Kausalkette oder gleichberechtigte Hauptdiagnosen

  • Hallo stei-di,

    wenn sich ein Karzinom ergab, würde ich formal davon ausgehen, dass hier gemäß der Hierarchie der Regelwerk DKR 0201 (das Karzinom ist Hauptdiagnose bei Diagnostik eines vorher unbekannten Karzinoms ) Vorrang vor der allgemeinen Kodierregel D002 hat, jedenfalls in Ihrer Fallschilderung (Feststellung des Tumors direkt im Rahmen der Aufnahmeuntersuchung bei postrenal verschlimmerter NI).
    Etwas anderes würde gelten, wenn der Tumornachweis erst später erfolgt ist (s. Antwort von phlox).

    Mit freundlichen Grüßen

    Breitmeier

  • Hallo,

    das verstehe ich jetzt nicht. Aufnahmeveranlassend war die schlechte Nierenfunktion. Der Tumor wurde erst während des Aufenthaltes, also nach der Aufnahme diagnostiziert. Damit scheiden die konkurrierenden HD aus meiner Sicht aus, denn diese gelten ja nur, wenn beide Diagnosen aufnahmeveranlassend waren. Das war der Tumor sicherlich nicht und auch keine Symptomatik, die den Tumor als Ursache habt.

    Kausalketten gibt es außerhalb des Kreuz-Stern-Systems nicht. Das heißt doch, dass man die Diagnose nimmt, die aufnahmeveranlassend war und nicht die Krankheit, die Ursache dafür war. Ausnahme ist, wenn ein Symptom aufnahmeveranlassend war und man die zugrundeliegende Krankheit diagnostiziert. Aber die schlechte Nierenfunktion ist doch kein Symptom des Tumors, auch wenn diese sich durch den Tumor verschlechtert hat. Ein Symptom ist eine Beschwerde, ein fassbares oder angegebenes Krankheitszeichen. Eine Niereninsuff. ist doch eine Krankheit und kein Symptom.

    Gruß
    B.W.

  • Hallo,

    es heißt nicht: "...Veranlassung der stationären Aufnahme..." sondern "...Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes..." Das ist ein kleiner, aber feiner Unterschied, insbesondere wenn man noch den Hinweis "...nach Analyse..." mit einbezieht. Das bedeutet nämlich, dass sehr wohl die Diagnostik während des Aufenthaltes mit in die Beurteilung der Hauptdiagnose einfließen kann, sofern die Krankheit an sich bereits bei der Aufnahme bestand. Ich finde die Überlegungen und die Diskussion auch keineswegs abwegig, sondern eben schon komplex und diskussionswürdig. Wie wäre es denn, wenn keine Niereninsuffizienz vorbestehend gewesen wäre sondern die Niereninsuffizienz alleine auf die Raumforderung des Tumors zurückzuführen wäre. Was ist der Unterschied zu einer Niereninsuffizienz, die sich dadurch verschlimmert.

    Aber da der Tumor bösartig war und während dieses Aufenthaltes auch behandelt wurde, schließe ich mich Herrn Breitmeier an: Spezielle Kodierrichtlinien haben Vorrang und in DKR 0201n heißt es eindeutig: "Der Malignom-Kode ist als Hauptdiagnose für jeden Krankenhausaufenthalt zur Behandlung der bösartigen Neubildung..." (Hervorhebungen bereits in DKR vorhanden)

    Da die Behandlung des Tumors erfolgte, ist dieser auch die HD.

    Gruß

  • Hallo,

    die spezielle DKR sagt aber auch: war der Aufnahmegrund weder die maligne Erkrankung noch die Chemotherapie/Strahlentherapie, so gilt die allgemeine DKR für HD.

    Es geht um die Veranlassung des Aufenthaltes und damit um die Frage: "warum wurde der Patient ins Bett gelegt" (wie Herr Zaiß mal treffend die HD definiert hat).
    Die DKR sagt ja auch, dass entscheidend für die Wahl der HD die Umstände der Aufnahme sind. Es geht um die Diagnose, die die Aufnahme veranlasst. (siehe auch Beispiel 1).

    Gruß
    B.W.

  • Klar kann man über diesen Fall gut diskutieren!
    Ich sehe es eben so, dass hier bei Erstdiagnose eines Karzinoms die DKR 0201 die HD Malignom vorgibt.

    kodierer2905: Veranlassend für die Aufnahme war nicht die chronische NI an sich, denn die hatte die Frau ja schon länger, sondern die aktuelle Progredienz, die wiederum über den mitgeteilten Harnaufstau mit postrenaler Verschlechterung der Nierenfunktion auf den raumfordernden Tumor zurückzuführen ist. "Nach Analyse" hat sich ja die Nierenfunktion nach Druckentlastung ( Karzinom- OP) auch gebessert. Ich sehe hier einen ganz engen Bezug zwischen der Aufnahmesymptomatik und dem Tumor.
    Ich würde Ihnen in Bezug auf die chronische NI als HD eher folgen können, wenn im Rahmen der Diagnostik z.B. ein Lungen-CA gefunden und behandelt worden wäre.

    Mit freundlichen Grüßen

    Breitmeier

  • kodierer2905:
    Wiese verstehen sie das nicht; eingangs wurde beschrieben: Sono am Aufnahmetag, Uterusvergrößerung, Folge CT, Bestätigung des Tumors, OP; dieser Tumor verursachte auch noch direkt den Harnstau (im Sinne eines Symptoms) und daher mittelbar die Verschlechterung der wohl bestehenden Niereninsuffizienz (kein direktes Symptom), ergo Tumor lag bei Aufnahme vor und wurde diagnostiziert, nach Analyse hat er also den Aufenthalt (nicht die Aufnahme an sich) ebenso veranlasst, wie die multifaktorielle Niereninsuffizienz.

