktionellen Vitamin-K-Antagonismus. Ein erworbener Mangel an Gerinnungsfaktoren lag somit nicht vor; daher ist die ND D68.4 nicht sachgerecht. Um den Mehraufwand durch die Gabe von Konakion abzubilden, kann Z92.1 als ND verschlüsselt werden.
    Comments, please?
    Gruß
    GenS

    3 Mal editiert, zuletzt von GenS (13. Mai 2015 um 09:38)

    • Offizieller Beitrag

    Hallo,

    SEG4 hatte dazu jedenfalls eine konkrete Meinung bis 2015:

    Kodierempfehlung: 316
    Schlagworte: Gerinnungsfaktoren, Mangel, erworbener, D68.4, Marcumar®
    Erstellt: 17.12.2009
    Aktualisiert: 15.01.2014
    Problem / Erläuterung:
    Präoperativ wird bei einem antikoagulierten Patienten das Marcumar® abgesetzt und auf Grund des erniedrigten Quickwertes (INR) Konakion® gegeben. Was wird als Nebendiagnose kodiert?
    D68.4 Sonstige Koagulopathien, Erworbener Mangel an Gerinnungsfaktoren
    oder
    Z92.1 Dauertherapie (gegenwärtig) mit Antikoagulanzien in der Eigenanamnese?

    Kodierempfehlung: Unter der Gabe von Phenprocoumon entsteht ein so genannter funktioneller Vitamin-K-Mangel, der im o.g. Fall zur Beeinflussung des Patientenmanagements geführt hat. Bei D68.4 Erworbener Mangel an Gerinnungsfaktoren wird als Inklusivum Gerinnungsfaktorenmangel durch Vitamin-K-Mangel aufgeführt.
    Bezüglich der Verwendung von Z-Kodes sind die Hinweise am Anfang von Kapitel XXI der ICD-10-GM sowie unter Z80-Z99 zu beachten.


    Ab 2.15 dann wohl interne Diskussionen, daher dann wahrscheinlich auch Ursprung der Ihnen dargestellten Meinung:

    Kodierempfehlung: 316
    Schlagworte: Gerinnungsfaktoren, Mangel, erworbener, D68.4, Marcumar®
    Erstellt: 17.12.2009
    Aktualisiert: 15.01.2015
    Problem / Erläuterung:
    Präoperativ wird bei einem antikoagulierten Patienten das Marcumar® abgesetzt und auf Grund des erniedrigten Quickwertes (INR) Konakion® gegeben. Was wird als Nebendiagnose kodiert?
    D68.4 Sonstige Koagulopathien, Erworbener Mangel an Gerinnungsfaktoren
    oder
    Z92.1 Dauertherapie (gegenwärtig) mit Antikoagulanzien in der Eigenanamnese?

    Kodierempfehlung: „Wird zurzeit überarbeitet“

    Mit freundlichen Grüßen

    D. D. Selter

    Ärztlicher Leiter Medizincontrolling

    Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Murnau

  • Guten Morgen Herr Selter,
    dann ist es wohl der aktuelle Bearbeitungstand :)
    Klingt interessant, kommt aber m.E. auf die Betrachtungsweise an: aus Sicht der verehrenswerten Epoxid-Reduktase handelt es sich sehr wohl um einen Mangel an Gerinnungsfaktoren - auch in 2015.
    Gruß
    GenS

    • Offizieller Beitrag

    Hallo,

    nun ist die Bearbeitung abgeschlossen:

    Schlagworte: Gerinnungsfaktoren, Mangel, erworbener, D68.4, Marcumar®
    Erstellt: 17.12.2009
    Aktualisiert: 04.05.2015
    Problem / Erläuterung:
    Präoperativ wird bei einem antikoagulierten Patienten das Marcumar® abgesetzt und auf Grund des erniedrigten Quickwertes

    Kodierempfehlung: Bis einschließlich 2014 gilt:
    Unter der Gabe von Phenprocoumon entsteht ein so genannter funktioneller Vitaminâ€Kâ€Mangel, der im o.g. Fall zur Beeinflussung des Patientenmanagements geführt hat. Bei D68.4 Erworbener Mangel an Gerinnungsfaktoren wird als Inklusivum Gerinnungsfaktorenmangel durch Vitaminâ€Kâ€Mangel aufgeführt.
    Bezüglich der Verwendung von Zâ€Kodes sind die Hinweise am Anfang von Kapitel XXI der ICDâ€10â€GM sowie unter Z80â€Z99 zu beachten.

