Anforderung einer medizinischen Begründung wegen Überschreitung der voraussichtlichen Verweildauer - Anfrage nach Entlassung

  • Liebe Mitstreiter,

    eine bestimme Kasse hat es sich zur Angewohnheit gemacht, bei einigen Fällen bei denen die voraussichtliche Verweildauer überschritten wurde, nach Entlassung eine med. Begründung anzufordern. Auch meiner Sicht möchte die Kasse nur das reguläre Prüfverfahren umgehen.
    Ist es rechtlich korrekt, dass wir die Anfrage bearbeiten müssen, oder können wir mit dem Verweis auf das reguläre Prüfverfahren die Antwort verweigern?

    Ich danke vorab!

  • Hallo!

    Das hängt davon ab, ob die PrüfvV die Regelungen der 112er Verträge aushebelt und in welchem Bundesland Sie tätig sind. Ich denke aber als Nicht-Jurist, dass die Regelungen der Landesverträge weiterhin Gültigkeit besitzen.

    In Westfalen Lippe gilt z.B.

    Vertrag gemäß § 112 Abs. 2 Nr. 2 SGB V


    (1)
    stationären Krankenhausbehandlung. Besteht aus Sicht der Krankenkasse in Einzelfällen

    Anlaß, die Notwendigkeit und Dauer der stationären Behandlung zu überprüfen, so kann die
    Krankenkasse vor Beauftragung des Medizinischen Dienstes unter Angabe des
    Überprüfungsanlasses eine Stellungnahme des Krankenhauses zu einzelnen Behandlungsfällen
    anfordern. Das Krankenhaus erläutert die Notwendigkeit der stationären Behandlung
    (Kurzbericht nach Muster der Anlage 1). Ergibt sich aus Sicht der Krankenkasse das
    Erfordernis einer ärztlichen Überprüfung, so kann sie in geeigneten Fällen die Notwendigkeit
    und Dauer der Krankenhausbehandlung durch Ärzte, die für den Medizinischen Dienst tätig
    sind, überprüfen lassen. Die §§ 275 ff. und 283 SGB V bleiben hiervon unberührt

    Die Anforderungen von Kurzberichten ist aber nur noch in wenigen 112er Verträgen geregelt. Es kommt auf den bei Ihnen zutreffenden Vertrag an. Insgesamt wird diese Möglichkeit auch wenig genutzt.
    Die Handlung der Kasse eröffnet Chancen und Risiken, je nachdem. Wenn die Kurzberichte Ihrerseits plausibel sind (keine pauschalen Sätze) und die Kasse dann nicht doch noch den MDK einschaltet, dann ist das eine schnelle und für beide Seiten ressourcensparende Arbeit. Es minimiert dann auch das Risiko der Verfristung.
    Wie immer im Verhältnis zwischen den Parteien kommt es hier darauf an, wie das Verhältnis sich darstellt. In einem partnerschaftlichen Umgang miteinander kann dieses Verfahren durchaus als "Vorverfahren" gesehen werden. Natürlich gibt es hier "gute und böse Buben". ;)

    Viele Grüße
    S.Koch

  • Wertes Forum,

    vorausgesetzt daß im Landesvertrag nach § 112 SGB V nichts anderes geregelt ist, gibt es meiner Ansicht und Recherche nach nur zwei erlaubte Gründe für das Anfordern für Medizinische Begründungen über §-301-Austausch: (1) Operationen als Teil des Kataloges für ambulante Operationen; (2) Überschreitung der voraussichtlichen Verweildauer. Die Krankenkassen interessieren sich aber mehr für die Überschreitung der oGVD und nehmen die Überschreitung der voraussichtlichen Verweildauer ersatzweise als Anlaß, was MD-Prüfungen umgeht und lästig ist. Ich bin der Ansicht, daß es nach Entlassung ohnehin keine voraussichtliche Verweildauer mehr gibt, sondern nur noch eine faktische. Anfragen müssen also im laufenden Fall gestellt werden. Sicherheitshalber sollte die voraussichtliche Verweildauer aber offensiv gewählt werden. Was denken die Kolleginnen?

    Beste Grüße

    Johannes Nebe

  • Hallo J. N.,

    ja, es ist zu befürchten, dass neben "sachl.-rechn." auch sämtliche anderen vermeintlichen Prüfqualtiäten herangezogen werden, um die Beschränkung der Prüfquoten zu umgehen.

    In der Regel besteht eine Obliegenheit oder Mitwirkungspflicht, jedoch ist zu vermeiden, die aktuell gütligen Datenschutzbestimmungen auszuhebeln.

    Und insbesondere die aus den 90er Jahren stammenden Landesverträge genügen dahingehend keinerlei rechtlichem Anspruch.

    Somit ist eine Beantwortung von Kurzberichten, die einem Kostenträger tatsächlich Aufschluss über relevante Fragen gibt, nicht möglich. Das würde in den meisten Fällen über die 301er Daten hinaus eine Erörterung medizinischer Inhalte erfordern, die unter o. a. Aspekten schlichtweg auf diesem Wege nicht erlaubt sind.

