Akutes Nierenversagen bei Exsikkose

  • Guten Tag,

    ich weiß, die Frage ist änhlich schon gestellt worden. Aber womöglich hat sich ja was getan :)
    eine Frage zum akuten NIV ohne Histologie: 2015 ist ja nun bei N17.9x der Zusatz 'bei adäquater Flüssigkeitszufuhr' eingeführt worden. Bei einem Patienten mit Exsikkose und einem zweifelsfrei diagnostiziertem akuten NIV (nach KDIGO) und entsprechender Therapie, ersetzt der MDK die (sicherlich nicht korrekte kodierte) ND N17.91 durch N19. Nun die Frage: wäre hier die N17.99 nicht korrekter? Diese hat nicht den 'Flüssigkeitszufuhr'-Zusatz. Und bei N19 steht bei den Inklusiva ja: nicht als akut oder chronisch bezeichnet'. Da es sich hier aber sicher um ein akutes Geschehen handelt, wäre doch die N19 falsch. Dies wird auch so aufgeführt in einem Urteil des Frankfurter Sozialgerichtes (allerdings aus einem Fall aus 2010; Urteil Januar 2015): bei zweifelsfrei akutem NIV ist die N19 nicht zu kodieren.
    Hier würde mich nun eure Meinung interessieren bzw. ob schon eventuell MDK-Erfahrungen bezüglich dieses Themas existieren.

    Vielen Dank schon mal im Voraus
    Hangover

  • Hallo Gravitax,

    die N19 ist nach meinem Verständnis ein Auffangkode für Fälle mit Nierenerkrankung, die man nicht als chronisch bezeichnen kann, z.B. weil der Nachweis eines Bestehens über 3 Monate oder von morpholgischen Veränderungen fehlt. Gleichzeitig dürfen auch nicht die Kriterien eines

    • akuten Nierenversagens,
    • einer akuten Niereninsuffizienz,
    • einer akuten Nierenschädigung

    vorliegen.

    Die Mindestkriterien für ein akutes Nierenversagen sind ein Kreatininanstieg in angemessener Höhe innerhalb der definierten Zeitkriterien (0,3 mg binnen 48 Std., 50% binnen 7 Tagen) oder alternativ Urinausscheidung weniger als 0,5 ml/kg/h über 6 Std.. Die Voraussetzung eine ausreichenden Flüssigkeitszufuhr bezieht sich m.E. nur auf das Kriterium Urinausscheidung (siehe auch hier).

    Von einem akuten Nierenversagen (N17.9(1-3)) können Sie nur dann sprechen, wenn diese Mindestkriterien erfüllt sind.

    Die xxxx9 steht im ICD unter der Definition des akuten Nierenversagens nach KDIGO. Es handelt sich offenbar um eine redaktionell-formale Unschärfe. Man hat damit die "akute Niereninsuffizienz bzw. Nierenschädigung" (s. Inklusivum zu N17.-) adressieren wollen. Dies ergibt sich aus dem alphabetischen Verzeichnis unter Niere/Insuffizienz/akut N17.99 (dito Niere/Schädigung/akut N17.99). Damit wäre der Kode N17.99 für das von Ihnen als akut eingeschätzte Leistungsbild zutreffend.


    Im Übrigen bin ich der Auffassung, dass ein akutes Nierenversagen bei Exsiccose (so genanntes prärenales akutes Nierenversagen) bei genauer Betrachtung mit N17.8- zu kodieren ist, weil es sich um ein näher bezeichnetes, sonstiges akutes Nierenversagen handelt.

    Viele Grüße

    Medman2

    4 Mal editiert, zuletzt von medman2 (11. September 2015 um 21:08)

  • hallo medman2!

    Haben sie sich da vertippt?
    Ein ANV bei Exsiccose / ein sog. prärenales ANV ( ohne histopathologischen Befund , keine Biopsie ) wollen Sie - bei genauer Betrachtung - mit N17.8- kodieren?

    Warum nicht < ANV ohne Vorliegen eines histologischen Befundes > N17.9_ ?

    Die 4.Stelle unterscheidet doch rein nach histologischen Kriterien.
    Sonstige bezieht sich auf sonstige histologische Befunde, nicht auf prärenal, renal oder postrenal.
    Diese Begriffe wurden doch erst 2015 in das alphabICD-VZ eingearbeitet.

    mfg ET.gkv

  • Hallo zusammen,

    im alphab. ICD Verzeichnis finde ich das prärenale NV mit N19.
    Gibt es zu dem Thema schon neue Erkenntnisse?

    Ergänzung:
    Soeben die aktuellen MDK Kodierempfehlungen von 2016 gelesen. Und hier wurde ANV bei Exsikkose nun korrigiert und ist mit N17.9x zu verschlüsseln.
    Na bitte! Geht doch :thumbup:

    Grüße
    NaSchu

    2 Mal editiert, zuletzt von NaSchu (9. Juni 2016 um 11:09)

  • Guten Abend zusammen,

    ganz so einfach ist es leider nicht.

    Unter Punkt 1 steht die entscheidende Einschränkung:. . Zur klinischen Abgrenzung der akuten Nierenschädigung (AKI)/des akuten Nierenversagens von einem lediglich durch Exsikkose bedingten Anstieg der Retentionswerte ist allerdings bei den Stadien 1-3 der Hinweis „adäquate Flüssigkeitszufuhr vorausgesetzt“ .

