Ausrufezeichen-Code obligat angeben auch ohne Therapie?

  • Hallo Herr Selter,

    die abnormen Befunde werden doch nicht kodiert, es sei denn, sie haben eine klinische Bedeutung....
    Der von Herrn Bartkowski vorgetragene Staphylokokkus ist ein nicht ganz seltener Zufallsbefund ohne solche Bedeutung.
    Die Aussage von DIMDI gehört natürlich in klinische Bezüge. Sonst kommt noch jemand und spamt seine Kodierungen voll mit Staph. epidermidis...(oder was sich sonst noch so auf jedem ungewaschenen Finger findet) :thumbup:

    Gruß

    W.

  • Hallo Forumsmitglieder,

    mal rein DKR-dogmatisch gefragt: Was bedeutet obligat?

    Ja, ich weiß, verpflichtend. Aber bedeutet das, dass man die Kodes "ohne Rücksicht auf Verluste" kodieren kann/darf/muss?

    Interessant ist, dass nach DKR D012 Ausrufezeichenkodes als optionale Schlüsselnummern bezeichnet werden.

    Herzu heißt es im ICD:

    • "Was bedeuten die optionalen Schlüsselnummern?
    • In der ICD-10-GM sind einige Schlüsselnummern mit einem Ausrufezeichen gekennzeichnet. Solche Schlüsselnummern dürfen nur zusätzlich zu einer nicht derart markierten Schlüsselnummer benutzt werden. ...."

    Das sagt zunächst nur aus, dass Ausrufezeichenkodes nicht alleine stehen können.

    Weiter heißt es im ICD:

    • "Sie können sie jedoch zusätzlich verwenden, um eine Diagnose zu spezifizieren, wenn dies zur Leistungsbegründung erforderlich ist."

    Hier ist jetzt wegen der Kann-Formulierung von einer Optionalität die Rede, man kann Ausrufezeichenkodes verwenden, muss es aber nicht.

    Weiter heißt es in der DKR D012:

    • "Mit einem Ausrufezeichen gekennzeichnete sekundäre Schlüsselnummern sind zum Teil optional, in anderen Fällen obligatorisch anzugeben."

    Hier wird m.E. zum Ausdruck gebracht, dass die Optionalität der Ausrufezeichenkodes laut ICD kraft DKR eingeschränkt wird, so dass die in Tabelle 2 als obligat genannten Kodes obligat zu kodieren sind, also die Wahlfreiheit, sie kodieren zu können, wenn dies zur Leistungsbegründung erforderlich ist, nicht mehr besteht. Das heißt aber m. E. nicht, dass die Ausrufezeichenkodes der Liste 2 "ohne Rücksicht auf Verluste" zu kodieren sind.

    Ein weiterer Gedanke: Wenn die Ausrufezeichenkodes als Spezifizierung einer Diagnose vorgesehen sind, ist es m.E. nicht sinnvoll, für diesen Kode einen - eigenständgen - Aufwand zu verlangen, um ihn kodieren zu können. Die Argumentation, ich könne die B96.2 deswegen kodieren, weil sie mit dem Aufwand der Mikrobiologie verbunden ist, geht völlig fehl. Wie soll ich dann die Kodierung der U69.11! (dauerhaft erworbene Blutgerinnungsstörung) oder die Z37.-! (Resultat der Entbindung) in diesem Sinn rechtfertigen? Deshalb ist es m.E. sinnvoll, das "obligat" in dem Sinne zu verstehen, dass die Kodierung von der üblichen Voraussetzung zur Nebendiagnosenkodierung (Änderung des Patientenmanagements) unabhängig ist.

    Viele Grüße

    Medman2

    • Offizieller Beitrag

    die abnormen Befunde werden doch nicht kodiert, es sei denn, sie haben eine klinische Bedeutung....

