Aufnahmezeitpunkt

  • Hallo,

    das mit der "Erforderlichkeit" des vormitternächtlichen Zeitraums sehe ich aber auch kritisch. Der Pat. hat sich doch in den wenigen Minuten nicht verschlechtert, also Bestand doch auch schon vor Mitternacht die Notwendigkeit der stat. KH-Behandlung. Man wusste es nur noch nicht.
    Alleine das "Durchziehen" der Karte bei der Anmeldung kann es aber auch nicht sein.
    Nicht jeder, der sich in der NA vorstellt, ist krankenhausbehandlungsbedürftig.
    Und der §39 sagt "nach Prüfung durch das Krankenhaus" - und hier ist sicher nicht die Anmeldung gemeint.
    Noch ein anderer Gesichtspunkt, der bei uns auch schon diskutiert wurde und in eine ähnliche Richtung geht: Pat. kommt in Notaufnahme; der Arzt stellt die Indikation zur stat. Aufnahme, die der Patient aber ablehnt. Ist der Zeitraum bis dahin dann stationär? Eine stationäre Aufnahme ohne Zustimmung des Patienten geht (in der Regel) doch nicht.

    Gruß
    B.W.

  • Hallo zusammen,

    ich stelle mal eine Gegenfrage: wenn Sie nicht den Zeitpunkt des Erstkontaktes als Aufnahmezeitpunkt setzen, wie wollen Sie die Untersuchung in der Notaufnahme, die die stationäre Übernahme auslöst, dann abrechnen ? Wenn Sie einen Datumswechsel haben, mag das ja noch gehen, dass die NFA über KV abrechnet und dann "am nächsten Tag" die stationäre Aufnahme erfolgt. Am gleichen Tag in unmittelbarer Abfolge werden Sie ein Problem mit der KV-Abrechnung bekommen. Andererseits steht eine ärztliche Leistung ohne Abrechnung im Widerspruch zur Berufsordnung.

    Grüße
    AnMa


  • Im Positionspapier für eine Reform der medizinischen Notfallversorgung in Deutschland (hier), S.6 wird die "Administrative Aufnahme, Erhebung der Vitalparameter und Patientenersteinschätzung (Triagierung)" als erster Schritt der Behandlung in der NA angeführt.Somit ist mMn sehr wohl KVK-Erfassungs-/Ankunftszeit in der NA retrospektiv als Aufnahmezeitpunkt möglich.

    Dass die ambulante Notfallversorgung am Krankenhaus mit dem Durchziehen der KV-Karte beginnt, kann ich mir noch vorstellen.
    Für die vollstationäre Krankenhausbehandlung gilt aber nach $ 39, dass sie erst nach Prüfung durch den Arzt erforderlich ist und abgerechnet werden kann. Das müsste dann der Beginn sein. Hilfskräfte, die Zuarbeiten dazu tätigen, können diese Prüfaufgabe nicht leisten.
    Eine andere Sichtweise ( jeder Patient, der in einer Notfallambulanz seine KV -Karte abgibt, ist ab dann stationär) würde allen BSG- Urteilen der letzten Jahren widersprechen.

    @Papiertiger2: Der "Ressourcenverbrauch" für die Aufnahmeformalitäten wird ja in jedem Fall als Teil der anschließenden Fallpauschale bezahlt. Ob die Karte um 22Uhr oder um 1Uhr durchgezogen würde, ist dafür egal.

    Mit freundlichen Grüßen

    Breitmeier

  • ... Für die vollstationäre Krankenhausbehandlung gilt aber nach $ 39, dass sie erst nach Prüfung durch den Arzt erforderlich ist und abgerechnet werden kann ...

    Hallo Herr Breitmeier,

    zunächst hat das Krankenhaus aber zumindest ab "Durchziehen der Karte" die Verantwortung für die Behandlung. Bitte lassen Sie uns die Formalisierung nicht zu weit treiben, sonst endet das noch darin, dasss der erste Handschlag des Arztes mit dem Patienten, ausschließich videodokumentiert, als Aufnahmezeitpunkt und die persönliche Verabschiedung des Patienten durch den Arzt, ebenfalls videodokumentiert, als Ende der Behandlung gilt.

    Es ist im Übrigen keinewegs so, dass Notwendigkeit von Krankenhausbehandlung ausschließlich auf die ärztliche Tätigkeit abstellt. Die besonderen Mittel des Krankenhauses müssen erforderlich sein (BSG vom 14.10.2014 - B 1 KR 27/13 R, R-Nr. 11). Dazu gehören u.a. "eine apparative Mindestausstattung, geschultes Pflegepersonal und ein jederzeit präsenter oder rufbereiter Arzt".

    Ihr Verweis auf § 39 SGB V greift nicht durch. Krankenhausbehandlung ist nicht erst dann erforderlich, wenn sie von einem Arzt geprüft worden ist, sondern "Versicherte haben Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus (§ 108), wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist". Zur Prüfung, die sicher maßgeblich durch den Arzt erfolgt, gehört auch eine entsprechende Vorbereitung nichtärztlicher Mitarbeiter. Der Anspruch besteht auch nicht erst ab Vollständigket der Prüfung, sondern a priori, wenn die - nachfolgend erfolgte - Prüfung die Erforderlichkeit ergibt/bestätigt.