    Durchaus leidvoll ist meine Erfahrung in dieser Hinsicht: Die adäquate Flüssigkeitszufuhr bei Exsikkose liegt einfach nicht vor. Regelhaft ist der Umkehrschluß, dass bei adäquater Flüssigkeitszufuhr kein Krea-Anstieg erfolgt wäre.Ergo liegt auch kein Nierenversagen vor und nur eine Exsikkose.Ein Nierenversagen bei Exsikkose gibt es demnach gar nicht.

    Auch die Kodierung als N19 ( nach Auslegung der SEG 4 ja durchaus eine Lösung), die oftmals die gleiche DRG erreicht, wird nicht akzeptiert.

    Da hilft wirklich nur viel Wasser zu trinken um kühlen Kopf zu bewahren.....

    MfG Karla

  • im alphab. ICD Verzeichnis finde ich das prärenale NV mit N19.

    Hallo NaSchu,
    das stimmt für Versagen/Niere.

    Bei Versagen/Niere/akut steht aber N17.99, bei Versagen/Niere/akut/prärenal ebenfalls N17.99, bei Versagen/Niere/akut/Stadium I bis III N17.91 bis N17.93.


    Das bedeutet aber nicht, dass jedwedes prärenale Nierenversagen mit N17.99 zu kodieren ist. Es ist nur keine Extradifferenzierung für die Stadien beim akuten prärenalen Nierenversagen angegeben. Dafür ergibt sich ebenso für das Stadium I bis III die N17.91 bis N17.93.

    Im Übrigen ist die Lesart der SEG4, dass ein akutes Nierenversagen mit entsprechenden Erscheinungen (Krea, Urinproduktion) nur bei ausreichender Flüssigkeitszufuhr vorliegen könne, außerordentlich innovativ. Damit gäbe es dann ja kein akutes prärenales Nierenversagen durch Exsiccose mehr. 8o

    Viele Grüße


    Medman2

  • Guten Morgen,

    genau das ist der springende Punkt. Mit diesem Passus wird seitens der SEG 4 das Vorhandensein eines prärenalen Nierenversagen faktisch eliminiert.

    Ich interpretiere die Hinweise des DIMDI aber so, dass lediglich eine genau benannte Serum-Kreatininveränderung und / ODER eine Verminderung der Diurese (unter adäquater Flüssigkeitszufuhr) vorliegen muss.

    Die Flüssigkeitszufuhr bezieht sich also nur auf das Kriterium: verminderte Diurese!

    Mit ist bewusst das dies aus klinisch / medizinischer Sicht (Abrenzung akute Nierenschädigung / Versagen, weitere klinische Parameter etc.) vielleicht etwas grob daher kommt,

    die Bedingungen einer Verschlüsselung sind aber dem genauen Wortlaut entsprechend und dem Vorliegen einer ODER Bedingung gegeben und nicht weiter zu interpretieren.

    Wenn die Exsikose-Konstellation komplett rausgenommen und Interpretationsspielraum vermieden werden soll, muss das DIMDI entsprechend umformulieren und die Flüssigkeitszufuhr als erste Bedingungen aller weiteren Prüfpunkte gesondert aufführen.

    Nur meine persönliche Meinung.

    Ein schönen Freitag wünsche ich!

  • Hallo,
    kleiner Tipp dazu: schauen Sie mal in die im ICD N17.9_ angegebene Literatur, vorzugsweise die englische Original-Literatur. Dort steht drin, wie das mit der Flüssigkeitszufuhr zu verstehen ist.

    Herzliche Grüsse aus Mittelfranken
    E. Horndasch

  • Hallo,

    in der KDIGO-Leitlinie finden Sie das auf Seite 35:

    "Oliguria as a measure of kidney function
    Although urine flow rate is a poor measure of kidney function, oliguria generally reflects a decreased GFR. If GFR
    is normal (approximately 125 ml/min, corresponding to approximately 107 ml/kg/h for a 70-kg adult), then reduction
    in urine volume to < 0.5 ml/kg/h would reflect reabsorption of more than 99.5% of glomerular filtrate. Such profound
    stimulation of tubular reabsorption usually accompanies circulatory disturbances associated with decreased GFR.
    Oliguria is unusual in the presence of a normal GFR and is usually associated with the non–steady state of solute balance
    and rising SCr sufficient to achieve the criteria for AKI. As a corollary, if GFR and SCr are normal and stable over an
    interval of 24 hours, it is generally not necessary to measure urine flow rate in order to assess kidney function.
    In principle, oliguria (as defined by the criteria for AKI) can occur without a decrease in GFR. For example, low
    intake of fluid and solute could lead to urine volume of less than 0.5 ml/kg/h for 6 hours or 0.3 ml/kg/h for 24 hours. On
    the other hand, severe GFR reduction in CKD usually does not lead to oliguria until after the initiation of dialysis.
    As described in Chapter 2.1, the thresholds for urine flow for the definition of AKI have been derived empirically and are less well substantiated than the thresholds for increase in SCr."


    Mehr finden Sie zur Abhängigkeit des Urinvolumens und des Serumkreatinins vom Hydratationszustand nicht.

    Viele Grüße

    Medman2

  • Hallo,
    meiner Meinung nach liegt der Ursprung für den Zusatz mit der "adäquaten Flüssigkeitszufuhr" bereits im Report der AKIN Gruppe aus 2007, in dem ja auch die AKIN Stadieneinteilung festgelegt wurde. Dort nachzulesen unter dem Absatz "Diagnostic criteria" einmal im Text der Tabelle1 sowie unter 3.
    Freundliche Grüße!