    Der von Herrn Bartkowski vorgetragene Staphylokokkus ist ein nicht ganz seltener Zufallsbefund ohne solche Bedeutung.
    Die Aussage von DIMDI gehört natürlich in klinische Bezüge. Sonst kommt noch jemand und spamt seine Kodierungen voll mit Staph. epidermidis...(oder was sich sonst noch so auf jedem ungewaschenen Finger findet) :thumbup:

    Hallo,

    es geht hier um "obligate" Kodes, nicht um "abnorme Befunde". Das DIMDI regelt klassifikatorische Fragen, hier geht es nicht um Medizin. Genauso wenig in den DKR.

    Und zu Medman2: Weder hat das was mit Rücksicht zu tun, noch mit Gewinn oder Verlust. Das ist ja alles ganz nett, aber eigene Interpretation, ohne entsprechende Verlautbarung in den DKR. Fakt ist, dass hier Unklarheit besteht, die unmissverständlich geregelt gehört. Entweder ist ein Kode obligat oder nicht. Wir wissen alle, dass ein bisschen schwanger nicht geht.

  • Hallo Herr Selter,

    ich stimme mit Ihnen überein, dass die Formulierung "obligat zu kodieren" einer Klarstellung bedarf.

    Mit "ohne Rücksicht auf Verluste" habe ich nicht gemeint, dass die Kodierung erlösorientiert oder erlösverringernd erfolgt. Damit meine ich, dass man z.B. die B95.6! kodiert, nur weil in einem Abstrich Staphylococcus aureus nachgewiesen ist, unabhängig davon, ob es sich um eine Krankheit handelt (z.B. aus einem Abstrich von gesunder Haut).

    Ich bin bislang davon ausgegangen, dass jeder Kode, der die Nebendiagnosendefinition erfüllt, zu kodieren ist, es mithin keine Optionalität gibt.

    O.g. Regelung im ICD sagt nun aber, dass Ausrufezeichenkodes im Grundsatz optional sind. In den DKR wird dies bestätigt. Abweichend davon ist in den DKR geregelt, dass die in der Liste 2 von D012 aufgeführten Ausrufezeichenkodes obligat zu kodieren sind. Das ist nicht meine Interpretation, dass steht in der DKR D012.

    Wenn aber mit den Ausrufezeichenkodes eine Diagnose nur genauer bezeichnet wird, ist es nicht sinnvoll, neben dem Aufwand für den Primärkode gemäß Nebendiagnosendefinition einen davon unabhängigen Aufwand für den Sekundärkode (wie für eine zusätzliche Nebendiagnose) zu verlangen. Das steht nicht in den DKR und beruht ausschließlich auf teleologischen Erwägungen.

    Besonders deutlich wird dies z.B. für U69.11! (dauerhaft erworbene Blutgerinnungsstörung). Dafür kann man keinen Aufwand geltend machen, der Kode ist rein nomenklatorisch / abrechnungstechnisch.

    Das Gesagte gilt im Übrigen nicht für Stern-Kodes.

    Viele Grüße

    Medman2

    • Offizieller Beitrag

    Hallo,

    noch einmal: Keim-Kodes sind obligat. Mikrobio ist Diagnostik und Aufwand. DIMDI sagt: "Z22.3 Keimbesiedelung stellt im klassifikatorischen Sinne eine "Krankheit" dar. Die Kodierung von B95-B97 ist zusätzlich möglich."

    Damit ist alles gesagt, um den Klärungsbedarf deutlich zu machen. Sie können das durch ihre Interpretationen der DKR nicht vom Tisch nehmen.

