Drei von vier Kliniken haben Probleme mit Abrechnungsbetrug und Arbeitsschutzverstößen

  • nun ja, lieber Willis,

    wie immer bei Juristen: eine Fragestellung, 3 Meinungen. Die Auffassung der Kollegen, welche den von Ihnen zitierten Aufsatz aus 2012 verfasst haben, ist längst nicht h.M. Und auch dort heißt es am Ende: "Pauschale Lösungen, durch die bestimmte Abrechnungspraktiken vorschnell und pauschal in den Anwendungsbereich des § 263 StGB einbezogen werden, leisten einer Instrumentalisierung des Strafrechts als Druckmittel zur Durchsetzung einseitiger monetärer Interessen Vorschub." :D
    Würde man den Kollegen folgen, dürfte also ein KH nach negativem MDK-Votum zu einem Kodierfall ab diesem Zeitpunkt keine andere Kodierauffassung mehr vertreten, ohne sich strafbar zu machen. Was aber wenn - was in der Praxis oft genug vorkommt - unterschiedliche MDK-Prüfärzte auch uneinheitliche Fallbewertungen vornehmen, wenn der Fall also bei dem einen durchgeht, beim nächsten nicht? Außerdem würde dies ja bedeuten, dass die KH gezwungen wären, jeden einzelnen negativ-Fall einzuklagen, um nicht in die Strafbarkeitsfalle zu laufen, damit wäre dann die Sozialgerichtsbarkeit vollends lahmgelegt... und was, wenn SG A dem KH zustimmt, während SG B die KK-Auffassung bestätigt und keiner in Berufung geht? Zudem dürften sich dann die KK-Mitarbeiter ab sofort dem Volkssport Anzeigenerstellung widmen.
    Lustigerweise bemühen die Kollegen ja die Auslegung zu OPS 8-900 als Beispiel, zu dem damals noch mehrere SG die Aufassung der KH bestätigt hatten, bis die Sache schließlich vorm LSG gekippt wurde. Zudem sind MDK-Gutachten ja gerade nicht öffentlich, woher soll also KH A davon wissen, dass der MDK dieselbe Frage bei KH B bereits negativ verneint hat. Besteht also die Strafbarkeit nur krankenhausspezifisch ab dem Zeitpunkt zu dem das betreffende KH A vom MDK gerügt wurde, während das ungeprüfte KH B fröhlich weiter upcodet? Eine derartige Aufsplittung des Empfängerhorizontes der KK und der Strafbarkeit erscheint dogmatisch und praktisch unsinnig.

    Sämtliche mir bekannten Strafverfahren hierzu wurden bislang immer eingestellt (auch wenn natürlich vorher großes Hallo mit Durchsuchung etc. erfolgte und das Verhältnis zur KK aus deren Ecke die -meist anonyme- Anzeige kam, erheblichen Schaden nahm), sofern es nicht um eklatante Fälle, wie bspw. Abrechnung vollständig nicht-erbrachter OP-Leistungen ging - also Fälle ohne Bezug zur Kodierauslegung. Ob aber eine einzelne Diagnose oder die Verweildauer auf den Tag genau korrekt waren, hat die StA meist nicht interessiert. Auch wenn Prof. Hauck hier in seinen Urteilen fleißig Akquise für die Kollegen Medizinstrafrechtler betreibt, erscheint es mir wenig sinnvoll, das Konzept des lernenden Systems durch die Keule des Strafrechts künstlich einzuengen.

    In diesem Sinne, ein schönes WE!
    RA Berbuir

  • Ich wäre aus wissenschaftlicher Sicht sehr vorsichtig, die Ergebnisse der Studie auf alle Krankenhäuser zu übertragen.

    Betrachtet man beispielsweise die Teilnehmer, dann kann man wohl schwerlich von einer repräsentativen Auswahl sprechen. Das betrifft sowohl die Auswahl der Teilnehmer (keine Zufallsauswahl), als auch die Verteilung nach der Verantwortlichkeit nach der Zahl der Krankenhäuser.

    Hinzu kommt noch die Art der Fragestellung, die ich allerdings nur aus dem Bericht und nicht aus dem Interviewleitfaden kenne. So wird beispielsweise gefragt (S.41): "Ist diese Straftat in Ihrem Krankenhaus bereits vorgekommen?". Damit weiß ich nur, dass sie nur einmal vorgekommen ist, nicht aber, wie häufig. Einmal in 10 Jahren? Einmal im Jahr? Mehrfach im Jahr? Wie oft denn?

