Rufbereitschaft und Bereitschaftsdienst

  • Das von der DKG in Auftrag gegebene Rechtsgutachten zu den arbeitsrechtlichen Folgen des GBA Beschlusses zur Notfallversorgung, das heute hier unter „Neuigkeiten“ eingestellt wurde, ist interessant (https://www.dkgev.de/media/file/87491.Anlage_Kurzgutachten_„Notfallversorgung_und_Arbeitszeitrecht“.pdf ).

    Unabhängig von der Frage, ob ein Facharzt immer/regelhaft von zu Hause in die Notfallambulanz kommen muss, stellt sich mir die Frage, ob nicht in anderen Bereichen der Medizin schon längst Inanspruchnahme- Zeiten von 30 Minuten und weniger etabliert sind.

    Konkret habe ich hier die Geburtshilfe vor Augen, in der die forensisch normierte Zeit zwischen dem notwendigen Entschluss zur Sektio und der Entbindung des Kindes auf maximal 20 Minuten festgelegt ist. Zumindest nachts oder am Wochenende folgt daraus, dass der Diensthabende Oberarzt seinen Aufenthaltsort nicht frei wählen kann, beziehungsweise seine Lebens/Freizeit-Qualität während des Dienstes sehr eingeschränkt ist.

    Nach dem Rechtsgutachten wäre dies somit ausschließlich im Bereitschaftsdienst zu gewährleisten. Die daraus folgenden Konsequenzen sind in dem Gutachten eindrucksvoll beschrieben.

    Ich bin mal gespannt, wann die DKG den kurativ tätigen Kolleginnen dieses Gutachten und die daraus abzuleitenden Folgen mitteilt.

    Mit freundlichen Grüßen

    Breitmeier

    Einmal editiert, zuletzt von Breitmeier (12. Juni 2018 um 22:03) aus folgendem Grund: Redaktionell

  • Hallo,

    das ist die tarifrechtliche Ansicht. Dem Vernehmen nach soll es aber außertarifliche Vereinbarungen zwischen Arbeitgebern und Angestellten geben, in denen gegen einen gewissen Obolus entsprechende Zugeständnisse bei den "ins-Haus-kommen-Zeiten" gemacht werden. Aber das kenne ich nur vom Hörensagen.........

    Herzliche Grüsse aus Mittelfranken
    E. Horndasch

  • Das mag im Einzelfall vielleicht mal gehen. Wenn der G-BA-Beschluß aber nicht aufgeweicht wird, haben wir ein flächendeckendes Problem, das nach einer sauberen Lösung verlangt, wenn die Häuser nicht das Risiko der rückwirkenden Abrechnung als Bereitschaftsdienst und der Strafzahlungen eingehen wollen.

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    Dr. med. Volker Blaschke

    Einmal editiert, zuletzt von Blaschke (14. Juni 2018 um 08:43)

  • Hallo,

    ich weiß ja nicht, ob das angesprochene Gutachten für den Auftraggeber (DKG) nicht einen Schuss ins eigene Knie bedeutet. Ich bin mir auch nicht sicher, ob die Krankenhäuser begeistert sind von dem Ergebnis, dass sich ja im großen und ganzen mit der Position des Marburger Bundes deckt. Das einzige Motiv von Seiten der DKG könnte sein, dass man hier Munition für einen drastisch erhöhten Personalbedarf im ärztlichen Stellenplan und für eine entsprechende Refinanzierungszusage sammelt. Klar muss sein, dass bei einer Bewertung als Bereitschaftsdienst das zur Umsetzung des GBA-Beschlusses erforderliche Personal auf dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung steht.

    Jetzt steht ja hier dann auch schwarz auf weiß, dass eine feste Zeitspanne für das Einrücken sich nicht mit einem Rufbereitschaftsdienst in Übereinstimmung bringen lässt. Das gilt natürlich auch für die oben erwähnte Geburtshilfe und damit konsekutiv auch für die Anästhesie. Trotzdem wird es in vielen Fällen so sein, dass der Arbeitgeber Rufdienst anordnet und die Einrückzeit vom Chefarzt festgelegt wird. Ich kenne sehr viele Ober- / Fachärzte, die trotz der Anordnung von Rufdienst in den sauren Apfel beißen und 15 - 20 Minuten als Einrückzeit akzeptieren. Wo kein Kläger, da kein Richter.

    Spannend wird jetzt sein, ob der GBA-Beschluss in diesem Punkt aufgeweicht wird, da er tarifkonform schlicht nicht umsetzbar ist. Dass ein solches Aufweichen möglich ist, sieht man ja in der Neonatologie...

    Herzliche Grüße aus Trier

  • Hallo zusammen,

    ich bin auch ganz unglücklich über das Gutachten. Denn mal ganz im Ernst: wenn das jetzt plötzlich Bereitschaftsdienst ist und nicht mehr Rufdienst, dann muss man eine Menge Häuser in strukturschwachen Gebieten schließen, denn dort bekomme ich überhaupt nicht genügend Fachärzte hin! Das ist nicht nur eine Frage des Geldes (das kommt dann natürlich auch noch dazu!). Facharzt im Bereitschaftsdienst heißt mindestens 5,7 Facharztstellen, wie soll ich so viele Fachärzte denn in die kleinen Häuser im Vogtland oder in die Oberlausitz bekommen? Ich habe hier das ungute Gefühl, dass alle bald sagen werden "Die ich rief, die Geister, werd ich nun nicht mehr los!"