    Kurzum: wir beantworten solche Anfragen nur noch mit nichtssagenden Allgemeinplätzen (Mitwirkungspflicht!) und verweisen ansonsten auf die Datenschutzbestimmungen und regen eine persönliche Schweigepflichtentbindungserklärung des Versicherten oder eine Prüfung gem. §275 SGB V an.

    Mit einem großen Kostenträger versuchen wir gerade, das Thema dieser absurden, auf beiden Seiten unnötige Ressourcen verbrennenden Kurzberichte auf generellem Wege zu klären.

    Beste Grüße

    geoff

  • Wertes Forum,

    vorausgesetzt daß im Landesvertrag nach § 112 SGB V nichts anderes geregelt ist, gibt es meiner Ansicht und Recherche nach nur zwei erlaubte Gründe für das Anfordern für Medizinische Begründungen über §-301-Austausch: (1) Operationen als Teil des Kataloges für ambulante Operationen; (2) Überschreitung der voraussichtlichen Verweildauer. Die Krankenkassen interessieren sich aber mehr für die Überschreitung der oGVD und nehmen die Überschreitung der voraussichtlichen Verweildauer ersatzweise als Anlaß, was MD-Prüfungen umgeht und lästig ist. Ich bin der Ansicht, daß es nach Entlassung ohnehin keine voraussichtliche Verweildauer mehr gibt, sondern nur noch eine faktische. Anfragen müssen also im laufenden Fall gestellt werden. Sicherheitshalber sollte die voraussichtliche Verweildauer aber offensiv gewählt werden. Was denken die Kolleginnen?

    Beste Grüße

    Johannes Nebe

    Hallo Herr Nebe,

    wo lesen Sie denn den genannten Grund (1) heraus?

    In den Durchführungshinweisen zum §301 steht im Punkt 1.3.2 ANFM (Anforderungssatz medizinische Begründung, d.h. von KK an KH):

    der Anforderungssatz medizinische (s.u.) Begründung kann von der Krankenkasse an das Krankenhaus übermittelt werden, wenn die voraussichtliche Dauer der Krankenhausbehandlung überschritten wird.

    auch unter Punkt 1.2.3 MBEG (Medizinische Begründung, d.h. von KH an KK) steht nur:

    Die Medizinische (Anm: tats. hier groß geschrieben, s.o.) Begründung ist vom Krankenhaus auf Verlangen der Krankenkasse zu übermitteln, falls die voraussichtliche Dauer der Krankenhausbehandlung überschritten wird.

    Nichts anderes (darf man groß oder klein schreiben ;)) ist (eigentlich) über diesen Kommunikationsweg zu übermitteln. Sie meinen vermutlich die Pflicht nach dem AOP-Vertrag eine medizinische Begründung für eine Leistung aus dem Katalog zu liefern. Dafür ist aber ANFM und MBEG über den §301 nicht gedacht.

    Die Praxis lehrt jeden Tag Abweichungen von dem Vorgehen. Aber wenn es Überhand nimmt: weisen Sie konsequent auf die Vorgaben des §301 hin, das tun Kassen nämlich auch ganz gern (z.B. beim Thema der laufenden Nummer Geschäftsvorfall).

    Gruß

    zakspeed

  • Hallo,

    zu dem Vorschreiber möchte ich anfügen, dass wir per ANFM teilweise Rückmeldungen im Nachverfahren erhalten - soviel also zu den Abweichungen von den Vorgaben. Die Probleme mit der laufenden Nummer haben wir allerdings auch. :(

    Freundliche Grüße aus der Lausitz

    Cyre

  • Vielen Dank, zakspeed, für den Hinweis. Da habe ich wegen der Verpflichtung zur Begründung bei an sich ambulanten Operationen die Übermittlung per MBEG vielleicht zu bereitwillig akzeptiert. -- Leider ist aber noch niemand auf die Frage eingegangen, ob die in § 301 gestattete Nachfrage nach Überschreiten der voraussichtlichen Verweildauer auch nach Entlassung noch statthaft ist, wenn es der Logik nach keine voraussichtliche Verweildauer mehr gibt, sondern nur noch eine tatsächliche. Viele Grüße Johannes Nebe

  • Hallo,

    ich glaube ein Zeitkriterium ist nirgends festgehalten, daher kann es die Kasse wohl auch nach Entlassung noch tun. Ich verweise dann immer auf den Entlassdatensatz, den sie ja schon erhalten haben und Informationen die über die Daten des §301 hinausgehen darf die Kasse ja ohnehin nicht erhalten.

    Bei Nichtbeantworten verweigern die Kassen ggf. die 300€ Aufwandspauschale, sollte dann eine MD-Prüfung folgen. Einer solcher Fälle aus unserem Hause liegt derzeit beim Rechtsanwalt.

    Ich habe mich nach Einführung der DSGVO mit der BKG und unserer Datenschutzbeauftragten des Bezirks sowie der Klinikleitung in Verbindung gesetzt. Wir übermitteln mit einem Standardtext ausschließlich die relevanten ICD-Diagnosen sowie relevante OPS-Codes. Mittlerweile sind Anfragen daher bis auf einen kleinen hartnäckigen Prozentsatz gegen 0 gegangen.

    VG