Prüfquote für Einzelfallprüfungen nach §275 - gibt es eine Grenze?

  • Einen sonnigen guten Morgen!

    Die Prüfung nach §275 ist ja von der Konzeption her eine Einzelfallprüfung bei "Auffälligkeiten".
    Meine Frage ist nun, gibt es eine (theoretische) "Obergrenze", wieviel Fälle eine Krankenkasse prüfen lassen kann/darf?
    Aus einem Vortrag vor Jahren glaube ich die Angabe von 30% zu erinnern. Einen Beleg hierfür finde ich allerdings nirgends.

    Auch wenn die Prüfquoten für Einzelfallprüfungen gemäß Medinfoweb - je nach KK und Region - so um die 10-15% liegen, wäre es doch aus KK-Perspektive theoretisch denkbar, deutlich mehr (alle???) Fälle durch den MDK prüfen zu lassen, frei nach dem Motto "vielleicht wird sich schon was finden". Ab einem gewissen Prozentsatz wäre das dann aber eher ein Schleppnetz mit engen Maschen und keine Einzelfallprüfung mehr. Weiß jemand, ob dieser Aspekt schon einmal Gegenstand der Rechtsprechung war?

    Effizienzüberlegungen aus Kassensicht (lieber weniger Fälle, dafür aber mit größerer Wahrscheinlichkeit auf Erfolg und weniger Aufwandspauschalen = höherer "Return on Invest") seien mal bewusst ausgeklammert.


    Herzlichen Dank im Voraus und beste Grüße!

  • Hallo Cardiot,

    sobald mir bekannt ist gibt es keine "Obergrenze" für Einzelfallprüfungen nach §275. Die Kassen könnten rein theoretisch jeden Fall prüfen lassen. Ich denke jedoch, dass die Ressourcen des MDK's nicht ausreichen würden um jeden Fall zu prüfen. Ob diese Thematik schon mal Gegenstand der Rechtsprechung war kann ich leider nicht sagen.

    Freundliche Grüße
    Thomas B.

  • Hallo Cardiot,

    Es gab in grauer Vorzeit mal die BSG-Urteile zu den sog. Berliner-Fällen (Urt. v. 13.12.2001 –B 3 KR 11/01 R), wonach pauschale Rechnungskürzungen aufgrund statistischer Erhebungen als Rechtsmissbrauch unzulässig sind. Zudem gibt es verschiedene Entscheidungen aus Verfahren des einstw. Rechtsschutzes, in denen sich KH gegen (Teil-)Zahlungsverweigerungen der KKen bis zum Abschluss von Prüfverfahren bzw. Hauptsacheverfahren zur Wehr setzen wollten, damit jedoch scheiterten, weil sie keine wirtschaftliche Existenzgefährdung durch das Kassenverhalten belegen konnten. Die Frage, ab welchem Prozentsatz von einem Missbrauch der Einzelfallprüfungen auszugehen ist, wurde m.W bislang noch nicht entschieden, wenn man aber von einer statistisch belegten Durchschnittsquote von 10-15% ausgeht, würde ich auch erst bei anlasslosen Quoten von über 30% über rechtliche Schritte im Hinblick auf einen möglichen Rechtsmissbrauch des Instruments nachdenken. Gleichwohl sollte natürlich bei einem signifikanten Anstieg der Quote immer geprüft werden, woran dies liegt - oftmals lassen sich hier dann schneller die Ursachen finden und gemeinsam abstellen, als dies über den Rechtsweg möglich ist.

    MfG, RA Berbuir

  • Hallo zusammen,

    erst einmal herzlichen Dank für die raschen Antworten. Die Tatsache, dass auch RA Berbuir (als Juristen wie ich in Anbetracht des Kürzels annehme) keine Urteile zu %-Sätzen bekannt sind, beruhigt mich; weiß auch nicht, woher der Referent damals seine Angaben nahm.

    Limitierender Faktor für die Prüfquote ist unter diesem Gesichtspunkt m.E. dann tatsächlich doch eine Kosten-Nutzen-Analyse der KK. Unter den derzeitigen Gegebenheiten sprechen MDK-Vertreter bei Prüfungen von einem "return on investment" von 1:5 (vgl Präsentation Dr. Euler MDK BW vom 11.10.2011). Da der Kostendruck auf alle Beteiligten zunimmt, könnte man sich vorstellen, dass die Grenzen des "Wettrüstens" noch bei weiten nicht erreicht sind:
    Immer ausgefeiltere EDV-Tools auf Seiten der KK um potentiell "lohnenswerte" (Prüf-)Fälle herauszufiltern, zunehmend MDK-fokussiertes (automatisiertes/"Textbausteine"?) Dokumentationsmanagement der KH, um bereits routinemäßig die Schlüsselbegriffe in der Akte stehen zu haben, welche etwa dem Fehlbelegungsvorwurf den Wind aus den Segeln nehmen.

    Beste Grüße!

  • Hallo,

    die erste Frage wäre für mich, welche Zahl als Basis der prozentualen Betrachtung zu verwenden ist. Große Kassen fragen z.B. 100% ihrer Akutgeriatrie-Fälle an, aber das sind vllt. nur 5% ihrer Anfragen und 0,x% aller ihrer Fälle in einem KH... ???

    Gruß
    fimuc

  • Hallo fimuc!

    Ich hätte die %-Angabe so verstanden, dass sie sich auf alle bei der betreffenden KK Versicherten und in einem KH behandelten Pat-Fälle (im Jahr) bezieht.

    Beste Grüße

    • Offizieller Beitrag

    Guten Tag
    Vorbemerkung: Einzelfallprüfungen sind wichtig und erforderlich(fairer Wettbewerb)

    Siehe auch:
    „Um Medizin zu ermöglichen, braucht es Ökonomie – im Sinne eines vernünftigen Einsatzes von Ressourcen. Ökonomie darf aber nicht die Richtung vorgeben, in die sich Medizin zu bewegen hat. Das Vernunft-orientierte Denken der Ökonomie darf das Wesen der Medizin nicht verformen. Die Medizin dient nämlich nicht der Gewinnmaximierung; sie ist eine soziale Praxis. Patienten sind keine Kunden, sie wollen keine Angebote einholen und Dienstleistungen kaufen; sie suchen Hilfe, Unterstützung und soziale Interaktion..“

    „Es genügt nicht, das Notwendige zu tun - nur das, was man überprüfen und kontrollieren kann. Kontrolle ist wichtig, aber sie erfasst nicht die ganze Wahrheit. Industrialisierung wertet alle nicht messbaren Qualitäten radikal ab – und das demotiviert die Heilberufe, weil der soziale Gedanke der Sinn ihres Handelns ist. Zerstört man die Motivation, vermindert man die Effizienz.“
    http://www.aerztezeitung.at/archiv/oeaez-2…maio-werte.html

    Massenprüfungen

    Das Märchen vom „return on investment“
    Transaktionskosten steigen beträchtlich,d.h. Fehlallokation
    Kollateralschäden
    Ärzte werden derPatientenversorgung entzogen

    Wolfgang Stützel: Volkswirtschaftliche Saldenmechanik. Mohr Siebeck, (2. Auflage) Tübingen 2011. S. 74.
    „Ein allgemeiner Ausgabenrückgang führt für die Gesamtheit immer zu einem Einnahmerückgang und nie zu einem Einnahmeüberschuss“

    Gruß
    Eberhard Rembs