Transportzeit bei neurologischer Komplexbehandlung

  • Werte Forumsmitglieder,

    für die neurologische Komplexbehandlung des Schlaganfalls besteht die Strukturvoraussetzung

    • "Zugang zu neurochirurgischen Notfalleingriffen sowie zu gefäßchirurgischen und interventionell-neuroradiologischen Behandlungsmaßnahmen Kooperationspartner in höchstens halbstündiger Transportentfernung (Zeit zwischen Rettungstransportbeginn und Rettungstransportende). Das Strukturmerkmal ist erfüllt, wenn die halbstündige Transportentfernung unter Verwendung des schnellstmöglichen Transportmittels (z.B. Hubschrauber) grundsätzlich erfüllbar ist."

    Nun ist der Begriff "halbstündige Transportentfernung" schon etwas problematisch, da Entfernungen gemeinhin in km etc. angegeben werden.

    Das DIMDI erläutert dazu in FAQ 8033:

    • "Im Falle eines externen Kooperationspartners darf die Transportentfernung (Zeit zwischen Rettungstransportbeginn und Rettungstransportende) nicht mehr als eine halbe Stunde betragen."

    Nach meinem Verständnis beginnt der Transport mit der Abfahrt/dem Abflug? Verstehe ich das richtig?

    Gibt es dazu Gerichtsentscheidungen?

    Viele Grüße

    Medman2

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Medman2,

    vielleicht hilft das hier etwas weiter:

    Az. L 5 KR 90/16: Eine nur theoretisch und nicht grundsätzlich (rund um die Uhr) erfüllte Voraussetzung einer halbstündigen Transportentfernung reiche für die Kodierbarkeit des der Abrechnung zu Grunde liegenden OPS 8-98b (2014) nicht aus

    https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.…=esgb&id=197263

    Viele Grüße

    B. Sommerhäuser

  • Hallo medman2,


    zum Thema Transportentfernung gibt es noch ein paar weitere Entscheidungen: LSG RP 2017, LSG TH 2013 und BSG 2015, die aber allesamt keine Ausführungen zu der von Ihnen angesprochen Festlegung des Transportbeginns bzw. -endes treffen. Ich erinnere mich aber an ein Verfahren, welches ohne Urteil endete, in dem das Gericht auf den Übergabezeitpunkt an das Transportteam (=K/RTW bzw. RTH) abstellte, da zu diesem Zeitpunkt auch die Verantwortung übertragen wird und dieser auch regelmäßig im Einsatzprotokoll (Abfahrt/Übergabe) dokumentiert wird.

    MfG, RA Berbuir

  • Nach dem Urteil, dass Herr Sommerhäuser verlinkt hat, kommt es jedenfalls beim LSG Rheinland-Pfalz nicht nur auf die reine Transportzeit an:

    Die Gleichsetzung der Behandlungsmöglichkeit bei einem in halbstündiger Transportentfernung gelegenen Kooperationspartner mit der Behandlungsmöglichkeit in einer eigenen Abteilung des jeweiligen Krankenhauses zeigt vielmehr, dass die Transportzeit zum Kooperationspartner der Transportzeit in eine eigene Abteilung des Krankenhauses zumindest angenähert sein muss. Die offensichtliche Dringlichkeit der durchzuführenden Behandlungsmaßnahmen im Zusammenhang mit einem akuten Schlaganfall spricht dafür, bei der Bestimmung von Rettungstransportbeginn und -ende maßgeblich auf die Zeit zwischen der Feststellung der Notwendigkeit eines neurochirurgischen Notfalleingriffs bzw. einer gefäßchirurgischen oder interventionell-radiologischen Maßnahme und dem möglichen Beginn der jeweiligen Maßnahme bei dem Kooperationspartner abzustellen.“

    Mit freundlichen Grüßen

    Breitmeier

  • Kurzes Update: Laut aktueller Liste der anhängigen Verfahren beim BSG, sind dort jetzt zwei Revisionen zur Frage, ob die Transportzeit des OPS 8-98b auch dann grundsätzlich eingehalten ist, wenn der Heli nur bei Tageslicht fliegen kann (u.a. die von Herrn Sommerhäuser benannte). Da ging es ja auch um die Frage, ob die Aktivierungszeit (also Zuführung des extern stationierten Helis) bereits zur Transportzeit hinzuzurechnen ist. Ob das gutgeht...?=O

  • Mich wundert es eher, dass die Klinik den Sachverhalt bis zum BSG hochträgt, da ich die LSG Entscheidung medizinisch absolut vernünftig finde ( s.o.). Es wäre m.E. sehr erstaunlich, wenn das BSG hier dem KHS zulasten des Patientenwohls Recht geben würde.

    Mit freundlichen Grüßen

    Breitmeier

  • Hallo Herr Breitmeier,


    prima vista durchaus nachvollziehbare Argumentation, secunda vista jedoch nicht.

    Kein Patient wird deswegen primär in einem anderen Krankenhaus aufgenommen oder sekundär in ein anderes Krankenhaus verlegt. Es resultiert lediglich eine andere Vergütung des primär behandelnden Krankenhauses, mit der Konsequenz, dass die weit überwiegenden sonstigen diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen, für die die Vergütung erfolgt, eingestellt werden.

    Viele Grüße

    Medman2

  • Hallo Medman2,

    Kurzfristig und bezogen auf den Einzelfall haben Sie sicherlich recht.

    Mittelfristig würde der Kode aber durch eine entsprechende Auslegung gestärkt ( aufgewertet), wovon die Zentren, die alle Kriterien jetzt schon erfüllen, dann natürlich profitieren. Und die anderen Kliniken und die Krankenhausplaner in den Ländern werden sich Gedanken über die Bildung solcher Zentren bzw. Die Verlagerung von Khs- Abteilungen machen müssen.

    Ausgangspunkt meiner Antwort war ja aber ein gewisses Unverständnis, warum die Klinik die Problematik der Anflugzeit des Heli durch ein BSG Urteil bundesweit publik machen möchte, wenn die Erfolgsaussichten nach meinem persönlichen Dafürhalten nicht optimal sind? Ich hatte auch Herrn Berbuir so verstanden, dass er eher pessimistisch für die Klinik ist.

    Mit freundlichen Grüßen

    Breitmeier

  • Hallo Herr Breitmeier,

    meine o.g. Überlegungen sind durchaus langfristiger Art. Kurzfristig führt dies zu einer anderen Vergütung des Einzelfalls, langfristig zu einer erheblichen Verschlechterung der Apoplexversorgung in den Flächenstaaten außerhalb von Städten mit einer Neurochirurgie bzw. interventionellen Radiologie.

    Viele Grüße

    Medman2

  • Sehe ich etwas anders. Auch in Flächenstaaten gibt es zum Einen natürlich Städte mit Maximalversorgern und die vielen kleinen „Landkliniken“ müssen eben durch Verlagerung von Abteilungen ggf. Solche Zentren aufbauen. Wenn jede kleine Klinik alles anbietet und meint, alle hochkomplexe Behandlungen selber erbringen zu können, ist den Patienten nach meiner Überzeugung nicht gedient.

    Aber ich kenne aus der gleichen Diskussion bezüglich der Perinatalmedizin auch einige gute Gründe für Ihre Sichtweise, Medman2.

    Mit freundlichen Grüßen

    Breitmeier