    Mal ein wenig boshaft gefragt: Würden Sie den Beginn einer MDK-Begutachtung erst dann konstatieren, wenn Sie als Gutachter die Unterlagen in Händen halten?


    Viele Grüße


    Medman2

  • Lieber Medman2,

    Auch über den Beginn einer MDK Begutachtung habe ich mir bisher wenig Gedanken gemacht. Ich denke aber, die Begutachtung beginnt mit der intellektuellen Beschäftigung des Gutachters mit dem Fall. Davon zu trennen wäre der Beginn des Prüfverfahrens.
    Ausgangspunkt unserer Diskussion ist doch aber der sehr seltene Fall, dass wegen der Datumsgrenze der genaue Aufnahmezeitpunkt relevant ist. Das SGB V und diverse BSG-Urteile ( kürzlich auch zur Aufnahmeuntersuchung für jeden einzelnen Tagesklinik-Tag) schreiben immer, dass die Aufnahme nach Prüfung durch das KHS erforderlich sein muss. Nach beschreibt eine zeitliche Abfolge: Erst die Prüfung, dann die Aufnahme. Sonst müsste dort z.B. " bei Prüfung" stehen.
    Im übrigen muss es im ureigenen Interesse des KHS stehen, bei einem Patienten in der Notfallaufnahme schnellstens zu prüfen, ob er ambulant oder stationär behandelt werden muss. Insofern dürfte es eigentlich keinen großen zeitlichen Verzug zwischen dem Erscheinen in der Notfallaufnahme und der Prüfung geben.
    Und Kollege Münsterländer hatte in seinem Eröffnungsstatement ja schon aus dem Landesvertrag NRW gleichsinnig zitiert.
    Ich sehe bei dieser naturgemäß theoretischen Diskussion keine anderen objektivierbaren Zeitpunkt als den der Prüfung durch den KHS-Arzt, denn nur er/ sie kann die Aufnahme indizieren.

    Mit freundlichen Grüßen

    Breitmeier

  • Hallo Herr Breitmeier,

    ist denn erst die Begutachtung "mit intellektueller Beschäftigung" die Prüfung des Falles? Ich denke, dass die Vor- und Nacharbeiten durchaus auch eine intellektuelle Beschäftigung mit dem Fall erfordern, wenn auch nicht so tiefgehend.

    Nach Aussage des 1. Senats des BSG kann man vermuten, dass dieser dem Gesetzgeber für die ab 1.1.2016 geltende Gesetzes- und Rechtslage eine Begünstigung unzutreffender Tatsachenangaben in Krankenhausabrechnungen durch eine Prüfeinschränkung der Beweismittel unterstellt (B 1 KR 18/16 R, R-Nr. 35).

    Ist das "nach" da auch zeitlich?


    Der Aufnahmezeitpunkt ist nicht nur im Hinblick auf die Datumsgrenze relevant. Dieses ist allein ein abrechnungstechnischer Aspekt.

    Spätestens mit "Durchziehen der KV-Karte" beginnt die Verantwortlichkeit des KH. Ich stimme Ihnen zu, dass eine schnellstmögliche Untersuchung des Patienten in der Notaufnahme sinnvoll und auch im Interesse des Krankenhauses ist, allerdings nicht wegen der Frage, ob die Problematik ambulant oder stationär behandelbar ist. Das steht weit im Hintergrund, das können MDK-Gutachter noch nach Jahren nachprüfen.

    Würden Sie einen Patienten, der von den Mitarbeitern der Pflege reanimiert wird, weil nicht ad hoc ein Arzt bereit steht (Anästhesist und Gynäkologe stehen im OP bei einer Sectio), als nicht aufgenommen betrachten?


    Viele Grüße


    Medman2

    Einmal editiert, zuletzt von medman2 (23. Januar 2017 um 15:21)

  • Hallo Medman2,

    Ich habe nicht nachgezählt, wie oft das Wort "nach" in dem von Ihnen verlinkten BSG-Urteil vorkommt und ob es immer zeitlich gemeint ist. Im $39 ist es jedenfalls eindeutig zeitlich zu verstehen, oder?

    Ihr letztes Beispiel mit der Reanimation ist natürlich sehr eindrücklich und zeigt auch die Grenzen der Definition der Aufnahmeuntersuchung im Einzelfall auf. Trotzdem bin ich überzeugt, dass ein "administrativer Aufwand" beim Durchziehen der KV Karte vor keinem Sozialgericht Bestand haben wird.
    Im Ausgangsbeispiel vom Münsterländer waren gerade vital bedrohte Patienten als unstrittig stationär herausgenommen worden. Wir diskutieren hier stattdessen Fälle, in denen die Notwendigkeit einer vollstationären Aufnahme zunächst völlig ungewiss ist.
    Insofern überzeugt mich Ihre Argumentation diesmal nicht richtig- zumal auch andere Diskutanten schon Probleme mit der Akzeptanz formuliert haben.

