MDK hinterfragt die medizinische Indikation der Komplexbehandlung Schlaganfall 8-981.1

  • Guten Morgen,
    lassen Sie mich mal des Teufels Adovkat spielen.
    Ich kann mir mitunter schon vorstellen, dass die Behandlungsdauer auf der Stroke Unit hinterfragt werden muss.

    So ist es in nicht wenigen Fällen auffallend, dass genau nach Überschreiten der 24 bzw. 72 Stunden egal ob TIA oder Hirninfarkt das therapeutische Ziel erreicht wurde und der Patient auf Normalstation verlegt wird. Dies nicht selten auch nachts um 2 oder 3 Uhr. Wenn - wie von Margherita angeführt - ein neuer Notfall wartet, kann dies nicht der Grund sein, bei einer erforderlichen Überwachungs- bzw. Behandlungsnotwendigkeit den Patienten zu verlegen, gerade wenn die Versorgung auf Normalstation nicht so umfangreich möglich ist.

    Ebenso fällt auf, dass bei anderen Komplexbehandlungen insbesondere auch bei der geriatrischen Komplexbehandlung, die notwendigen Fristen gerade eben überschritten werden.

    Es muss daher schon erlaubt sein, dies gelegentlich zu hinterfragen.

    Viele Grüße

    Dr. Frank Holzwarth
    FA für Chirurgie / Notfallmedizin
    Medizincontrolling

  • Guten Abend,

    (was so ein paar Kassenanfragen doch auslösen können....)

    das apparative Monitoring auf der Stroke über 2 bis 3 Tage ist für schwerer oder schwer betroffene Patienten von Vorteil, um Komplikationen aufzudecken und frühzeitig eine entsprechende Behandlung einzuleiten.

    Für leicht betroffene Patienten konnten keine Vorteile durch das apparative Monitoring länger als 24h nachgewiesen werden. Der Kreis der von einem längeren apparativen Monitoring profitierenden Patienten ist, im Vergleich zur gesamten Gruppe der von einer akuten Ischämie Betroffenen, eher klein. Und dieser Kreis hat sich durch die in den letzten Jahren aufgekommene Therapie mit Lyse und Thrombektomie weiter verkleinert.

    Es gibt deshalb nach den Guidelines medizinisch keinen Grund, den Großteil der Schlaganfallspatienten über mehr als 72h auf der Stroke Unit zu überwachen. Ökonomisch ist das ein Problem, da bei gleicher Patientenzahl und verringerter Liegedauer bei einer durchschnittlichen Stroke Unit übers Jahr schnell ein Defizit von mehreren Millionen € auflaufen könnte, wenn die Bezahlung nach dem bisherigen Schema weiter laufen sollte. Wenn jetzt die Kostenträger anfangen, die üblichen 72 Stunden und 5 Minuten - Überwachungen zu hinterfragen, dann müssen hier Organisations- und Kostenstrukturen auf den Prüfstand.

    Die "traditionelle" Stroke Unit mit 6 Betten in einer abgeschlossenen Einheit zur dauerhaften Ableitung von EKG, Blutdruck, Puls und Temperatur hat Revisionsbedarf!

    Und das Bezahlschema gehört mit auf den Prüfstand.

    Gruß

    W.