    Die Anwendung der Malignom DKR ist immer etwas fragwürdig, denn einerseits Voraussetzung:
    " Die Reihenfolge der anzugebenden Kodes hängt von der Behandlung während des betreffenden Krankenhausaufenthaltes ab. "
    - ergo Uterustumor, aber dann nähere Ausführungen:
    "Erfolgt die Aufnahme zur Diagnostik/Behandlung des primären Malignoms, ist das primäre Malignom als Hauptdiagnose-Kode zuzuweisen."
    - hier Fokus auf Aufnahme nicht Aufenthalt, daher nicht anwendbar, denn Aufnahme erfolgte nicht zur Behandlung/Diagnostik des Tumors und daher gilt:
    " War der Aufnahmegrund weder die maligne Erkrankung noch die Chemo-/Strahlentherapie, so ist die Hauptdiagnose gemäß DKR D002 zu wählen."
    - damit bleibt Niereninsuffizienz oder bei Akzeptanz zweier mgl. HD doch der Tumor.

    Natürlich ist das eine Anwendung der DKR, die nicht unbedingt von MDK/Kasse und Gericht nachvollzogen werden wird, aber nach meiner Auffassung eine am Wortlaut orientierte Anwendung.

    Sonst wäre ja der Satz : "Die nach Analyse festgestellte Hauptdiagnose muss nicht der Aufnahmediagnose oder Einweisungsdiagnose entsprechen." weitgehend sinnlos und das australische System würde zutreffen: Hauptdiagnose gleich Aufnahmediagnose!

    Grüße

    Uwe Neiser


  • Hallo,

    das Malignom war jedoch, zumindest unter anderem, ein Aufnahmegrund, denn es wurde als (eine) Ursache der Verschlechterung diagnostiziert und behandelt. Die Diagnostik und Behandlung zielte offensichtlich primär auf den Tumor ab, sobald dieser (am Aufnahmetag!) entdeckt und als (eine) Ursache der postrenalen (Harnstau) Niereninsuffizienz (bzw. deren Verschlechterung) identifiziert wurde. Die spezifische Behandlung der Niereninsuffizienz (durch Dialyse) fand nach Angaben von stei-di erst nach der OP statt.

    Gruß

  • An dieser Stelle muss man einfach sagen, dass die Behauptung, dass die Verschlechterung der Nierenfunktion alleinig auf den entdeckten Tumor zurückführen ist, so einfach nicht haltbar ist.

    Durch den Harnaufstau und das absinken der Nierenwerte lässt sich zwar schon schlussfolgern, dass der Tumor eben auch eine bestimmte Rolle dabei gespielt hat, aber er schließt eben andere Ursachen nicht vollständig aus, zumal trotzdem ein Nierenersatzverfahren postoperativ eingeleitet worden ist, und eine Schädigung der Nierenfunktion bereits vor dem Tumor bekannt war.

    Man müsste also letzendlich beweisen können, dass die Verschlechterung der Nierenfunktion alleine auf den Tumor zurückzuführen ist, was ich hier aber bei den gemachten Angaben auch nicht erkennen kann.

    Die angesprochene Ätiologie vor Manifestation-Kette ist im Übrigen nur etwas was berücksichtigt werden muss bei den Kreuz-Stern-Diagnosen. Das ergibt sich aus der entsprechende Regelung in der Kodierrichtlinie, und darauf verweist selbst der MDK in seinen Kodierempfehlungen.

    Einmal editiert, zuletzt von MCO-Freak (16. September 2016 um 20:46)

  • Ich sehe es vor dem Hintergrund der speziellen DKR 0201 genau anders als MCO: Wenn der Tumor neu diagnostiziert wird und die Aufnahme mit verursacht hat, ist der Primärtumor Hauptdiagnose. Nur wenn klar belegt würde, dass der Tumor keinen Anteil an der Aufnahmentscheidung hatte ( nach Analyse! ), käme die Niereninsuffizienz in Betracht.

    Mit freundlichen Grüßen

    Breitmeier

  • Anders gesagt: Wegen der speziellen DKR 0201 liegt die Beweislast bei der nicht-onkologischen Hauptdiagnose. Wenn es unsicher bleibt, wäre für mich das Karzinom HD.

    Mit freundlichen Grüßen

    Breitmeier

  • Der Patient ist in diesem Fall aber nicht primär aufgrund des Karzinoms aufgenommen worden, sondern bei bekannter chronischer Niereninsuffizenz aufgrund einer Verschlechterung der Nierenfunktion, bei der hier wohl nicht zweifelsfrei geklärt ist, dass diese Verschlechterung ausschließlich auf das Karzinom zurückzuführen ist.

    Wenn der Patient wegen einer Oberschenkelhalsfraktur gekommen wäre, und man hätte zufällig eben dieses Karzinom festgestellt, dann wäre eben auch nicht das Karzinom Hauptdiagnose.

    Ferner ist es recht zweifelhaft aus der betroffene Regelung in der Kodierrichtlinie abzuleiten, dass man keinen Gegenbeweis mehr antreten müsste, dass die Verschlechterung der Niere nicht auch auf andere Faktoren oder eben nicht auf andere Faktoren basiert.

    Ich warne sehr davor munter Dinge in der Kodierrichtlinie zu lesen, die so nicht drin stehen.