Medizinische Indikation durch Einweisung gegeben?

  • Hallo liebe Experten :)

    Folgende Situation, kurz umrissen:
    Patientin kommt mit fachärztlicher Einweisung zur Sterilisation bei abgeschlossener Familienplanung. Fall wird ambulant abgewickelt, Pat. geht am selben Tag Abends wieder nach Hause.
    Nun ist dieser Fall laut KV durch Pat. selbst zu bezahlen, da keine Kostenübernahmezusage seitens der KV vorlag. Da hat die KV natürlich recht.
    Es liegen bei der Pat. aber einige Nebendiagnosen vor, die eine medizinische Indikation auf jeden Fall begründen. Ich habe mir eine ärztliche Stellungnahme durch den behandelnden Arzt geholt, die den Fall begründet und eine Indikation darstellt, aber darum geht es gar nicht.
    Laut dem Chefarzt sei eine Indikation IMMER gegeben, wenn eine fachärztliche Einweisung vorliegt. Ich bin mir ziemlich sicher, dass dem NICHT so ist. Es wäre schön, wenn ich dies, gerne mit Quelle, begründen könnte.

    Beste Grüße und einen guten Start in die Woche ;)

  • Hallo,
    durchsuchen Sie einfach die Urteile des BSG und den Beschluss des großen Senats dazu (Stichwort Einschätzungsprärogative).

    Herzliche Grüsse aus Mittelfranken
    E. Horndasch

  • Der Chefarzt widerspricht sich ja insofern selber, als eine Einweisung vorlag aber der Eingriff dann ambulant abgewickelt wurde. Der Aufnahmearzt hat sich also ein eigenes Bild gemacht, wie das auch laut $ 39 SGB V erforderlich ist.
    Entscheidend ist aber, dass es um zwei völlig verschiedene Aspekte geht: Das eine ist die Indikationsfrage zur Sterilisation und das andere die Frage, wer diese Form der Empfängnisverhütung bezahlen muss. Die beiden Aspekte haben direkt nichts miteinander zu tun.

    Mit freundlichen Grüßen

    Breitmeier

  • Ok, meine Frage war etwas umständlich formuliert. Anders gefragt:

    Reicht eine fachärztliche Einweisung zur Sterilisation in ein Krankenhaus aus, um die Behandlung der KV in Rechnung zu stellen?
    Ich finde nicht. Eine Einweisung alleine kann doch niemals ausreichend sein. Meiner Ansicht nach muss zusätzlich eine medizinische Indikation vorliegen. Liegt keine medizinische Indikation, also Notwendigkeit, vor, ist die Sterilisation m.E. nach von der Patientin selbst zu zahlen.
    Eine Einweisung allein rechtfertigt nicht die Kostenübernahme der KV.

  • Guten Morgen,

    vielleicht hilft Ihnen das weiter: https://www.g-ba.de/downloads/39-2…assung_BAnz.pdf
    Und darin steht auch:

    Über die Aufnahme in das Krankenhaus zur stationären Behandlung und über die Art der Behandlung entscheidet die Krankenhausärztin oder der Krankenhausarzt.


    Im AOP-Bereich gibt ein BSG-Urteil (B 1 KR 1/13 R), das ausführt:

    "Nach § 2 Abs 4 SGB V haben nämlich auch Leistungserbringer - neben KKn und Versicherten - darauf zu achten, dass die Leistungen wirksam und wirtschaftlich erbracht und nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden. Die Regelung trifft keine Ausnahme für beauftragte Vertragsärzte oder Krankenhäuser im Rahmen der Leistungserbringung nach § 115b SGB V. Sie erweitert vielmehr den Adressatenkreis des Wirtschaftlichkeitsgebots, das sich nach dem Inhalt des § 2 Abs 1 S 1 SGB V unmittelbar nur an die KK richtet, auf alle Leistungserbringer und Versicherte (vgl BSGE 109, 116 = SozR 4-2500 § 125 Nr 7, RdNr 15 mwN). Auch § 12 Abs 1 S 2 SGB V bestimmt, dass Leistungserbringer Leistungen nicht bewirken dürfen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind. Diese Bestimmungen begründen eine eigenständige Verantwortung auch für beauftragte Vertragsärzte oder Krankenhäuser im Rahmen der Leistungserbringung nach § 115b SGB V, für die Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit ihrer Leistungen zu sorgen."


    Und natürlich wäre die Sterilisation ohne med. Indikation von der Patientin selbst zu zahlen, fraglich ist in diesem Fall allerdings, ob sie darüber vorher informiert war.


