Hauptdiagnose bei term. Niereninsuffizienz mit Überwasserung und Hypertonie

  • Liebe Forumsmitglieder,

    ich bitte um Ihre Einschätzung der Hauptdiagnose bei folgender Fallkonstellation:

    ein terminal niereninsuffizienter und chronisch dialysierter Patient wird mit hypertensiven Blutdruckwerten aufgenommen. In der Echokardiographie finden sich Zeichen einer hypertensiven Herzkrankheit, eine EF von 50%, geringe Pleuraergüsse. Therapeutisch durchgeführt wird eine Hämofiltration mit Wasserentzug.

    Die hypertensiven Blutdruckwerte werden, auch MDK-seitig, als Ausdruck einer Überwässerung, bewertet.

    Welche Hauptdiagnose würden Sie kodieren?

    Vorab herzlichen Dank für Ihre Einschätzung und einen guten Rutsch.

    Pseudo

  • Hallo Pseudo,

    gleich ein schwieriges Problem zum Jahresanfang :) Ich werfe mal E87.7 als Vorschlag in die Runde. Der Flüssigkeitsüberschuss steht natürlich in kausalem Zusammenhang mit der Niereninsuffizienz, ist aber wahrscheinlich auch durch eine unter den gegebenen Umständen zu hohe Flüssigkeitsaufnahme bedingt und daher mehr als ein Symptom der Niereninsuffizienz. Es hängt wohl davon ab, ob man die Überwässerung als Symptom der Grunderkrankung Niereninsuffizienz auffassen will oder nicht. Wenn ja, dann N18.5 als Hauptdiagnose (und R60.0/1 oder E87.7 als Nebendiagnose), andernfalls E87.7.

    Schöne Grüße und alles Gute im neuen Jahr,
    B. Liebermann

  • Hallo Herr(?) Liebermann,

    vielen Dank für Ihre Antwort.

    Ich sehe es im Grunde wie Sie. Die E87.7 als HD ergibt die Fehler-DRG 961Z (unzulässige Hauptdiagnose). Ich würde die Überwässerung als Folge der Niereninsuffizienz einstufen und daher die N18.5 präferieren.

    Gibt es andere Meinungen?

    Viele Grüße

    Pseudo

  • Hallo,

    für mich wäre die HD hier die terminale Niereninsuffizienz. Die Überwässerung ist ein Zeichen einer nicht ausreichenden Dialyse (möglicherweise auch nur relativ gesehen, weil der Pat. zu viel Flüssigkeit zu sich genommen hat). Die vorgeschlagenen Überwässerung ist ja auch - wie bereits beschrieben - nicht als HD zulässig.

    Gruß
    B.W.

  • Hallo Pseudo,

    gehe ich recht in der Annahme, dass der MDK den entgl. Hypertonus als HD möchte? Argumentieren Sie doch mit "konkurrierenden Hauptdiagnosen". Der Ressourcenverbrauch lag seitens der Terminalen Niereninsuffizienz. Somit ist für mich ebenfalls N18.5 = HD.


    "Wenn zwei oder mehrere Diagnosen in Bezug zu Aufnahme, Untersuchungsbefunden und/oder der durchgeführten Therapie gleichermaßen die Kriterien für die Hauptdiagnose erfüllen und ICD‑10-Verzeichnisse und Kodierrichtlinien keine Verschlüsselungsanweisungen geben, muss vom behandelnden Arzt entschieden werden, welche Diagnose am besten der Hauptdiagnose-Definition entspricht. Nur in diesem Fall ist vom behandelnden Arzt diejenige auszuwählen, die für Untersuchung und/oder Behandlung die meisten Ressourcen verbraucht hat. Hierbei ist es unerheblich, ob die Krankheiten verwandt sind oder nicht."


    Ganz wichtig: Kausalketten sind außerhalb des Kreuz -Stern-Systems nicht zulässig


    1. Ätiologie- und Manifestationsverschlüsselung: „Kreuz - Stern- SystemXE "Kreuz - Stern - System" \f sw
    Schlüsselnummernfür ÄtiologieXE"Ätiologie: - Kodierung" \f sw (zugrunde liegende Ursache)werden durch das Kreuz-Symbol (†) und ManifestationXE "Manifestation: - Kodierung"\f sws-Schlüsselnummerndurch das Stern-Symbol (*) gekennzeichnet. Zu kodieren ist in derselben Reihenfolge, in der sie im Alphabetischen Verzeichnis oderim Systematischen Verzeichnis der ICD‑10‑GM erscheinen[/b], d.h. dieÄtiologie-Schlüssel­nummer, gefolgt von der Manifesta­tions-Schlüsselnummer.

    Diese Reihenfolge für dieÄtiologie-/Manifestationsverschlüsselung gilt nur für das Kreuz-/Stern-System.Die Hauptdiagnosenregelung der DKR D002 erfährt somit außerhalb derKreuz-/Stern-Systematik in Bezug auf die Reihenfolge vonÄtiologie-/Manifestationskodes keine Einschränkung.



    Das wird auch so vom MDK in seinen Kommentierten Kodierrichtlinien vertreten.