    Für Fälle ab 2015 gilt:
    Z92.1 Dauertherapie (gegenwärtig) mit Antikoagulanzien in der Eigenanamnese ist als Nebendiagnose zu kodieren, da die Konakiongabe eine Beeinflussung des Patientenmanagements im Sinne der Nebendiagnosendefinition darstellt.
    D68.4 Erworbener Mangel an Gerinnungsfaktoren bleibt den erworbenen Krankheiten des Gerinnungssystems vorbehalten, die nicht durch Antikoagulanzien und Antikörper bedingt sind. Das 2015 zu dieser Schlüsselnummer neu eingeführte Exklusivum verweist bei durch Antikoagulanzien und Antikörper hervorgerufener hämorrhagischer Diathese auf die Subkategorie D68.3â€.
    Liegt beispielsweise eine Hämorrhagische Diathese durch Cumarine vor, ist diese mit D68.33 Hämorrhagische Diathese durch Cumarine (Vitaminâ€KAntagonisten) zu kodieren. Ist keine Blutung unter der Marcumartherapie aufgetreten, ist der Kode Z92.1 zu verschlüsseln, siehe hierzu Exklusivum zu dieser Schlüsselnummer.

  • Guten Tag,

    kann denn jemand der Argumentation folgen? Der im Ursprungsbeitrag spitzfindig angeführte Unterschied zwischen Vitamin-K-Mangel und Vitamin-K-Antagonismus scheint in der Argumentation jetzt keine Rolle mehr zu spielen. Stattdessen wird nun auf das neu hinzugekommene Exklusivum unter der D68.4 abgestellt, das auf die D68.3- verweist. Dieses stellt meines Erachtens jedoch lediglich klar, dass manifeste Blutungen im Rahmen einer Therapie mit Antikoagulanzien nicht von der D68.4 abgedeckt sind. Dass der de facto bestehende Mangel an Gerinnungsfaktoren infolge Marcumar nicht mehr mit der D68.4 kodiert werden kann, lässt sich daraus meines Erachtens jedoch nicht ableiten. Gibt es andere Meinungen dazu?

    Wünsche noch einen schönen Feierabend!
    B. Liebermann

  • Guten Morgen Herr Liebermann,
    sehe es auch so, wie sie.
    In meinen Augen - eine Scheinargumentation als Ersatz, nachdem der o.g. Spruch mit Epoxid-Reduktase den Autoren selbst als lächerlich vorkam.
    Gruß
    GenS

  • Hallo allerseits,

    aus meiner Sicht sind grundsätzlich beide Meinungen vertretbar.

    Es ist ein wunderschönes Beispiel für die Absurditäten des Systems: Im buchstäblichen Kleingedruckten wird eine Änderung vorgenommen, ohne nähere Erläuterung. Daraufhin sind Heerscharen von Kassen-, Krankenhaus- und MDK-Mitarbeitern gezwungen, sich mit dem Sachverhalt - weil u.U. erlösrelevant - zu beschäftigen, im Gefolge evtl. auch noch Anwälte und Gerichte.

    Warum kann hier nicht gleich primär eine eindeutige Regelung durch eine Kodierrichtlinie erfolgen, oder ein FAQ oder einen sonstigen Hinweis zur Interpretation dieses neuen Exclusivums?