  • Eine letzte Rückmeldung meinerseits hierzu. Lassen Sie es mich so formulieren:
    Nach derzeitiger Einschätzung und bestehender Leitlinie besteht bei einem Pat. mit akutem Schlaganfall die Indikation zur Aufnahme auf eine Stroke Unit. Wenn dort die Komplexbehandlung - ob >24h oder > 72h korrekt durchgeführt wurde darf diese auch kodiert und abgerechnet werden. Diese teure und personalintensive Leistung ist zurecht erlösrelevant. Komplikationen nach Schlaganfall wie rekurrente oder progrediente Insulte, kardiovaskuläre Ereignisse und Infektionen treten eben mit größerer Häufigkeit in der Frühphase des Schlaganfalles auf, was Zeitgrenzen erklärt. Dazu noch der Fokus auf die frühen rehabilitativen Maßnahmen.
    Auch auf einer chirurgischen Intensivstation wird sicherlich auch regelrecht kein Patient mitten in der Nacht auf Normalstation verlegt, der -bei weiterhin stabilem Verlauf- für den nächsten Vormittag geplant war. Wenn ein Bett benötigt wird muss eben entschieden werden, welcher Patient am ehesten auf Normalstation verlegt werden kann, da die Ressourcen leider begrenzt sind. Dass 72 h 5 Min üblich oder in deutschen Krankenhäusern die Regel ist halte ich für höchst zweifelhaft, das sind meiner Erfahrung nach dann wie gesagt die Fälle mit "Außenwirkung", da hier überprüft wird, ob sich die 5minütige Überschreitung der Zeitgrenzen auch wirklich nachweisen lässt. Die oben genannte zunehmende Überprüfung auf Indikation für die 8-981 durch den MDK spricht meiner Meinung nach für eine sehr gute Dokumentationsqualität der 8-981.

  • Vielen Dank für die ausführlichen und zum Teil sehr hilfreichen Kommentare. Für mich hat das Hinterfragen der medizinischen Indikation durch den MDK eine ganz neue Qualität der bisherigen Prüfverfahren! Im Moment betrifft es anscheinend nur nicht schneidende Fächer, aber man stelle sich vor der MDK nähme sich die Freiheit auch die Indikationsstellung für Operationen zu hinterfragen....

    Hallo klore,

    ersetzen Sie mal bitte das Wort Indikation durch Notwendigkeit und Dauer (das kennt man ja schon von der Fragestellung der Fehlbelegung), das trifft es vielleicht genauer. Der MDK stellt fest, dass es (nach den aktuellen Leitlinien bzw. Empfehlungen der Fachgesellschaften) nicht medizinisch notwendig war den Patienten > 72h auf der stroke zu belassen. Klingt nachvollziehbar(er).

    @ Margherita: es fällt halt dem MDK und den Kostenträgern auf, wenn in einer Klinik alle Patienten mit Apoplex oder TIA >72h auf der stroke verbleiben. Das mag halt Leitlinie einer einzelnen Klinik/Abteilung sein, entspricht aber nicht den o.g. Leitlinien. Hier scheint dann eher doch die Ökonomie Vorrang zu haben.

    Ich gebe Willis vollkommen Recht, die Vergütung der B69/B70 gehört auf den Prüfstand (u.a. auch die teilweise Zuordnung zur Verlegungsfallpauschale).
    Gruß
    zakspeed

    • Offizieller Beitrag

    Guten Tag

    Siehe auch:

    „Zwischen den Kliniken gibt es enorme Qualitätsunterschiede:Den kleinen Krankenhäusern auf dem Land fehlt es an Apparaten und anFachwissen, um Schlaganfall-Patienten optimal zu behandeln.

    Trotzdem landen 40 Prozent der Patienten in solchen nichtspezialisierten Krankenhäusern. Ein Grund: Die Spezial-Kliniken, soganannteStroke Units, sind ungleich verteilt, gerade in Flächenländern sind sie nichtimmer erreichbar. Und: Wirtschaftlicher Druck sorgt dafür, dass kleine Klinikendie lukrativen Schlaganfall-Patienten behalten, statt sie an Stroke Unitsabzugeben.“

    http://www.swr.de/report/warum-s…e4il/index.html


    Gruß

    Eberhard Rembs

  • Liebe Margherita,

    Sie schreiben: "Komplikationen nach Schlaganfall wie rekurrente oder progrediente Insulte, kardiovaskuläre Ereignisse und Infektionen treten eben mit größerer Häufigkeit in der Frühphase des Schlaganfalles auf, was Zeitgrenzen erklärt."

