NIV und Weaning Gewöhnung BSG Urteil

  • Moin,

    wieder einmal ein super Urteil des Bundessozialgerichts. Wie in alles in der Welt sollen wir denn eine Gewöhnung an die Beatmung nachweisen bzw. beweisen? Was für Kriterien gibt es hier? Hier sind doch Tür und Tor offen. Dürfen wir nun die tolle SEG 4 Empfehlung 584 anwenden???

    Ein Weaning (Entwöhnung) gemäß DKR 1001 mit intermittierenden Phasen von

    Beatmung und Spontanatmung setzt eine vorherige Gewöhnung durch eine

    durchgehende Beatmung für mindestens 48 Stunden voraus.

    Mit 48 Stunden hätten wir jedenfalls eine konkrete Vorgabe. Es ist doch alles nur noch unfassbar...Wie werden sie vorgehen?

    Gruß Attila

    Einmal editiert, zuletzt von attila (28. Februar 2018 um 10:54)

  • Hallo,

    das war klar, dass nach dem Terminbericht nur noch ausführlich dargestellt wird, warum im vorliegenden Fall eine Entscheidung über die Anrechenbarkeit der Beatmungspausen nicht getroffen werden kann.

    Zumindest beinhaltet die Rückweisung ans LSG den „Auftrag“ einer Klärung bzgl. vorangegangener Gewöhnung an die Beatmung. Und dies erfordert medizinisch fachliche Gutachten/Stellungnahmen mit dahingehend entspr. (und nicht juristischer!) Kompetenz. Ein Hoffnungsschimmer … !

    M. E. besteht das größte Dilemma jedoch in den geltenden Kodierregeln, die – aus welchem Grund auch immer – trotz fachlicher Expertise in den entspr. Gremien nicht den heute üblichen und geltenden Behandlungsstandards der aktuellen Intensivmedizin angepasst wurden.

    Die o. g. BSG-Ausführungen stoßen uns mit Wucht z. B. auf die immer noch „klassische“ Sicht – vorausgehende durchgehende Beatmung >> in der Regel invasiv (Tubus oral, nasotracheal, Tracheostoma) >> Gewöhnung >> Entwöhung (Extubation, NIV).

    Wir alle wissen, dass dies insbesondere für die internistisch-pneumologische Intensivmedizin kaum anwendbar ist. Eine Anpassung der Kodierregeln, die z. B die höchst personal- und ressourcenintensive initiale tagelange NIV-Beatmung mit allenfalls kurzen Pausen bei Pneumonien oder exazerbierten COPD berücksichtigt und unstrittig mit durchgehender Anrechenbarkeit würdigt, fehlt.

    Stattdessen gibt es weiterhin nur Begrifflichkeiten wie „vorausgehende Beatmung“, „durchgehend“, „Beatmungspause“, „Gewöhnung“ … Termini, die in der heutigen Zeit der vielfachen Beatmungsmodi allenfalls als Überschriften dienen und ansonsten einer auch in den DKR abgebildeten Ausführung bedürfen.
    Dies ist sicher nicht einfach, gerade wenn das Regelwerk nicht überfrachtet werden soll und die unterschiedlich beteiligten Parteien sich auch noch einigen müssen. Trotzdem - die in den SG-Verfahren demarkierten Unschärfen müssen schon hier beseitigt werden.

    Aktuell wird durch die geltende DKR 1001 weiterhin die „klassische“ Sicht getriggert, und es fällt schwer, diese bei den vorhandenen Unschärfen im Regelwerk auf die heutigen Behandlungsstandards zu überführen.

    Man bedenke z. B. , dass immer noch das (90er Jahre-) Masken-CPAP eine gesonderte Erwähnung genießt, obwohl dies so gut wie niemand mehr anwendet. Seit vielen Jahren sind kombinierte Verfahren der assistierten maschinellen Unterstützung wie CPAP/ASB, PSV etc. etabliert und haben die reine CPAP-Maskenatmung längst abgelöst.

    Kurzum – 1. Hoffnung auf geeignete fachliche Gutachten bei aktuellen SG-Verfahren, 2. geeignete Klarstellungen/Anpassungen der DKR 1001 dringend erforderlich!

    VG

    geoff

  • Eine Änderung der DKR 1001 ist seit Jahren überfällig. Angesichts der immensen ökonomischen Bedeutung der Beatmungsstunden und der Tatsache, dass jede Änderung naturgemäß Gewinner und Verlierer produziert, bin ich weiter pessimistisch, dass die Nöte der Basis bei DKG und GKV- Spitzenverband so ankommen, dass eine praktikable Lösung gefunden werden kann. Ich schätze, dass würde schon die DKG allein vor eine Zerreissprobe stellen.

    Aus diesem Grund halte ich- gerade vor dem Hintergrund des aktuellen BSG- Urteils- die Kodierempfehlung 584 wie Attila für eine wenigstens praktikable Vorgabe.

    Wie eine Klinik ansonsten im Einzelfall beweisen soll, dass eine Gewöhnung eingetreten ist, erschließt sich mir nicht.

    Mit freundlichen Grüßen

    Breitmeier

  • Moin,

    ... Hier sind doch Tür und Tor offen.

    Hallo Attila,

    nein, hier sind Tür und Tor zu.

    Es ist doch beeindruckend, wie akribisch nicht abrechenbare Tatbestände verfolgt werden. Ja, da steht in den DKR, dass Zeiten der Sauerstoffgabe über Maskensysteme oder O2-Sonden nicht zur Entwöhnung gehören. Und das zelebriert das BSG mehrfach, und setzt noch einen drauf. Nicht nur, dass diese Zeiten nicht gezählt werden können, nein, eine Entwöhnungsbehandlung ist solange ausgeschlossen, solange diese Maßnahmen erfolgen [18]. Das steht zwar nicht in den DKR, wird aber mal eben dazu interpretiert.

    Eine Einigung auf DKR-Ebene ist nicht zu erwarten.

    Die entfallende Abrechenbarkeit führt ja nicht zu einem Wegfall der Kosten. Bis die Kalkulation wieder stimmt, dürfte die eine Seite einer erklecklichen Summe verlustig gehen.

    Viele Grüße

    Medman2