MDK Kürzung wegen angeblichen Behandlungsfehlers

  • Der MDK Prüfer hat in einem konkreten Fall bemängelt, dass eine vor Kontrastmittelgabe indizierte Nephroprotektion nicht leitliniengerecht durchgeführt worden sei. Die dadurch verlängerte Behandlung nach Kontrastmittelgabe wurde um 2 Tage gekürzt.
    In dem konkreten Fall ist der Vorwurf nicht haltbar, da eine adäquate Vorwässerung durchgeführt wurde und entsprechend dokumentiert ist.

    Unabhängig von dem konkreten Fall, ist die gezielte Prüfung auf einen möglichen Behandlungsfehler und die dadurch begründete "Bestrafung" durch Kürzung der vergüteten Verweildauer durch den MDK Gutachter im Rahmen der Abrechnungsprüfung zulässig und vom Gesetzgeber gewollt?

    Man könnte dieses unendlich weiterspinnen und demnächst die Verweildauer kürzen, weil nicht sofort auf einen CRP Anstieg reagiert wurde und das Antibiotikum zu spät begonnen wurde etc. etc. etc.... ?(

  • Die Prüfung der Abrechnung und die Prüfung auf einen möglichen Behandlungsfehler unterliegen unterschiedlichen Paragraphen im SGB. Sie können daher lege artis nicht miteinander verknüpft werden.
    Zu Ihrem Beispiel hätte ich noch eine Nachfrage:
    Meint der Gutachter, dass eine Nierenprotektion laut Leitlinie nicht indiziert war und die dafür aufgewendeten Tage zu streichen sind? Oder geht es darum, dass sich die Verweildauer unnötig verlängerte, weil eine notwendige Nierenprotektion nicht oder nicht richtig appliziert wurde und der Pat. Deshalb Schäden nahm und unnötig lange hospitalisiert war?
    Dritte Variante wäre, dass der Gutachter als "Strafe" für ein nicht leitliniengerechtes Verhalten einen Abzug von 2 Belegubgstage für angemessen hielte.

    Mit freundlichen Grüßen

    Breitmeier

  • Der MDK Gutachter war der Auffassung, dass die Nierenprotektion NICHT angemessen DURCHGEFÜHRT wurde und daher der Aufenthalt durch eine verlängerte Nachbehandlung ("Wässerung", i.v. Flüssigkeitstherapie") unnötig verlängert wurde.

    In dem konkreten Fall kann ich die korrekte Durchführung der Nierenprotektion belegen und auch alle anderen damit verbundenen Vorwürfe wie zuviel Kontrastmittel etc - dies war alles gut begründet und indiziert. Hier habe ich persönlich keine Zweifel.

    Unabhängig davon interessiert mich aber ob diese Art der Prüfung durch den MDK akzeptiert werden muss/sollte oder nicht.

    Leitlinien gibt es heutzutage für alles mögliche und für immer mehr Einzelpunkte (ich selbst bin bei der Erstellung einer Therapie-Leitlinie einer europäischen Fachgesellschaft vor 3 Jahren beteiligt gewesen). Wenn man eine solche Prüfung akzeptiert, dann ist zukünftig eine Kürzung bei allen möglichen Streitfragen möglich: zu späte Antiobiotikatherapie, falsche Antibiotikawahl, operative Komplikation durch Nichtbeachtung eventuell vorliegender Empfehlungen etc etc..

    Wenn man ein solches Vorgehen akzeptiert, dann kann zukünftig der MDK Gutachter bei JEDER Komplikation die zu einer Verlängerung des Krankenhausaufenthaltes führt nach einer Verletzung der Behandlungsleitlinien suchen und die Verweildauer unter dieser Begründung kürzen. Im Extremfall wird darauf eine Kürzung von "Monaten Beatmungstherapie" auf Intensiv, wegen einer unzureichenden Akutbehandlung mit hypoxischem Hirnschaden. "Nicht leitliniengerechte Reanimation".

  • Ich verstehe, worauf Sie hinauswollen.
    Im Moment sehe ich die Gefahr noch nicht, jedenfalls nicht flächendeckend.
    Aber zukünftig wird die Entwicklung wohl darauf zulaufen, weil das BSG schon mehrmals geurteilt hat, dass ein KHS nur Anspruch auf die Bezahlung hat, die medizinisch erforderlich und gleichzeitig wirtschaftlich ist. Wenn es zwei medizinisch gleichwertige Vorgehensweisen gibt, muss das KHS den kostengünstigeren Weg wählen oder bekommt ihn jedenfalls in einem Rechtsstreit nur bezahlt.
    Wenn dies schon für medizinisch gleichwertige Maßnahmen gilt, ist es irgendwie schon konsequent zu Ende gedacht , eine medizinisch "schlechtere" Leistung nicht mit einem höheren Erlös zu honorieren...
    Allerdings ist diese Frage nur schwer im Einzelfall zu beantworten. Und ein "Verstoss " gegen Leitlinien ist noch nicht automatisch schlechte Medizin, wenn die Ärzte sich etwas dabei gedacht haben und dies vorallem auch dokumentiert haben !