  • Hallo Herr Selter,

    Sie sind da ein bißchen Doc-matisch.
    Es gibt zu diesem Thema ernst zu nehmende Gegenreden.
    Der Code Z22.3 heißt: Keimträger von Infektionskrankheiten, Verdachtsfälle inclusive.
    Der Keim, den Herr Bartkowski in seinem Abstrich gefunden hat, ist nicht obligat pathogen. Und bei dem Patienten bestand auch kein Verdacht auf eine Infektionserkrankung an dieser Stelle.
    Herr Bartkowski hat hier durch eine für uns als Zuschauer zunächst einmal unbegründete Untersuchung einen Keim nachgewiesen, der an anderer Stelle machmal pathogen sein kann. Für diesen Patienten hatte dieser Keim aber Null Bedeutung. Es bestand auch Null Verdacht.
    Und hier trifft sich die DKR mit dem Text des Codes:
    Abnorme Laborbefunde werden nicht kodiert, es sei denn, sie haben eine klinische Bedeutung im Sinne einer therapeutischen Konsequenz oder einer weiterführenden Diagnostik.

    Der Patient von Herrn Bartkowski trug einen fakultativ pathogenen Keim, der zufällig und ohne Verdacht auf Infektion nachgewiesen wurde. Er war damit nicht Keimträger einer Infektionserkrankung. Eine klinische Bedeutung hatte das alles nicht.

    Ist der Keim also obligat zu kodieren?

    Ich habe da ernste Zweifel.

    Gruß

    W.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo,

    bitte nicht immer irgendwelche Wort- und Inhaltskonstrukte kreieren. Es gibt nicht " obligat pathogen" zu diskutieren, es geht um obligate Kodes. Der zu klärende, nicht eindeutige Sachverhalt besteht, da können sie gerne noch weitere Interpretationen formulieren. Das ändert gar nichts an dem Problem!

    Um es letztmalig auf einem anderen Weg darzustellen: Es gibt entzündete Wunden, bei denen mehrere Bakterien nachgewiesen werden. Welche davon gerade für die Entzündung verantwortlich zu machen sind, dürfte nicht immer klar zu differenzieren sein. Wenn also hier jemand der Meinung ist, dass immer nur die speziell krankheitsauslösende Keime anzugeben sind, bedeutet das, dass derjenige da dann immer die medizinische Erklärung liefern muss, was gerade was macht. Es werden aber (nicht) komischerweise dann immer alle Kodes vom mikrobio. Befund kodiert..... Und warum? Weil eben obligat!

    So, ich denke, dass die Argumente hinreichend ausgetauscht sind. Sie müssen das ja auch nicht so sehen.

  • Hallo Herr Selter,

    es freut mich, daß wir hier weitgehend überein stimmen.
    Sie schreiben: "Es gibt entzündete Wunden, bei denen mehrere Bakterien nachgewiesen werden. Welche davon gerade für die Entzündung verantwortlich zu machen sind, dürfte nicht immer klar zu differenzieren sein."
    Da bin ich voll bei Ihnen. Und wenn Sie dann das dort gefundene Keimspektrum im Einzelnen mit in die Kodierung nehmen, folge ich Ihnen sofort.
    Aber indem Sie die Krankheitssituation auf die infizierte Wunde einengen, lassen Sie eben die Bartkowski-Situation außen vor. Und auch da bin ich wieder völlig einig mit Ihnen.

    Die Mitteilung des DIMDI muss nämlich im Zusammenhang mit der Interpretation des Kodes gelesen werden. Bei Ihrer Wundinfektion besteht zumindest der Verdacht, der Keim könnte hier den Infekt unterhalten. Bei dem Keim aus dem Bartkowski-Beispiel bestand dieser Verdacht nicht.

    Gruß

    W

  • Hallo,

    Der Patient von Herrn Bartkowski trug einen fakultativ pathogenen Keim, der zufällig und ohne Verdacht auf Infektion nachgewiesen wurde.

