Hauptdiagnose Erysipel, Niereninsuffizienz oder Abszess?

  • Hallo zusammen,

    sehr adipöser Pat. (BMI etwa 50) wird auf die Innere Medizin aufgenommen mit einem Erysipel an beiden Unterschenkeln (massive Schwellung) und infektbedingtem (SIRS) beginnenden Nierenversagen sowie Lungenödem.
    Die diuretischen Maßnahmen sind wirksam, der Infekt reagiert aber nicht auf die Antibiose.
    Zur weiteren Diagnostik dann ein MRT beider US, dabei Nachweis von Abszessen in beiden Muskellogen > es erfolgt die operative Entlastung und Drainageeinlage, darüber schnelle Besserung der Situation.

    Frage der HD :wacko: ?( !!!

    Überlegungen dazu:
    Bei Aufnahme bestehen gleichzeitig
    1 Erysipel an beiden US
    2 Nierenversagen
    3 Lungenödem
    4 Muskellogenabszesse beide US (noch nicht erkannt, aber vorhanden, bzw. sogar die Ursache für das gesamte Geschehen!)

    Meine Meinung:
    - Unter Berücksichtigung von D002f sind für die "Veranlassung des stationären Aufenthaltes" (nicht die Aufnahmediagose!!) die Abszesse in beiden Unterschenkel-Muskellogen (4) verantwortlich! 1,2 und 3 sind Folgen des fortgeschrittenen Krankheitsgeschehens und lassen sich endgültig auch erst beheben, nachdem der auslösende Fokus saniert ist.
    oder andere Argumentation
    - Bei Aufnahme bestehen die konkurrierenden Diagnosen 1-4, wobei letztere noch unter der erheblichen Adipositas der US verborgen sind. Die operative Therapie einschließlich multipler Spülungen hatte den größten Ressourcenverbrauch > ergo ist 4 die HD!

    D'accord :thumbup: ?

    Bin gespannt
    Schon mal schönes WE 8)

    riol

    Viszeralchirurg/Unfallchirurg

    • Offizieller Beitrag

    Hallo,

    klingt es nicht so, als sei der Patient schon unter dem Bild einer Sepsis mit Organversagen aufgenommen worden? Dann wäre das wohl die HD.

    Mit freundlichen Grüßen

    D. D. Selter

    Ärztlicher Leiter Medizincontrolling

    Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Murnau

  • Respekt Hr. Selter, stimmt eigentlich auch...aber wenn SIRS nicht vollumfänglich erfüllt(Doku?) dann spräche gerade mit der operativen Versorgung (Ressourcen? wer berechnet eigentlich AB, Infusionen, Physiotherapie, Pflegestunden etc. in Bezug auf die Einzeldiagnosen, gibts da was zum Nachschauen?) einiges für die Abszesse (Verlauf ja hir nur kurz dargestellt worden)
    ...aber Innere Medizin ist und bleibt in dieser Hinsicht nicht selten nebulös...


    rokka

  • Hallo Herr Selter,

    wie schon gesagt: Bei Aufnahme bestanden viele Diagnosen (Erysipel, SIRS, Nierenversagen, Lungenödem, Muskellogenabszesse beide US). Alle für sich reichten als HD aus! Die Muskellogenabszesse als eigentliche Ursache der Gesamtproblematik wurden aufgrund der Adipositas der Beine etwas später erkannt und erst nach deren operativer Sanierung besserte sich der Gesamtzustand des Pat.!
    Es heißt ja in der D002f: "..... nach Analyse.....Veranlassung des stationären Aufenthaltes", was m.E. nicht gleichbedeutend ist mit Aufnahmegrund!! Der primäre Grund mag das SIRS-Geschehen sein, Ursache waren aber die Abszesse, die mit dem größten Ressourcenaufwand saniert wurden.
    Ich sehe das vergleichbar zu einem Pat., der mit einem Ileusbild zur Aufnahme kommt (= Aufnahmediagnose), notfallmäßig ein Stoma erhält und im weiteren Verlauf ein Rektumkarzinom (oder stenosierende Divertikulitis) als Ursache gefunden wird, was im gleichen Aufenthalt reseziert wird. Auch hier wäre das Karzinom (die stenosierende Divertikulitis) die HD, oder?

    Grüße

    riol

    Viszeralchirurg/Unfallchirurg

    • Offizieller Beitrag

    Hallo riol,

    in ihrem Zitat fehlt das Wort "hauptsächlich". Wenn sie sagen, dass der Patient mit Sepsis aufgenommen wurde (lese ich nach wie vor aus ihrer Beschreibung heraus: SIRS, Organversagen), ist das Thema der HD schnell erledigt. Eine Sepsis ist dann hauptsächlich verantwortlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes des Patienten. Das Thema des Ressourcenverbrauchs spielt dann überhaupt keine Rolle. Die genannten Diagnosen erfüllen eben nicht gleichermaßen die Kriterien der HD nach D002.