    Schöne Grüße


    Dr. Angela Klapos

    Einmal editiert, zuletzt von Dr. Klapos (5. September 2017 um 11:36)

  • Hallo decu, Sie haben mit Ihrer Ansicht völlig recht: Eine Einweisung allein ist nicht ausreichend!
    Dies gilt sowohl für die Frage der Kostenübernahme allgemein ( GKV- Leistung?) als auch im Speziellen zur Notwendigkeit der vollstationären Behandlung.

    Mit freundlichen Grüßen
    Breitmeier

    Mit freundlichen Grüßen

    Breitmeier

  • Hallo decu,

    Herr Horndasch meint die Entscheidung des BSG vom 25.9.2007 - GS 1/06

    Auch dort wird Ihre Frage nicht unmittelbar beantwortet. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde von einer "Einschätzungsprärogative" des aufnehmenden Krankenhausarztes ausgegangen. Das bedeutet, dass ihm die Prärogative eingeräumt wurde, die Indikation zur stationären Behandlung zu stellen, ohne das dies gerichtlich überprüfbar war. Mit der BSG-Entscheidung wurde festgelegt, dass diese Entscheidung gerichtlich überprüfbar ist.


    Die Entscheidung zur stationären Behandlung trifft der KH-Arzt, nicht der einweisende Arzt. Eine Einschätzungsprarogative des einweisenden Arztes, egal ob Facharzt oder Nicht-Facharzt, bestand meines Wissens nicht. Die Einweisung ist mithin kein Freibrief, den Patienten stationär behandeln zu können.

    Viele Grüße

    Medman2

  • Hallo,

    ich schließe mich hier den Vorredner an: der Fall ist zwischen medizinischer Indikation und (vollstationärer) Einweisung/Abrechnung als AOP zu trennen.

    Nach einem Besprechungsergebnis des GKV-Spitzenverbandes aus Dezember 2014 zum §24b SGB V ist eine medizinische Indikation gegeben, wenn durch eine (erneute) Schwangerschaft eine Gefahr für die Mutter besteht. Nicht medizinisch indiziert ist eine Sterilisation, wenn dadurch eine Zeugung eines möglicherweise schwerkranken Kindes verhindert werden soll. Und: die Sterilisation des Ehemannes ist nur dann eine Leistung der GKV, wenn durch eine Schwangerschaft eine unmittelbare Gefahr für die Frau besteht und bei ihr aufgrund medizinischer Gründe keine Sterilisations-OP erfolgen kann (zugegeben, das ist eine ganz, ganz seltene Kombination, aber durchaus möglich).

    Über die medizinische Indikation entscheidet der Vertragsarzt, einer vorherigen Prüfung durch die Kasse/den MDK bedarf es nicht.

    Wenn denn eine solche medizinische Indikation festgestellt wurde (also, einfach gesagt eine erneute Schwangerschaft eine unmittelbare Gefahr für die Mutter darstellen würde), dann kann der Eingriff zu Lasten der GKV abgerechnet werden (ambulant über die Versichertenkarte, als AOP oder -bei entsprechender Notwendigkeit- auch stationär).

    Um auf das Beispiel von decu zurück zu kommen: Der Vertragsarzt (Facharzt) sieht hier eine medizinische Indikation (wobei: abgeschlossene Familienplanung "stört" in dem Kontext etwas, das klingt eher nach sozialer/privater Indikation, warum stellt eine erneute Schwangerschaft jetzt eine Gefahr dar?), der Chefarzt operiert als AOP und Sie rechnen nach §115b SGB V ab.

    Warum wird der Fall von der KV (was meinen Sie damit: Krankenversicherung oder Kassenärztliche Vereinigung?) abgewiesen? Beide würden ja dem o.g. Besprechungsergebnis ohne Begründung widersprechen.

    Gruß
    zakspeed

  • Wirklich gute Antworten bisher, haben mir schon sehr geholfen.

    Mit KV meine ich Krankenversicherung.
    Bei der Patientin wurde wohl nach der letzten Schwangerschaft MS und einige weitere Diagnosen gestellt, so dass sich der Eingriff wohl irgendwie begründen lässt. Der Zusatz "abgeschlossene Familienplanung" ist zwar Fakt, ist aber nebensächlich.
    Hier ging es wirklich nur darum, ob generell eine Einweisung ausreicht, um der Krankenversicherung eine Sterilisation in Rechnung zu stellen.

    Beste Grüße