Berichtsanfragen der Kostenträger über den Patienten

  • Liebe Forumsteilnehmer,
    es kommen bei uns zunehmend Anfragen der Kostenträger, in dem der Patient selbst, oder die Erziehungsberechtigten mit der Bitte angeschrieben werden, einen Zwischenbericht im Krankenhaus anzufordern. Insbesondere, nachdem entsprechende telefonische (!) Anfragen bei uns regelmäßig mit dem Hinweis auf die elektronisch zu übermittelnde Anfrage nach einer medizinischen Begründung beantwortet wurden. Dies betrifft sowohl die KJP als auch die Allgemeinpsychiatrie.
    Für uns stellt sich die Frage, wie wir juristisch und aus datenschutzrechtlichen Gründen damit in Zukunft umgehen sollen.
    U. E. ist das ein Weg, den die Kostenträger gehen, um unter Umgehung des MDK an weiterführende Informationen zu kommen, die weit über das Maß der $301-Daten hinausgehen.

    Gibt es bei Ihnen ähnliche Tendenzen und wie gehen Sie damit um?

    Vielen Dank für Ihre Antwort.

    MfG,
    dw-mhtr

    Mit freundlichen Grüßen,

    dw-mhtr


    Ihr seid ja alle bloß neidisch, dass nur ich die Stimmen höre....

  • Hallo dw-mhtr,

    nun ja, wenn doch die Versicherten nun mal ein Recht auf Einsichtnahme in ihre Behandlungsunterlagen nach § 630g BGB haben kann man ihnen natürlich dieses bis auf wenige Ausnahmen meist nicht verwehren und wenn sie das dann gerne freiwillig ihrer GKV vorlegen wollen, kann man sie daran nicht hindern. Das BSG hat ja bereits geurteilt, dass die KK Informationen, die Ihnen ihre Versicherten offenbaren, bei der Abrechnungsprüfung verwenden dürfen. Allerdings gilt auch hier, dass der Patient die Kopierkosten vorab zu entrichten hat. Sofern es allerdings um die Erstellung eines zusätzlichen Verlaufsberichtes während der noch andauernden Behandlung geht, und dieser also nur auf Veranlassung des Patienten überhaupt geschrieben wird und nicht zur Standard-Dokumentation gehört, könnte man über eine gesonderte Vergütung nach Ziff. 70ff. GOÄ nachdenken, über die man den Patienten natürlich vorab aufklären muss. Ob die Liebe zur eigenen KK dann soweit geht, hier Kosten zu übernehmen, dürfte meist fraglich sein. Zugleich könnte man natürlich auch an eine kleine Anfrage an die Aufsichtsbehörde (BVA bzw. Landesbehörde) oder den Landesdatenschutzbeauftragten denken, falls sich eben Anhaltspunkte belegen lassen, dass die KK hier systematisch den vorgegebenen Weg über den MDK umgeht und dabei zum einen die eigenen Versicherten zu zusätzlichen Ausgaben verleitet, die bei Einhaltung des vorgegeben Verfahrens nicht entstehen würden, und andererseits ggf. auch noch Gefahren für den Therapieerfolg schafft, indem die Patienten zum Misstrauen ggü. ihren Ärzten animiert werden.

    Bin gespannt, was die anderen Diskutanten hier an Erfahrungen berichten können.

    MfG, RA Berbuir

  • Hallo,
    bin kein Psychiater aber dieses beschriebene Vorgehen der KK fernab jeglicher Regelungen kann ja gerade in der Psyiachtrie immense Folgen für den Behandlungsverlauf haben! Verunsicherung bis ggf. Therapieabbruch - hier sollten schleunigst die DKG und Fachgesellschaften informiert werden damit von oben interveniert wird!
    Das ist nicht im Sinne der Patienten, gerade in der Psychiatrie äußert heikel und fragwürdig!

    MfG

    rokka

  • Hallo,

    vor einiger Zeit tauchte die Problematik auf das Kassen von bereits entlassenen Patienten unter Berufung auf § 66 SGB V mit einer vom Patienten unterschrieben Schweigepflichtentbindungserklärung Unterlagen anforderten. Diese Fälle wurden / werden an die juristische Abteilung weitergeleitet zum prüfen. Es muss da wohl eine Unterscheidung zwischen Schweigepflichtentbindungserklärung und Entbindungserklärung (auf die im § 66 SGB V explizit verwiesen wird) geben. Die juristische Abteilung hat daraufhin Kontakt mit der Krankenhausgesellschaft aufgenommen um sich über eine Empfehlung für eine geeignete Vorgehensweise zu beraten. Ein Ergebnis ist mir aktuell nicht bekannt.