    also m.M. nach machen sie einen Abstrich nur wenn der Verdacht auf irgendein infektiöses Geschehen oder ähnliches besteht (abgesehen vom MRSA-Sceening). Niemand macht einfach so nach Lust und Laune mal ein paar Abstriche oder UTKs. Im besten Fall kommt dabei nichts raus, in manchem Fall findet sich aber doch was. Auf jeden Fall haben sie damit in meinen Augen aber schon eine weiterführende Diagnostik betrieben (auf Verdacht hin) und damit Aufwand gehabt, ergo kodierfähig. Und die DKR sind ja auch wortgetreu zu interpretieren, dass "obligat" lässt bei wortgetreuer "Auslegung" keinen Handlungsspielraum zu. Die Sichtweise des DIMDI zu Z22.3 hatte ja Herr Selter schon dargestellt und bedarf m.M. nach keiner weiteren Diskussion/Interpretation. Über die DKR könnte man sicherlich die Sache genauer regeln, aber ist dies auch gewollt? Die Pflichtangabe von Keimen lässt sich doch auch prima für statistische Zwecke nutzen (ein Schelm, wer übles dabei denkt). :whistling:

    MfG findus

    MfG findus

  • Hallo Findus,

    Niemand hat nicht nur den Zyklopen geblendet, sondern ist in den letzten Jahren auch verschiedentlich beim Upcoding gesehen worden. Wenn der Nachweis eines zufällig entdecken Keimes ohne jedes Zeichen einer Erkrankung und ohne jede Behandlung den Erlös steigern kann, dann wird Ihr Niemand auch an dieser Stelle aktiv werden. Und da ist das Problem.

    Wenn Sie nur dann einen Abstrich machen, wenn Sie einen zuvor gefassten (und dokumentierten) Verdacht verifizieren wollen, und bei bestätigtem Verdacht auch noch behandeln, wenn Sie also eine Erkrankungssituation haben, dann ist die Kodierung des Kodes obligat, dann folgt Ihnen hier jeder. Da gibt es dann keinen Spielraum.

    Wenn Sie aber keinen klinischen Verdacht haben und auch nicht behandelt haben, dann fehlt ihnen der Primärkode. An dieser Stelle machen Sie Klimmzüge am Z-Kode. Das ist kritisch.

    Hier gibt es offensichtlich gar nicht selten viel Geld für wenig Aufwand bei null Erkrankung.

    Und das führt zu Diskussionen.

    Das Vorschlagsverfahren für die Version 2017 läuft ja. Wenn das InEK hier gebeten wird, die Kosten für Z22.3 in Verbindung mit einem Ausrufezeichen-Keim mal nachzurechnen, könnte sich der Eifer schnell legen...

    Gruß

    W.

  • Hier gibt es offensichtlich gar nicht selten viel Geld für wenig Aufwand bei null Erkrankung.

    Hallo Willis,
    hier dürfte es wohl eher selten Geld geben, da die meisten "0815-Keime" ja schon abgewertet oder auf Null gesetzt wurden.

    Das Vorschlagsverfahren für die Version 2017 läuft ja. Wenn das InEK hier gebeten wird, die Kosten für Z22.3 in Verbindung mit einem Ausrufezeichen-Keim mal nachzurechnen, könnte sich der Eifer schnell legen

    Dies wiederum klingt fast so, als würde es sich um ein "neues Problem" handeln. Ist es aber nicht. Da das Problem ja schon seit Jahren besteht, hätte das InEK hier schon längst eingreifen können und auch die Kassen werden da betreffs Vorschlagsverfahren nicht ruhig zugesehen haben.

    Das die gesamte Situation diskutiert werden muss, aber an den richtigen Stellen, ist völlig richtig. Das Klärungsbedarf besteht ist auch richtig und v.a. wichtig. Deshalb mein Hinweis:

    Über die DKR könnte man sicherlich die Sache genauer regeln, aber ist dies auch gewollt? Die Pflichtangabe von Keimen lässt sich doch auch prima für statistische Zwecke nutzen.

    Schließlich hat ja gerade beim E-coli die massive Kodierung zu einer Abwertung geführt. Deshalb meine Frage: Ist die Keimangabe hauptsächlich als "statistische Angabe" relevant und obligat?

    MfG findus

    MfG findus

    Einmal editiert, zuletzt von Findus (20. Januar 2016 um 19:26)