    Mit freundlichen Grüßen

    Breitmeier

  • Hallo nordman,

    ich kann Breitmeier nur zustimmen, das sind zwei unterschiedliche Prüfungen (§ 275 SGB V bzw. § 116 SGB X), die nicht miteinander vermischt werden sollten. Grds. kann natürlich der MDK auch im Rahmen einer Abrechnungsprüfung Anhaltspunkte für einen Behandlungsfehler "entdecken" und diese dann an die Kasse melden, allerdings beruht m.E. der Erstattungsanspruch dann nicht auf einer Fehlabrechnung - die verlängerte stationäre Behandlung war insofern ja medizinisch indiziert - sondern auf einem zivilrechtlichen Schadenersatzanspruch, der auf den Sozialleistungsträger übergeht und ggf. vor einem Zivilgericht einzufordern wäre. Würde man hier vor dem Hintergrund des mit dem BSG ja äußerst weit ausgelegten Wirtschaftlichkeitsgebots eine lapidare Unwirtschaftlichkeit der Behandlung annehmen und die Verrechnung nach PrüfvV zulassen, dürften sich dann demnächst Sozialgerichte mit der inzidenten Prüfung von zivilrechtlichen Behandlungsfehlervorwürfen konfrontiert sehen...

    MfG, RA Berbuir

  • Dritte Variante wäre, dass der Gutachter als "Strafe" für ein nicht leitliniengerechtes Verhalten einen Abzug von 2 Belegubgstage für angemessen hielte.

    Hallo Herr Breitmeier,

    liegt nach Ihrer Auffassung die Entscheidung über "Strafen" im Aufgabengebiet eines medizinischen Gutachters?

    Viele Grüße

    Medman2

    • Offizieller Beitrag

    Guten Tag

    Leitlinien sind keine Richtlinien

    Diesen Unterschied sollte der Gutachter kennen
    http://www.berliner-anwaltsverein.de/wordpress/wp-c…linien-2012.pdf
    siehe Folie 2 und ab Folie 20

    Probleme mit Leitlinien:
    https://www.swr.de/odysso/bezahlt…5t0s/index.html

    Vier von fünf Autoren medizinischer Leitlinien haben finanzielle Verbindungen zur Pharmaindustrie. Im Durchschnitt sind zwei dieser vier sogar Angestellte oder enge Berater der Firmen, deren Medikamente sie dann in den Leitlinien empfehlen (JAMA 2002; 287: 612). Damit scheinen Interessenskonflikte vorprogrammiert.


    Leitlinie Begutachtung
    [*]
    http://www.awmf.org/uploads/tx_szl…ung_2013-07.pdf

    „Vor jeder Annahme eines Gutachtenauftrages muss der Gutachter entscheiden, ob er für die gestellten Fragen kompetent ist, d.h. über die notwendige
    medizinische/sozialmedizinische Fach- und Sachkompetenz verfügt sowie die
    rechtlichen Grundlagen der Begutachtung kennt. Ist dies nicht der Fall, muss er den
    Auftrag zurückgeben oder bei nur partiell fachfremder Fragestellung die Erlaubnis für
    die Einholung eines Zusatzgutachtens einholen. Kompetenzüberschreitungen machen ein Gutachten wertlos.“


    „Dritte Variante wäre, dass der Gutachter als "Strafe" für ein nicht leitliniengerechtes Verhalten einen Abzug von 2 Belegubgstage für angemessen hielte.“

    Kommentar:
    Der Gutachter hat keinen Erziehungsauftrag sondern einen Arbeitsauftrag


    Gruß

    E Rembs

  • Moin,

    einen ähnliche Fall hatten wir, eine Begutachtung durch einen Fachgutachter ergab eine korrekte Vorgehensweise, der Fall wurde zu unseren Gunsten entschieden, Gerichts und Anwaltskosten zu Lasten des Kostenträgers nach vorher ergebnislosem Versuch, eine Leistungsentscheidung der Kasse einzuholen

    Gruß

    merguet

  • Hallo Herr Breitmeier,
    liegt nach Ihrer Auffassung die Entscheidung über "Strafen" im Aufgabengebiet eines medizinischen Gutachters?

    Hallo medman2,

    Selbstverständlich nicht 8) ! Das war nicht meine Meinung sondern eine mögliche Interpretation. Es gibt aber sicherlich Gutachter, die fälschlich annehmen, Sie könnten KHS für eine " schlechte" Behandlung bestrafen. Aber so eine Herangehensweise ist m.E. unprofessionell.

    Mit freundlichen Grüßen

    Breitmeier