Konsequent klagen

  • Guten Abend Zusammen,

    ich stelle mir oft die Frage, ob es da draußen in den Krankenhäusern Kollegen gibt, die mit einer konsequenten Klagestrategie jeden Verrechnungsfall bzw. jedes strittige MDK Gutachten sofort einklagen und gleichzeitig erfolgreich sind?

    Gerne würde ich bei einigen Krankenkassen so vorgehen, wo es an einer partnerschaftlichen und lösungsorientieren Zusammenarbeit mangelt. Das Problem ist jedoch, dass es an allen Ecken an den notwendigen Ressourcen (Zeit, Geld, Manpower etc.) fehlt. Das Resultat: faule Kompromisse.

    Meine Frage: Wie ist das Klageverhalten da draußen?

    Ich wünsche ein schönes Wochenende!

  • Hallo Medicos,

    meine Erfahrung ist, dass es nur wenige KHs gibt, die derart konsequent vorgehen. Es macht halt enorme zusätzliche Arbeit vorab die wirklich erfolgsversprechenden Fälle auszufiltern und verursacht erstmal nur Kosten - insbesondere wenn Anwälte tätig werden. Habe das für 2 KHs gemacht, mit unterschiedlichem Erfolg: Einzelne Kassen haben sehr schnell viele Anerkenntnisse abgegeben und ihr Prüfverhalten angepasst, andere meldeten sich dann und haben Paketvergleiche für die anhängigen Verfahren angeboten mit recht unterschiedlichen Quoten, wieder andere kämpfen bis zuletzt auch wenn es teilweise mehrere Monate dauert, bis die Erwiderungsschriftsätze vorliegen. Auch regionale Unterschiede können eine Rolle spielen. Wichtig ist auch, das MedCo und GF an einem Strang ziehen, teilweise haben da höhere Kassenvertreter versucht, auf GF-Ebene Druck zu erzeugen a la "pfeift euer MedCo zurück, sonst gibt es bei der nächsten Budget-Verhandlung kein Entgegenkommen". Als gezielte Maßnahme zur Disziplinierung kann es dann wirken (= mehrere Dutzend Fälle sammeln und alle gleichzeitig einreichen und danach jeden neuen direkt hinterfeuern, damit die Kasse mitbekommt, dass ein KH Ernst macht), allerdings ist die Halbwertszeit der danach erzielten Absprachen und Umgangsformen oftmals nicht allzu lang - was auch daran liegt, dass die Kassen unter großen Druck stehen, falls eine KK ein neues Spielfeld aufmacht und damit Erfolg hat, müssen die anderen nachziehen...

    Schönen Sonntag!
    RA Berbuir

  • Hallo in die Runde,

    unser Vorgehen:
    bei bei Verrechnung im Zshg. mit strittigen MDK-Stellungnahmen prüfen wir, ob mindestens eine realistische Chance auf vergleichsweise Regelung oder Gewinn des Verfahrens besteht.
    Die Kostenträger erhalten dann ein Ablehnungsschreiben zum Leistungsentscheid mit entspr. Begründung.
    Üblicherweise gehen sie nicht darauf ein, daraufhin wird dann (nach Verrechnung) konsequent geklagt.
    Natürlich ist das reichlich Aufwand, deswegen auch sorgfältiges vorheriges Abwägen ... aber in diesen Fällen geben uns die bisherigen Klageerfolge Recht.

    Unsere Meinung:
    Nun ist es ja nicht so selten, dass auf Grundlage definitiv fehlerhafter MDK-Stellungnahmen Leistungsentscheide der Kostenträger versandt werden, die somit nicht anzuerkennen sind. Bei guten Erfolgsaussichten in solchen Fällen sollte man u. E. also eine konsequente Klagestrategie fahren.
    Gerade haben wir aktuell an einem Verhandlungstag vor dem Sozialgericht hören müssen, dass beispielsweise die Mitarbeiter eines Kostenträgers angewiesen sind, Ablehnungen von Leistungsbescheiden mit entspr. medizinischer Begründung (vor der PrüfvV "Widerspruch") u n g e p r ü f t zu lassen.
    (Eine Erkenntnis, die sich jedem von uns bei fast allen Kostenträgern täglich präsentiert, hier mal vor dem SG "offiziell" ausgesprochen).

    Einem solchen Gebaren der Kostenträger muss etwas entgegengesetzt werden, leider geht dies derzeit nur durch Klage. Bevor sich die Gesetzeslage nicht ändert, haben wir als Klinik keine andere Chance.
    Im o. g. Fall wurde in gleichem Zuge von der Richterin der Unmut über diese unsinnige Klageflut geäußert, mittlerweile werden von ihr einfach Termine zur mündlichen Hauptverhandlung angesetzt, weil die Kostenträger mit ihren Klageerwiderungen nicht mehr hinterherkommen etc. .
    Es beginnt sich langsam ein Kollaps des Systems abzuzeichnen, aber eben nur dann, wenn wir nicht zurückschrecken. Evtl. ist das auch die einzige Chance, dass der Gesetzgeber endlich entspr. Änderungen herbeiführt ...