    Nur so als kleiner Taschenspielertrick: Kommt Abrechnungsbetrug einmal in jedem Krankenhaus pro Jahr bei einem stationären Fall vor, so habe ich etwa 2.000 Fälle - und das bei 19 Millionen Fälle. Das sind wieviel Prozent?

    Und ja, Abrechnungsbetrug. Was ist damit gemeint? Wenn der Chefarzt bei seiner GOÄ-Rechnung eine falsche Ziffer ansetzt? Wenn der ermächtigte Arzt nicht selber seine Leistung erbringt? Wenn bei der stationären Abrechnung ein zusätzlicher Code unberechtigterweise angegeben wird? Wenn eine andere Auslegung der Kodierung im Krankenhaus herrscht als beim MDK oder den Kassen?

    Ohne den Begriff weiter zu operationalisieren, ist die Aussage, dass in 35,6 % Abrechnungsbetrug vorgekommen ist, wertlos.

    Deutsches Krankenhausinstitut

    Alte Rheinische Weisheit: "Das Leben ist zu kurz für ein langes Gesicht."

  • Guten Morgen,

    danke Herr Offermanns. Gibt ein "Like" :thumbup:

    Den Compliance Teil mal unbewertet, ist diese Umfrage ohne die konkreten Fragestellungen wertlos. Außer für die GKV, die die polemische Sau "Abrechnungsbetrug" mal wieder durchs Dorf treiben könnte...wovon ich bisher allerdings wenig gehört habe. Vielleicht ist diese "Umfrage" den KKn dann doch zu doof.

    stellv. Leitung Medizincontrolling
    Fachwirt Gesundheits- und Sozialwesen (IHK)
    MDA

  • Hallo Herr Berbuir,

    doch, Rechtsrahmen und Grenzen sollten meiner Auffassung nach auch für lernende Systeme gelten. Der Renner waren diesbezüglich in der Vergangenheit Ratgeber wie: "Kinder brauchen mehr als Liebe: Klarheit, Grenzen, Konsequenzen". Achim Schadt, Grundwissen für 14,95.- :D
    Die Grenzsetzung und Grenzsicherung ist gerade für lernende Systeme eminent wichtig. Aber ich sehe es wie Sie: bisher werden Grenzübertretungen bei Abrechnungen durch KH nur seltenst strafrechtlich sanktioniert. Das erschwert das Geschäft der Compliance-Berater, stärkt aber die Stellung des MDK als Ordnungsfaktor (da steht jetzt die Dose Sekt auf dem Tisch!) und fördert den Umsatz von Rechtsanwälten ungemein.... ;););):D

    Gruß

    W.

  • Liebes Forum,

    vielleicht kann ja mal ein beim MDK-Tätiger schildern, welche Zielvorgaben, Retaxierungsraten und sonstige Quoten dort existieren. Die Kollegen, die den MDK verlassen haben, berichten Dinge, die im Krankenhaus wohl schon längst die Politik auf den Plan gerufen haben.
    Damit ich nicht falsch verstanden werde: ich kann mit anderen Meinungen leben, aber die Transparenz darüber, unter welchen Rahmenbedingungen sie entstehen, wäre schön.

    Ach ja, hier noch ein Tipp für Nebentätigkeiten http://ted.europa.eu/udl?uri=TED:NO…17:TEXT:DE:HTML

    Ein Schelm, der Arges dabei denkt....

  • Tag,

    mich verblüfft ja nicht viel, aber DAS ist wirklich Spitze.

    Auch das hier https://www.mdk-niedersachsen.de/offentliche-au…ibungen-142.php

    Sagenhaft. Spannend wäre, wer den Zuschlag kriegt..... Frist vorbei. 14900 GA bei 220 Arbeitstagen = 67,72 / Tag bei Fragestellungen nach 898*, 855* 9200*.... Respekt. Braucht man 10 Leute Volllzeit, wenns hastig geht´, eher 15 .... Bei BPK zwischen 35.000 / Assistenz und 100.000 ärztl Leitung (falls sowas vorgesehen ist) liegt man round about bei 0,5 Mio +/- 150.000 Euro. + Infrastrukturkosten. MWst. usw. Und wenn da noch einer dran verdienen will....
    40-50 Euro pro GA.... Dumping....

    Die ganzen QualiFragen und die der Delegation mal ausgenommen....

    merguet