Einsicht von Patientenakten durch die Krankenkasse

  • In einem laufenden Klagefall fordert das Sozialgericht die komplette Patientenakte an mit der Ankündigung, diese der beklagten Krankenkasse zur Einsicht vorzulegen. Sie bezieht sich dabei auf eine Entscheidung vom BSG vom 19.12.2017 ( B 1 KR 19/17 R, dort begründet mit "Recht auf rechtliches Gehör"). Wir werden der Aufforderung des Gerichtes zwar nachkommen, obwohl ich mich schon ernsthaft frage, wie das mit dem Bundesdatenschutzgesetz in Einklang zu bringen ist, da natürlich keine entsprechende Zustimmung des Patienten vorliegt...:/

    Ich erwarte jetzt keine Rechtsberatung (obwohl ich nichts dagegen hätte), aber es ist möglicherweise eine interessante Info und mich interessieren Meinungen, Erfahrungen etc. aus anderen Kliniken.

    Schöne Grüße

    Anyway

  • Hallo Anyway,

    das Thema ist aktuell m.E. "durch", vgl. die o.a. BSG-Entscheidung. In der Vergangenheit gab es vereinzelt Instanzgerichte, die ohne Einwilligung der Patienten kein Weitergabe an die KK zugelassen hatten, deren Zweifel wurden vom BSG nun vom Tisch genommen. In der Fachliteratur war man da bislang gespaltener Ansicht, z.B. contra: Meschke/Dahm, MedR 2002, 346; Leber, KH 2010, 96; Flachsbarth, PKR 2011, 38; Heberlein, GesR 2012, 9; pro: Harks, NZS 2013, 247. Das BSG hat sich in der Begründung ja auch mit dem Verhältnis von BDSG und dem speziellen Sozialdatenschutz des SGB befasst. Solange nun kein Patient oder Datenschutzbeauftragter sich hier die Mühe macht, dagegen vorzugehen, würde ich als KH hier erstmal kein Fass mehr aufmachen und der KK das Einsichtsrecht im Klageverfahren nicht verweigern. Außergerichtlich sieht die Sache weiterhin anders aus, hier geht ohne MDK nichts (abgesehen von den durch das BSG eingeführten Auskunftspflichten im Rahmen der Abrechnung, deren Reichweite und Inhalt weiterhin Gegenstand von Auseinandersetzungen sind)...

    MfG, RA Berbuir

  • Hallo,

    aber die DSGVO ist ja nun jetzt erst aktuell geworden (da hat Dtschl. ja ein bisschen getrödelt).

    macht es das Urteil nicht angreifbar da diese Richtlinein ja damals noch nicht vorlagen?


    MfG

    rokka

  • Hallo rokka,

    lesen Sie mal die Begründung des BSG, auf Ihren Einwand hat man dort bereits prophylaktisch reagiert und in Rz. 21 apodiktisch festgestellt: "Nichts Abweichendes folgt aus der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.4.2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Abl L 119/1; Datenschutz-Grundverordnung). Sie tritt mWv 25.5.2018 unmittelbar in Kraft (vgl Bieresborn, NZS 2017, 887 und 888)."

    Ob die Datenschutzbeauftragten das genauso sehen, bleibt abzuwarten...

    MfG, RA Berbuir

  • Ich habe das BSG Urteil so verstanden, dass das Datenschutzprobleme im Zweifelsfalle sogar zu Lasten des KHS ginge: Da das KHS In der Regel als Kläger Geld von der Kasse fordert, muss es beweisen, dass seine Abrechnung richtig ist. Wenn es sich aus Datenschutz oder anderen Gründen weigert, Unterlagen im Gerichtsverfahren zur Verfügung zu stellen, ist das rechtlich zulässig. ABER: Dann fehlen dem KHS eben genaue diese „Beweise“, um seine Abrechnung zu verteidigen. Es wird den Prozess also wegen der Beweislast verlieren ( genau die Konstellation lag ja dem BSG Urteil zugrunde)

    D.h. Für mich: Möglicherweise würde der Schuss mit dem Datenschutz für die Klinik total nach hinten losgehen!

    Mit freundlichen Grüßen

    Breitmeier

  • Hallo Herr Breitmeier,

    das sehen Sie grds. richtig, obwohl ja im SG-Verfahren anders als im Zivilprozess das Prinzip der Amtsermittlung und nicht der Beibringungsgrundsatz gilt, verliert das KH den Prozess, wenn es aktiv die Vorlage der Behandlungsakte, die ja Grundlage für die Abrechnung ist, verweigert. Ich würde daher die Unterlagen dem Gericht übergeben und diesem die Entscheidung nach § 120 SGG zur Weitergabe an die KK oder nur den MDK überlassen, solange mir nicht ein Landesdatenschutzbeauftragter dies - ggf. nach "Selbstanzeige" - untersagt...

    MfG RA Berbuir

  • Vielen Dank für die (etwas) erhellenden Einträge. Ich frage mich zwar, warum hier keine Verbände (DKG o.ä.) tätig werden, aber möglicherweise werde ich als Privatperson einmal eine entsprechende Anfrage an die Bundesdatenschutzbeauftragte starten...