    Keine andere Diagnose ist dann "mehr" verantwortlich, als die Sepsis mit ihrer Mortalitätsrate. Es geht nicht darum, wo das Übel seinen Ursprung hat (gilt nur für +*, D012 s.u.), sondern was das Übelste bei Aufnahme war (platt gesagt).


    DKR D012
    Diese Reihenfolge für die Ätiologie-/Manifestationsverschlüsselung gilt nur für das Kreuz-/Stern-System. Die Hauptdiagnosenregelung der DKR D002 erfährt somit außerhalb der Kreuz-/Stern-Systematik in Bezug auf die Reihenfolge von Ätiologie-/Manifestationskodes keine Einschränkung.

    Genauso wenig werden sie bei einem Patienten mit Lungenembolie die TVT als HD zuordnen, auch wenn beides bei Aufnahme vorlag.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo,

    meinen Sie:
    "Bestehen bei der Aufnahme ins Krankenhaus zwei oder mehrere Krankheiten oder Beschwerden, die jeweils für sich genommen bereits stationärer Behandlung bedurften, kommt es darauf an, welche von ihnen bei retrospektiver Betrachtung objektiv nach medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnis hauptsächlich die stationäre Behandlung erforderlich machte. Das ist die Diagnose mit dem größten Ressourcenverbrauch."

    Die Verknüpfung ist blanker Unsinn und nur herzustellen, wenn man nicht weiß, von was man spricht.

    Wäre dem so, dürfte es die D002 (1. Definition und 2. Einschränkung bei "gleichberechtigten" Diagnosen im Sinne der Definition) gar nicht in der jetzigen Art geben bzw. müsste diese folgendermaßen lauten:

    D002f Hauptdiagnose
    Die Hauptdiagnose wird definiert als:
    „Die Diagnose, die nach Analyse für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes des Patienten verantwortlich ist.”
    Der Begriff „nach Analyse” bezeichnet die Evaluation der Befunde am Ende des stationären Aufenthaltes, um diejenige Krankheit festzustellen, die für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes verantwortlich war. (...)
    Wenn zwei oder mehrere Diagnosen bei Aufnahme vorliegen und diese jeweils für sich alleine die Veranlassung für den stationären Krankenhausaufenthalt verantworten würden, muss vom behandelnden Arzt entschieden werden, welche Diagnose für Untersuchung und/oder Behandlung die meisten Ressourcen verbraucht hat. Diese ist dann als Hauptdiagnose zuzuordnen.

    "medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnis hauptsächlich die stationäre Behandlung erforderlich machte" ist ja gerade der Punkt, der dann eben nicht mehr den Ressourcenaufwand auf den Plan ruft, sondern nur, wenn es mehrere gleichberechtigte (gleichermaßen) Hauptdiagnosen in diesem Sinne gibt. "Hauptsächlich" und "gleichermaßen" sind die Begriffe, die hieran überhaupt keinen Zweifel lassen können.

    Ich bin ja fast geneigt, dies unter "Vorsicht Satire" laufen zu lassen.....

  • Hallo Herr Selter,

    Sie sprechen mir aus der Seele (s. hier, Post 769).

    Allerdings wird das ja auch von Krankhausseite durchaus anders interpretiert (Schlottmann, Kaczmarek).

    Wie dem auch sei, das "Kodierteam Kassel" macht die Pace.

    Viele Grüße

    Medman2

  • Hallo zusammen,

    ich möchte etwas widersprechen :S

    Es heißt:

    D002f Hauptdiagnose
    Die Hauptdiagnose wird definiert als:
    „Die Diagnose, die nach Analyse für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes des Patienten verantwortlich ist.”

    Es wird immer gerne auf Veranlassung rumgepocht und meint damit, den Aufnahmegrund meist die Erstdiagnose implizierend.
    Ist aber nicht der GESAMTE ÁUFENTHALT gemeint (s.o.) und sieht die Sache dann nicht ganz anders aus?
    Und spielen die Ressourcen dann eine nicht zu vernachlässigende Rolle und können mitentscheiden über die HD?
    Wenn eine wichtige Diagnose bei der Aufnahme vorgelegen hat (und sogar Ursache der primären Symptome ist!) , aber erst später entdeckt und aufwendig saniert wird, warum kann das nicht die HD für den Aufenthalt sein?


    Grüße

    riol

    Viszeralchirurg/Unfallchirurg