    \"[...] \"Kausalketten\" spielen damit bei der Wahl der Hauptdiagnose - außerhalb des Kreuz-Stern-Systems - keine Rolle. Die stationäre Aufnahme zur Behandlung einer dekompensierten Rechtsherzinsuffizienz die auf dem Boden eines Cor pulmonale, das wiederum durch eine pulmonale Hypertonie entstanden ist, die auf den zugrunde liegenden Krankheitsprozess Sklerodermie zurückgeführt werden kann, kann nicht zur Sklerodermie als Hauptdiagnose führen. [...]\"
    Baumann Fachverlage


    Liebe Grüße und ein gesundes Neues Jahr! :)

  • Hallo Herr Pötsch,

    vielen Dank für Ihren ausführlichen Beitrag. Das mit den Kausalketten ist mnemotechnisch gut formuliert.

    Ich habe gleichwohl immer wieder Schwierigkeiten, die Hauptdiagnose für den Patienten zu finden, der mit erheblichen Schmerzen aufgrund einer chemischen Peritonitis bei Magenperforation stationär aufgenommen wird 8|

    Viele Grüße

    Pseudo

  • Hallo,
    in Frage kommen die I50.14 und die N18.5. Der Hypertonus scheidet als HD aus, da eine hypertensive HKH vorliegt und deshalb die I50. vorrangig anzugeben ist. Und dann würde ich auch mit konkurrierenden Hauptdiagnosen und dem damit verbundenem Ressorcenverbrauch argumentieren.

    Herzliche Grüsse aus Mittelfranken
    E. Horndasch

  • Hallo Herr Pötsch,

    vielen Dank für Ihren ausführlichen Beitrag. Das mit den Kausalketten ist mnemotechnisch gut formuliert.

    Ich habe gleichwohl immer wieder Schwierigkeiten, die Hauptdiagnose für den Patienten zu finden, der mit erheblichen Schmerzen aufgrund einer chemischen Peritonitis bei Magenperforation stationär aufgenommen wird 8|

    Viele Grüße

    Pseudo

    Hallo Pseudo,

    auch hier gilt: Konkurrierende Hauptdiagnosen mit höchstem Ress.-verbrauch. Hier noch einmal den vollständigen Kommentar des MDK-Baden-Württemberg (KU Sonderheft DKR mit MDK-Kommentar) kommentiert durch Dr. med. Hans-Urlich Euler (Ärztlicher Consultant/Referent im Geschäftsbereich Krankenhaus MDK Hessen) und Dr. med. Peter Dirschedl (Leiter Bereich Medizinische Versorgungs- und Vergütungsstrukturen MDK Ba-Wü.)

    http://www.lehmanns.de/shop/medizin-p…mentierung-2016


    Kommentar:
    In der ICD findet sich im Regelwerk eine generelle Regelung zur Reihenfolge von Kodes im Rahmen des "Kreuz-Stern-Systems" zur Verschlüsselung der Ätiologie (zugrunde liegender Krankheitsprozess) und der Manifestation in einer bestimmten Körperregion. Diese Regelung gilt nur für das Kreuz-Stern-System mit seinen dazu gehörigen Kreuz- und Stern-Schlüsselnnummern. In allen anderen Fällen ist die Hauptdiagnose gemäß der Definition in DKR D002 Hauptdiagnose zu verschlüsseln. "Kausalketten" spielen damit bei der Wahl der Hauptdiagnose - außerhalb des Kreuz-Stern-Systems - keine Rolle. Die stationäre Aufnahme zur Behandlung einer dekompensierten Rechtsherzinsuffizienz auf dem Boden eines Cor pulmonale, das wiederum durch eine pulmonale Hypertonie entstanden ist, die auf den zugrunde liegenden Krankheitsprozess Sklerodermie zurückgeführt werden kann, kann nicht zur Sklerodemrie als Hauptdiagnose führen. Hauptdiagnose ist gemäß DKR D002 in diesem Fall die Rechtsherzinsuffizienz.


    Ein weiteres Beispiel:
    - Stationäre Aufnahme eines an Schlafapnoe erkrankten Patienten zur Operation einer Septumdeviation und der Intention, mit dem operativen Eingriff die Schlafapnoe zu beseitigen:
    Hauptdiagnose: Schlafapnoe


    Das gilt nicht für die Zuordnung eines Symptoms zur Grunderkankung, entspr. D002 (subjektive oder objektive Krankheitszeichen/-beschwerden wie Husten, Fieber, Schmerzen aller art etc.).


    Liebe Grüße

    2 Mal editiert, zuletzt von S.Poetzsch (5. Januar 2016 um 10:11)

  • Hallo Herr Poetzsch,
    auch wenn wir uns von der Ausgangsfrage entfernen, leider ist die Problematik mit der Rückweisung von Kausalitätsketten nicht komplett zu lösen:

    • Ist die chemische Peritonitis, die die Schmerzen bereitet und den Patienten ins Krankenhaus treibt, ein eigenständiges Krankheitsbild? Ja schon, gleichwohl würden Sie das perforierte Magenulkus als Hauptdiagnose wählen.
    • Ist das Kammerflimmern ein eigenständiges Krankheitsbild? Oder ist der zugrunde liegende Herzinfarkt die Hauptdiagnose? Ich denke, wir entscheiden uns beide für den Infarkt.
    • Im konkreten Fall bietet die Argumentation über den Ressourcenverbauch einen Aus-/Umweg. Handelt es sich beim Hypertonus durch Überwässerung überhaupt um einen "echten" Hypertonus? Ist das ein eigenständiges Krankheitsbild, ist die Überwässerung ein eigenständiges Krankheitsbild? Und wenn die Überwässerung als Hauptdiagnose nicht zulässig ist, nehme ich dann die Folge oder die zugrunde liegende Erkrankung? Das Votum der Teilnehmer ist relativ eindeutig.

    Viele Grüße

    Pseudo