    Mit freundlichen Grüßen

    Breitmeier

  • Hallo Herr Breitmeier,

    Entschuldigung, da habe ich mich offenbar missverständlich ausgedrückt. Ich meinte nicht, wie häufig das Wort "nach" in dem Urteil vorkommt. Ich habe ganz allgemein formuliert, "nach Aussage des ... ". Dies bezog sich auf Ihre Äußerung "Nach beschreibt eine zeitliche Abfolge", die ich als grundsätzliche Feststellung verstanden habe.
    Da sind wir jetzt einen Schritt weiter, dass "nach" nicht grundsätzlich eine zeitliche Abfolge beschreibt (siehe auch hier).

    Auch für die Formulierung in § 39 SGB V ist das für mich keineswegs zwingend als zeitliche Abfolge zu verstehen (analog meinem Eingangsbeispiel). Ich verstehe das "nach" im Sinne von "gemäß".

    Ihre oben vorgeschlagene Alternative entsprechend meinem Verständnis ("bei Prüfung") stört mein Sprachempfinden. Ich würde hier alternativ "gemäß" verwenden, dann ist die Sache rund.

    Wenn ich versuche, den Originalsatz in Ihrem Sinne mit "nach" als zeitliche Abfolge zu formulieren, bekomme ich das nicht hin:

    • Original: "Versicherte haben Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus (§ 108), wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann."

    Versuchen Sie das doch mal ;)

    Viele Grüße

    Medman2

    Einmal editiert, zuletzt von medman2 (24. Januar 2017 um 20:45)

  • Hallo,

    beispielsweise im hessischen Landesvertrag nach §112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V heißt es zwar in §3 Abs. 5: "Vor Aufnahme des Patienten wird vom Krankenhausarzt entschieden, welche Behandlungsform notwendig und ausreichend ist (Erstuntersuchung)", womit sicher eindeutig eine zeitliche Abfolge gemeint ist. Allerdings heißt es in §4 Abs. 1 dann: "Die Erstuntersuchung ist Teil der jeweiligen Krankenhausbehandlung", womit nach meinem Verständnis in dem Falle, dass nach (sowohl "gemäß" als auch zeitl.) der Erstuntersuchung eine stationäre Aufnahme erforderlich ist, diese Aufnahme dann auf den Zeitpunkt der Erstuntersuchung vorverlegt wird.

    Diese Auslegung (und Diskussion) bringt uns jedoch im vorliegenden Beispielfall von "Der Münsterländer" nicht wirklich weiter, weil nach seinen Angaben der Arztkontakt und damit auch die Aufnahmeuntersuchung erst nach Mitternacht stattfand.

    Gruß

  • Guten Abend zusammen,

    wie würde denn die Diskussion geführt werden, wenn der Patient kurz vor Mitternacht bereits behandelt wird und die Karte erst nach Mitternacht von "Hilfskräften durchgezogen worden wäre?"

    Vom Behandlungsablauf her wäre es logisch, das die Behandlung schon vorher begonnen hätte. Diese Behandlung stellt eine Entscheidung zur Aufnahme dar, würde dann der Tag davor im Nachhinein anerkannt werden bei einer Begutachtung? Wäre dann nicht der dokumentierte Aufnahmezeitpunkt der der administrativen Aufnahme?

    Da vital bedrohte Patienten mitnichten immer als stationäre Fälle anerkannt werden ist das angegebene Szenario mit der Reanimation sehr berechtigt.

    Bei dem Arbeitsaufkommen jetzt auch noch zu erwarten, Entscheidungen auf die Minute genau mit Zeitangaben zu dokumentieren, finde ich nicht praktikabel und auch nicht vermittelbar.

    MfG Karla

  • Guten Abend zusammen,

    wie würde denn die Diskussion geführt werden, wenn der Patient kurz vor Mitternacht bereits behandelt wird und die Karte erst nach Mitternacht von "Hilfskräften durchgezogen worden wäre?"

    Nach meinem Verständnis wäre dann natürlich auch in Ihrem Beispiel der Behandlungsbeginn entscheidend und nicht der Zeitpunkt des Einlesens der KV-Karte. Es könnte ja auch sein, dass der Pat. Diese Karte vergessen hat und sie erst Tage später durchgezogen wird. Es geht mir um medizinische Behandlung, ärztliche Untersuchung usw., eben nicht um administrative Hilfsarbeiten.

    @ Medman2 : Ich muss konstatieren, dass wir ein unterschiedliches Sprachverständnis haben. Ich finde nicht, dass man im $ 39 das ominöse Wort " nach" am Besten durch "gemäß" ersetzen kann. Vielmehr passt m.E. Z.B die Formulierung " im Anschluss an die Prüfung" oder auch: " nach erfolgter Prüfung".
    Aber ich glaube wie GW, dass das nur Wortklauberei ist. Entscheiden muss das im Zweifelsfall sowieso ein Sozialrichter.

    Mit freundlichen Grüßen

    Breitmeier