    Das ist, wie oben schon mal ausgeführt, nicht korrekt. Die Zeitgrenzen der Abrechnungsintervalle leiten sich nicht aus statistischen Daten ab, sondern letztendlich von dem Design einer holländischen Studie. Es sind mit den Jahren umfangreiche Analysen erstellt worden über Komplikationen, Gefährdungspotentiale und den sinnvollen Umgang damit. Die Literatur ist für Sie aufgearbeitet worden in den AHA/ASA Guidelines 2013. Nach 10 Jahren Stroke Units mit apparativem Monitoring kommen die Autoren darin zu der Ansicht, daß alle Patienten mit frischem Schlaganfall kurzfristig auf der Stroke überwacht werden sollten und daß für einen Teil der Patienten eine Überwachung für 48h sinnvoll ist. Progrediente Insulte sind selten, kardiovaskuläre Ereignisse noch seltener. Zudem kann die Patientengruppe, in der Komplikationen zu erwarten sind, gut eingegrenzt werden. Die Schätzung der Komplikationen aus den AHA/ASA Guidelines wird in Deutschland ausweislich der Statistiken in den Registern deutlich unterboten. Laut Statistik Nordrhein 2013 lagen die Patienten dort im Mittel 2,9 Tage auf der Stroke Unit, und dabei hatten 85% Null Komplikationen. Als häufigste Komplikation wird dort dann die Pneumonie ausgewiesen.

    Eine gute Versorgung von Patienten mit Schlaganfall beginnt weit vor den Mauern der Stroke Unit, und die Fähigkeit zur Lyse-Therapie bzw Thrombektomie hat den Behandlungsablauf deutlich verändert und das Outcome erheblich gebessert. Vorn, in den ersten Stunden, entscheidet sich sehr viel. Stunde 72 auf der Stroke ist nur für wenige Patenten relevant. Und trotzdem bleibt ein erheblicher Anteil der Patienten dort für mehr als 72h. 72h und 5 Minuten sind natürlich pointiert. Es können durchaus auch mal 10 Minuten sein. Eine rein medizinische Erklärung für diese Auffälligkeit habe ich nicht gefunden. Ich erwarte, daß der zunehmende äußere Druck zu einer Absenkung der mittleren Verweildauer auf der Stroke führen wird und letztlich zu einem Überdenken der Vergütungsstrukturen.


    Gruß

    W.

  • Hallo Zusammen,
    ich häng mich mal hier ran, da meine Frage sich auf die neurol. Komplexbehandlung bezieht.
    Und zwar ist es eher eine technische Frage. bei uns im haus gibt es aktuell Streit mit einer KK, da unser Kodierer die einzelnen Komponenten der Komplexbehandlung nicht extra mitkodiert (Monitoring, Sono, EEG...). Er ist der Meinung, das diese OPS ja im OPS der Komplexbehandlung integriert sind und daher nicht separat kodiert werden müssen. Die Kasse sieht das anders und ich zweifle auch etwas, da ich finde, dass die Kasse ja auch beurteilen können muss, ob die Mindestmerkmale erfüllt werden.
    Wie handhaben Sie das in Ihren Häusern? Gibt es irgendwo einen Passus, auf den man sich stützen kann, bzw der es klar stellt?
    Vielen Dank im Voraus

  • Gibt es irgendwo einen Passus, auf den man sich stützen kann

    Hallo,
    die Deutschen Kodierrichtlinien (P001f)
    Alle signifikanten Prozeduren, die vom Zeitpunkt der Aufnahme bis zum Zeitpunkt der Entlassung vorgenommen wurden und im OPS abbildbar sind, sind zu kodieren. Dieses schließt diagnostische, therapeutische und pflegerische Prozeduren ein.
    Es ist besonders wichtig, dass alle signifikanten und kodierbaren Prozeduren, einschließlich traditioneller „nicht-chirurgischer“ Prozeduren verschlüsselt werden.


    Die Komplexkodes werden ja mit dem Aufnahmedatum, bzw. dem Beginn des OPS kodier. Das EEG kann ja später gemacht werden, so dass auch ein anderes Datum als das Datum des Komplexkodes anzugeben wäre.

    Herzliche Grüsse aus Mittelfranken
    E. Horndasch