    Den Ansatz von RA Berbuir mit Kopierkosten und gesonderte Vergütung nach Ziff. 70ff. GOÄ für einen zusätzlichen Verlaufsberichtes finde ich interessant.
    Vielleicht könnte man in solchen Fällen auch nochmal das offene Gespräch mit dem Patienten suchen, ob dieser wirklich möchte das ein Kassenmitarbeiter Einsicht in seine Behandlungsunterlagen bekommt. Die Schweigepflichtentbindungserklärung bzw. Entbindungserklärung sollten Patienten ja jederzeit auch widerrufen können.


    MfG, Thomas B.

  • Hallo Thomas B.,

    eine Kasse, die versucht, unter Verweis auf § 66 SGB V Behandlungsunterlagen vom Patienten einholen zu lassen und dabei den Vorsatz hat, diese dann später zur Abrechnungsprüfung zu verwenden, verstößt m.E. ganz offensichtlich gegen den Datenschutz, wie sich bereits aus § 66 Satz 3 SGB V ergibt: "Die auf Grundlage der Einwilligung des Versicherten bei den Leistungserbringern erhobenen Daten dürfen ausschließlich zum Zwecke der Unterstützung des Versicherten bei Behandlungsfehlern verwendet werden."
    Da würde ich ebenfalls strikt gegen vorgehen. Big Data hin oder her, solange es bei Gesundheitsdaten noch gewisse Einschränkungen gibt, müssen sich auch die KK daran halten.

    MfG, RA Berbuir

  • Hallo RA Berbuir,


    ja es gab Anfragen von den Kassen mit der Bitte um Herausgabe von Krankenunterlagen nach §§ 66 und/oder 284 SGB V. Ob dabei der Vorsatz bestand die Krankenunterlagen später zur Abrechnungsprüfung zu verwenden entzieht sich meiner Kenntnis. Auch war von einer Abrechnungsprüfung in diesen Schreiben von den Kassen nicht die rede.


    MfG, Thomas B.

  • Einen schönen guten Morgen Zusammen,

    Vielen Dank für Ihre ausführlichen Antworten. Wir werden da jetzt mit unserer Rechtsabteilung erstmals einen modus operandi festlegen.

    Der Hinweis auf die Anfragen nach §66 SGB V war ebenfalls sehr hilfreich.

    Ich bedanke mich und wünsche noch einen schönen Tag.

    MfG,
    dw-mhtr

    Mit freundlichen Grüßen,

    dw-mhtr


    Ihr seid ja alle bloß neidisch, dass nur ich die Stimmen höre....

  • Hallo an Alle hier,

    gibt es zu dem ursprünglichen Sachverhalt etwas Neues? Ich habe das hier zwar schon mal gelesen, aber konnte es nicht glauben... bis ich heute einen Anruf aus der Klinik erhielt. Die Kollegin fragte mich, wie sie sich verhalten solle, da Anfragen in letzter Zeit immer wieder direkt von den Kassen in die Klinik - und nicht wie bei uns üblich über die Verwaltung - gegangen sind. Im Gespräch ergab sich, dass wohl auch schon Zwischenberichte zur Verweildauer von der Kasse über den Patienten abgefordert wurden. Dem Versicherten will ich das Recht auf Einsichtnahme nicht absprechen - aber von der Kasse über den Pat. quasi med. Begründungen zur weiteren Behandlung anfordern, kann ja nicht rechtens sein... Es soll sich wohl um eine Kasse handeln, die die KÜ befristet und immer wieder versucht, trotz §301 SGB V med. Begründungen zu bekommen...

    Vielen Dank

    MfG

    Andreas

  • Hallo Andreas,

    ich darf auf meine obigen Ausführungen verweisen, insbesondere wenn die KK hier offensichtlich versucht, die Verwaltung zu umgehen und direkt in der Abteilung nachfragt (Auskünfte über Patienten am Telefon geht gar nicht, da könnte ja sonstwer anrufen!), würde ich rot sehen und dem/r Kassenmitarbeiter/in einen sehr deutlichen Brief schreiben, der cc an den Vorgesetzten und den Kassenvorstand geht, verbunden mit der Androhung von Rechtsmitteln (Unterlassungserklärung, einstweilige Verfügung, aufsichtsrechtliche Beschwerde) bei Fortsetzung des Verhaltens. falls die Kasse während der laufenden Behandlung die weitere Behandlungsnotwendigkeit abklären will, kann sie gem. § 276 Abs. 4 SGB V den MDK zu Ihnen schicken.

    MfG, RA Berbuir