    Einen schönen Sonntagabend noch ...
    Geoff

    Einmal editiert, zuletzt von geoff (1. August 2016 um 17:07)

  • Hallo Geoff,

    nur so am Rande aus den Nutzungsbedingungen: Das Posten von Personalien / Inhalten von E-Mails oder Namen von Krankenkassen / Sachbearbeitern / MDK-Mitarbeitern Patienten etc. ist (ohne vorherige Zustimmung der betroffenen Person) tabu!

    Eine Verständnisfrage: Sie wollen alle Fälle konsequent beklagen, berichten (betonen) aber eine unsinnige Klageflut. Habe ich das so richtig verstanden?

    zum Thema: Man (egal welche "Seite") kann sich aber durch viele Klagefälle sehr schnell unglaubwürdig bzw. unbeliebt machen, da wird das Gericht dann in selbst berechtigten bzw. eindeutigen Fällen eher einen Vergleich vorschlagen als ein Sachverständigengutachten beauftragen.

    Und bei den Widersprüchen gegen Leistungsbescheide (Gutachten): da sollte man nicht immer den gleichen Textbaustein nehmen, es ist einfach unglaubwürdig, wenn in einem Stundenfall von einer schwierigen mehrfachen Medikamentenumstellung gesprochen wird.

    Gruß
    zakspeed

  • Hallo zakspeed,

    vielen Dank für den Hinweis aus den Nutzungsbestimmungen, sorry - Namensnennung wird nicht wieder vorkommen und ist abgeändert.

    Zur Verständnisfrage ("konsequent beklagen (Anmerkung: bei guten Erfolgsaussichten) - unsinnige Klageflut berichten..."):
    Die Klageflut ist "unsinnig", da gerade bei eindeutig gelagerten Fällen eine Abwicklung über einen geeigneten direkten Dialog (Klinik/Kostenträger) sinnvoll und zielführend wäre. Es gibt genügend Kompetenzen auf beiden Seiten, die auch außergerichtlich eine Einigung finden könnten.
    Jedoch darf daraus nicht die Schlussfolgerung resultieren, dass die Kliniken quasi verantwortlich für den "Unsinn" einer Klageflut sind, wenn sie schließlich eine sozialgerichtliche Klärung anstreben (müssen). Sie werden durch das von mir geschilderte Gebaren der Kostenträger und das Auszreizen der PrüfvV förmlich dazu gezwungen.

    Ich stimme Ihnen zu, dass man sich durch viele Klagefälle potenziell unbeliebt macht. Wenn sie jedoch nach entspr. Abwägung gute Erfolgsaussichten haben, darf dies doch kein Grund sein, davor zurückzuschrecken.
    Mich würden Ihre Alternativen vor dem Hintergrund einer ungeprüften kostenträgerseitigen Zurückweisung von Widersprüchen, sofortiger Verrechnung und ohne Bereitschaft für einen Dialog interessieren.
    Belassen Sie es zähneknirschend bei der Rückzahlung/Verrechnung?

    Und schließlich noch: wer benutzt denn immer den gleichen Textbaustein bei Widersprüchen gegen Leistungsbescheide (Gutachten) in diesem oben diskutierten Stadium?
    Wir liefern jedenfalls fallbezogen die individuelle stichhaltige Begründung in diesen Ablehnungsschreiben. Unser Rechtsbeistand nimmt das in der Regel dann auch als Grundlage für die jeweilige Klageschrift.

    Beste Grüße
    geoff

  • wer benutzt denn immer den gleichen Textbaustein bei Widersprüchen gegen Leistungsbescheide (Gutachten) in diesem oben diskutierten Stadium?

    Immer noch genügend Krankenhäuser.

    Grüße aus dem Salinental

  • Hallo geoff,

    eindeutige Fälle dürfen und sollten Sie auch konsequent (be)klagen. Manche Sachen müssen auch mal gerichtlich entschieden werden. Und wenn Ihre Erfolgsaussichten gut sind - nur zu.

    Was mich nur stört ist wenn ein Haus auf der einen Seite keinerlei Entgegenkommen oder Kompromissbereitschaft zeigt, dann aber bei erfolgter Verrechnung die PrüfVV umgehen und ein Widerspruch geprüft haben möchte. Dann steht ja auch noch im Raum wie der MDK im Zweitgutachten entscheiden wird. Oder wenn alles zur Klage gebracht wird (u.a. Verrechnungen vorstationärer Pauschalen, Streichung 1 Tag OGVD usw.). Muss halt jeder selbst wissen, macht nur Arbeit und keinen Spaß.

