Off-Label-Use von Xeplion (Paliperidon)

  • Hallo ihr Lieben,

    ich bearbeite einen Altfall aus dem Jahre 2016. Der MDK prüfte einen Aufenthalt einer Patientin, welche mit der Diagnose einer "gemischten Episode bei schizoaffektiver Störung" (F25.2) zur (wiederholten) stationären Behandlung im Hause war. Die Patientin bekam einmalig Xeplion(r) (Wirkstoff: Paliperidon) i.m. appliziert. Die korrekte Kodierung der Applikation wurde durch das Gutachten bestätigt, nicht aber die medizinische Indikation. Die Gutachterin gibt an, dass Xeplion laut Fachinformation lediglich zugelassen ist für die Erhaltungstherapie bei Schizophrenie. Der fallführende Oberarzt aus dem Hause gibt an, dass es jedoch gelebte Praxis wäre das Medikament auch einem solchen Patientenkreis - unter Würdigung aller medizinischen Aspekte - zu applizieren. Für den besagten Patientenkreis (F25/ F20 Diagnosen) gäbe es laut dem Oberarzt eigentlich kein zugelassenes Medikament ...

    Gemäß einem Schrieb vom MDK Bayern muss der zuständige Arzt den Patienten zunächst ausführlich über den "off-Label-Use" des entsprechenden Medikamentes aufklären und die Zustimmung einholen. Zudem muss der Arzt einen Antrag auf einen "off-Label-use" bei dem entsprechenden Kostenträger (Krankenkasse) einholen.

    Stimmt dies?

    https://www.mdk-bayern.de/der-mdk/mehr-a…-label-use.html

    Unter dem o.g. Link stehen noch weitere Kriterien, die erfüllt sein müssen. Der MDK Bayern bezieht sich auf Festlegungen durch das Bundessozialgericht und Bundesverfassungsgericht, und auf ein Urteil vom Bundesverfassungsgericht aus dem Jahr 2005 ...

    Hat jemand "neue" Urteile dazu gefunden? Oder Erfahren mit dieser Thematik?

    Freue mich über einen Austausch!

    Grüße :saint:

    Life is no Sugarlicking.

  • Hallo,

    ja der Patient sollte/muss über den off-label-use aufgeklärt sein und auch am besten dafür unterschrieben haben. (Wurde bei uns gerade vor dem SG diskutiert.)

    Zudem muss der Arzt einen Antrag auf einen "off-Label-use" bei dem entsprechenden Kostenträger (Krankenkasse) einholen.

    Dies ist meines Wissens nach für den stationären Bereich nicht der Fall.

    Grüße

  • Danke Satori für die Antwort. Das bedeutet, dass die gründliche Aufklärung über den off-Label-Use die Gabe des entsprechenden Medikamentes absichert und rechtfertigt. Aber trotzdem bleibt die Kasse garantiert bei dem Standpunkt, dass die Indikation (gemäß Arzneimittelzulassung) nicht für den besagten Diagnosebereich gilt... egal, ob der Patient dem off-label-use zugestimmt hat, oder?

    MfG

    Life is no Sugarlicking.

  • Hallo,

    ich denke, die Zustimmung alleine reicht nicht; es muss auch noch dargelegt werden, warum keine Therapie mit einem für die Indikation zugelassenen Medikament möglich war.

    Gruß

    B.W.

  • Hallo zusammen,

    Google ergibt allerdings, dass es seit 2011 eine Zulassung von Invega (oral) zur Therapie von schizoaffektiven Störungen gibt. Evtl. lässt sich das ja fruchtbar machen, falls es da keinen weiteren Unterschied außer der Applikationsform gibt...?

    MfG, RA Berbuir

  • Ich habe mit dem zuständigen Pharmareferenten von Xeplion diesbezüglich ausführlich gesprochen. Die Indikation besteht nur für F20.0. Selbst für eine drogeninduzierte Psychose ist das Medikament nicht zugelassen.

    Viele Grüße,

    Paliperidon ;)

  • Hallo liebe Kollegen,

    für den off-Label use im Krankenhaus gilt:

    Aufgrund des Verbotsvorbehaltes können sie grundsätzlich erst einmal jedes Medikament einsetzen, dass medizinisch für sinnvoll erachtet wird. Der Patient ist darüber entsprechend aufzuklären und dies ist schriftlich zu dokumentieren. Solange die Gabe innerhalb der allgemeinen Krankenhausleistungen liegt, also mit der PEPP/ den Pflegesätzen (oder der DRG) abgegolten ist, wird sich auch keine Kasse dafür interessieren.

    Anders sieht es auch, wenn es abrechnungsrelevant wird, wie hier beim Paliperidon (ZE 2018-26).

    Hier sollten sie sich § 2 Abs. 1 a SGB V ansehen:

    (1a) Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, können auch eine von Absatz 1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Die Krankenkasse erteilt für Leistungen nach Satz 1 vor Beginn der Behandlung eine Kostenübernahmeerklärung, wenn Versicherte oder behandelnde Leistungserbringer dies beantragen. Mit der Kostenübernahmeerklärung wird die Abrechnungsmöglichkeit der Leistung nach Satz 1 festgestellt.

    Dieser Paragraph fußt auf dem "Nikolaus-Urteil" des BSG.

    D.h. für eine Genehmigung von einer off-Label Medikation ist es erforderlich, dass

    - eine lebensbedrohliche Erkrankung vorliegt

    - es keine Alternative für die Therapie gibt

    - vorliegende Studien aufzeigen, dass die Erkrankung zumindest verbessert werden kann.

    Unter diesen Voraussetzungen ist eine off-label Kostenübernahme des Zusatzentgeltes Paliperidon schwer vorstellbar. Es sei denn (wenn man weit denkt), der Patient ist so krank, dass eine permanente Suizidalität besteht.

    Sie können Paliperidon auch geben, ohne das ZE abzurechnen. Auch dann benötigen sie nur die Aufklärung. Bei Abrechnung des ZE aber sollten sie darauf gefasst sein, dass die Kassen eine Prüfung einleiten oder direkt das ZE streichen. Für das erkennen eines off-Label benötigt man ja keinen MDK in diesem Fall.

    Wenn Sie das vermeiden, das ZE aber dennoch abrechnen wollen, bleibt nur der vorherige Antrag auf Kostenübernahme und bei Ablehnung ggf. der Versuch, einen Muster-Fall gerichtlich entscheiden zu lassen. Die Aussicht auf Erfolg hängt von der Erkrankung ab.

    Die Kassen machen das übrigens nicht aus Bösartigkeit. Denkt man an die Todesfälle bei Viagra oder andere, dann macht eine off-Label Regelung zum Schutz des Patienten Sinn! Für alles andere gibt es Studien.

    Ich hoffe, dies hilft Ihnen weiter. Ich bin übrigens nur Hobby-Jurist, die mit lesenden Anwälte dürfen mich also gern korrigieren ;)

    Viele Grüße

    SKoch

  • Hallo,

    ich bedanke mich erst einmal für die wirklich interessanten, hilfreichen Antworten.

    Ich war die Tage bei einer PEPP Fortbildung. Die dort getätigten Aussagen zum Thema off-Label use decken sich mit den hier niedergeschriebenen Ausführungen.

    Diese Informationen werde ich an den ärztlichen Dienst weiterleiten.

    Danke!

    MfG

    Life is no Sugarlicking.