    Gruß,
    fimuc

  • Hallo,

    eine mündliche Auskunft von DIMDI:
    erniedrigter Quick durch Einnahme von Marcumar ohne Blutung: immer Z92.1 (auch wenn Quick medikamentös angehoben)
    erniedrigter Quick durch Einnahme von Marcumar mit Blutung: D68.33

    Ich hab es leider nur mündlich und nicht schriftlich.

    Gruß
    B.W.

  • Z92.1 Pat nimmt Marcumar
    D684.4 Pat nimmt Marcumar und bekommt z.B. Konakion weil der Quick niedrig ist z.B vor einem Eingriff
    D68.33 Pat nimmt Marcumar und blutet und bekommt deswegen Konakion

    Richtig oder falsch??

    • Offizieller Beitrag

    D68.4 Pat nimmt Marcumar und bekommt z.B. Konakion weil der Quick niedrig ist z.B vor einem Eingriff

    Hallo,

    haben Sie die Antwort direkt darüber gelesen? Das DIMDI sagt: Nein

  • Hallo Herr Selter,

    zunächst möchte ich auf die Änderung der Kodierempfehlung Nr. 316 der SEG 4 eingehen.

    Die dort gegebene Begründung für die Änderung der Kodierempfehlung greift nicht durch. Das in 2015 unter D68.4 neu verzeichnete Exklusivum "Hämorrhagische Diathese durch Antikoagulanzien und Antikörper (D68.3-)" bezeichent die Blutung unter z.B. Marcumar, nicht aber die Quickwerterniedrigung, die mit Kanakion behandelt wird (siehe ebenso DRGist und GenS). Da ein Exklusivum zudem nicht bedeutet, dass der betreffende Kode nicht verschlüsselt werden kann, sondern nur, dass der Kode nicht das bezeichnet, was im Exklusivum genannt ist, geht die Begründung ins Leere.

    Problematisch ist das Ganze auch, weil es bislang, u.a. aufgrund der Kodierempfehlung, konsentierter Standard war, die Konakiongabe bei Quickerniedrigung unter Marcumar mit D68.4 zu kodieren. Damit hat dieser Kodiertatbestand unmittelbare Auswirkung auf die Kalkulation der DRG. Es gibt diesbezüglich keine ersichtliche Änderung der ICD-Systematik, so dass eine Änderung der Kodierung gleichbedeutend ist mit einem Griff ins Portemonnaie der Krankenhäuser über zwei Jahre, so lange, bis sich eine geänderte Kodierpraxis auf die Kalkulation auswirkt.

    Der Hinweis auf die mündlche Auskunft des DIMDI ist für mich nicht ausreichend. Wenn man z.B. im alphabetischen ICD-Verzeichnis unter "Verminderung - Blutgerinnungsfaktoren" sucht, so wird dort der Kode D68.9 angegeben. In unserem Fall wäre dann z.B. der Kode D68.8 zu diskutieren, da ja eine näher bezeichnete Koagulopahie vorliegt.

    Zudem führen die Anmerkungen unter Z00-Z99 aus: "Die Kategorien Z00-Z99 sind für Fälle vorgesehen, in denen Sachverhalte als "Diagnosen" oder "Probleme" angegeben sind, die nicht als Krankheit, Verletzung oder äußere Ursache unter den Kategorien A00-Y89 klassifizierbar sind." Es handel sich somit um einen "Auffangkode", falls in den vorangegangenen Kapiteln keine Klassifizierung möglich ist.

    Ein Z-Kode ist z.B. dann anzuwenden, wenn ein Patient mit Schädel-Hirn-Trauma Marcumar erhalten hat, sich der Quickwert in einem therapeutischen Bereich befindet, die Aufnahme aber z.B. auch unter dem Gesichtspunkt erfolgt, dass aufgrund der Marcumargabe eine erhöhte Blutungsgefahr besteht.

    Zusammenfassend sehe ich keinen Grund, für eine Änderung der bisherigen Kodierpraxis: bei Quickerniedrigung unter Marcumar und therapeutischen Maßnahmen (z.B. Konakion) Kodierung der D68.4.

    Viele Grüße

    Medman2