    Sie merken schon auf welcher "Seite" ich arbeite?

    Und Textbausteine (oder z.T. sogar immer der gleiche Text zu allen Sachverhalten/Widersprüchen) kenne ich inzwischen zur Genüge. Daher bin ich auch manchmal geneigt selbst welche zu benutzen (achte aber darauf dass sie einigermaßen "passen").

    Der Dialog sollte vorher beginnen und nicht erst ab der Verrechnung. Gehören aber immer zwei dazu.

    Gruß
    zakspeed

  • Hallo zakspeed,

    leider wird das "Widerspruchsverfahren" sowohl mündlich, als auch schriftlich bei uns von den meisten Kostenträgern - meist noch mit dem lapidaren Hinweis "Dann müssen Sie halt klagen !"- abgelehnt. Und das machen wir dann in geeigneten Fällen auch. Dabei wären wir auf jeden Fall kompromissbereit, wenn wir das für alle Beteiligten aufwändige und im Ausgang ungewisse Verfahren vermeiden könnten. Aber wenn man so offensichtlich darum gebeten wird, dann soll es so sein. Der Umgang mit der PrüfVV ist halt für beide Seiten ein "Lernen durch Schmerz".

    Grüße
    AnMa

  • Hallo,

    ein eindeutig nicht notwendiger prä-OP-Tag, eine (im Rahmen eine Kooperation) in zwei Häusern gleichzeitig durchgeführte Appendektomie, ein innerhalb von zwei Wochen erneut implantierter Schrittmacher ohne vorherige Entfernung/Wechsel des bisherigen SM, alles Beispiele für einen Dialog im Vorfeld => abgelehnt mit Hinweis "doch bitte das vorgesehene PrüfVV einzuhalten und im Zweifelsfall den MDK einzuschalten". Na gut, Prüfung durch den MDK, Verrechnung, Widerspruch (Textbaustein) mit Hinweis auf ein gutes partnerschaftliches Miteinander. Tja, was soll ich da antworten (außer mit Textbausteinen)?

    Verstehen Sie mich nicht falsch, wenn ein individueller Widerspruch mit einer vernünftigen Begründung folgt (z.B. der Gutachter hat den Eintrag in der Kurve nicht beachtet, Berichte werden nachgereicht oder ähnliches) und das Gutachten in dem Punkt nicht eindeutig ist, bin ich gerne bereit ein Zweitgutachten zu beauftragen (wobei einige Gutachter das auch nicht toll finden). Aber wenn Häuser zu jeder Verrechnung mit einer "lieblosen" Begründung in Widerspruch gehen wird das auch mal mit Hinweis auf die PrüVV abgebügelt.

    Die ursprüngliche Frage lautete auch

    ich stelle mir oft die Frage, ob es da draußen in den Krankenhäusern Kollegen gibt, die mit einer konsequenten Klagestrategie jeden Verrechnungsfall bzw. jedes strittige MDK Gutachten sofort einklagen und gleichzeitig erfolgreich sind?

    und es gibt (leider) tatsächlich Häuser die jeden Verrechnungsfall klagen. Viel Erfolg.

    Gruß
    zakspeed

  • Manches Haus ähnelt halt mehr einer Puppenkiste.
    Da beschwert sich auch das örtliche Gericht schon lang darüber.

    Grüße aus dem Salinental

  • Hallo zusammen,
    ich denke man kann sich darauf einigen, dass es schwarze Schafe auf beiden Seiten gibt. Die Ursprungsfrage zielte jedoch darauf ab, wie man als KH mit einem schwarzen Schaf auf Kassenseite umgeht, wenn eben konkrete Widersprüche und Gesprächsangebote nicht fruchten. Hier bleibt m.E. letztlich nur die konsequente zeitnahe Klage in den erfolgsversprechenden Fällen (ob man jede ND bzw. Belegtag mit einem Erlösplus von 200€ einklagen muss, ist eine andere Frage). Die Gerichte erkennen meist recht schnell, ob ein Haus ohne Rücksicht auf Verluste drauflosklagt oder der schwarze Peter auf der anderen Seite zu suchen ist. Die Standardvergleichsvorschläge a la "es geht nur um 1000€, also hauen wir es doch einfach in der Mitte durch um Zeit und Kosten zu sparen" muss man dann halt zu Beginn ablehnen, irgendwann kommt man dann auch zu vernünftigen Ergebnissen.
    Grüße aus dem verregneten Köln,
    RA Berbuir