    Aber ich habe noch eine Frage dazu: die Zusatzweiterbildung "Klinische Notfall- und Akutmedizin", muss die "nur" der Leiter der INA haben? Das wäre super, aber in der Richtlinie steht in § 9:

    "1. Es sind jeweils ein für die Notfallversorgung verantwortlicher Arzt und eine Pflegekraft benannt, die fachlich, räumlich und organisatorisch eindeutig der Versorgung von Notfällen zugeordnet sind und im Bedarfsfall in der Zentralen Notaufnahme verfügbar sind.

    2. Der unter Nummer 1 genannte Arzt verfügt über die Zusatzweiterbildung „Klinische Notfall- und Akutmedizin“ und die unter Nummer 1 genannte Pflegekraft verfügt über die Zusatzqualifikation „Notfallpflege“, sobald die jeweiligen Qualifikationen in diesem Land verfügbar sind."

    Und jetzt wird allgemein interpretiert, dass es von jeder Qualifikation nur einen geben muss, der dann "im Bedarfsfall" in der ZNA verfügbar ist? Was heißt denn "im Bedarfsfall"? Ich bin ziemlich verunsichert und wäre froh, wenn sich dazu mal jemand "ex cathedra" äußern könnten. Die tragenden Gründe helfen mir nicht weiter, da steht überhaupt nichts dazu.

    Wie seht Ihr das?

    Gruß aus Dresden von Patricia

    Patricia Klein

  • Naja, für den Leiter (Häuptling) ist keine Qualifikation definiert, aber der jeweils für die Notaufnahme zuständige Arzt (Indianer) muß die ZWB haben, ist ja so auch sinnvoll, denn der Indianer muß die Patienten behandeln. Meine Definition von "im Bedarfsfall": Wenn ein Notfall in der ZNA erscheint oder noch ist und eines Arztes bedarf. Auch hier können Sie rechnen, wie viele davon Sie für einen Bereitschaftsdienst brauchen und sich dann überlegen, wo sie diese hernehmen wollen. Das müssen dann ja Fachärzte der in den tragenden Gründen benannten Gebiete sein, die dann nochmals eine ZWB erwerben, und wozu? Nur damit sie in der ZNA ihre Dienste schieben dürfen? Die ZNA als Ende der Karriereleiter ist vermutlich nicht für jeden ein attraktives Ziel. Bisher haben die Abteilungen ja nicht selten ihre jungen, unerfahrenen Mitarbeiter dorthin geschickt, jetzt müssen sie ihre teueren, erfahrenen Leute abgeben, wenn die Häuser die ZNA nicht als eigene Abteilung oder eigenen Bereich mit Stammpersonal ausstatten. Ob der Indianer auch in Personalunion der diensthabende Internist sein kann (oder: Brauche ich drei Ärzte im Haus, Innere+Chirurgie+Anästhesie, oder vier, ZNA+Innere+Chirurgie+Anästhesie), ist auch mir im Moment noch unklar. Das hängt wohl auch vom Aufkommen ab, in einer gut besuchten Notaufnahme wird dies kein anderer Hausdienst miterledigen können.

    Man darf auch gespannt sein auf die Höhe der Zu- und Abschläge. Die Fallzahl in den Häusern, die nicht einmal an der Basisversorgung bzw. der speziellen Notfallversorgung teilnehmen, ist ja letztlich doch überschaubar, jedenfalls ist ihr Anteil am Gesamtaufkommen viel geringer als der Anteil der Häuser an der Gesamtzahl der Häuser. Einen Abschlag müssen sie dann vielleicht auf mehrere gestufte Zuschläge verteilen, wie hoch sollen da die Abschläge sein, daß sich die Zuschläge lohnen, um das alles zu finanzieren?

    Mir ist auch unklar, ob die Teilnahme oder Nichtteilnahme eine Wirkung auf die Patientenströme haben wird. Es handelt sich ja "nur" um die "stationäre Notfallversorgung", die Notfälle werden daher vermutlich weiter so bei Ihnen vor der Tür stehen wie bisher. Ob der Rettungsdienst jedoch noch ein Haus anfährt, das nicht an der Basisversorgung teilnimmt, wird sich zeigen.

    Und wie für jeden G-BGA-Text gilt: Mehrfach lesen, bei jedem Durchlesen offenbaren sich neue, spannende Details, die man vorher überlesen oder so nicht bewertet hat... Warum es nicht gelingt, so einen Text in klarem, verständlichen Deutsch zu formulieren, damit jeder genau weiß, was gemeint ist, bleibt weiterhin unklar.

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    Dr. med. Volker Blaschke

    2 Mal editiert, zuletzt von Blaschke (25. Juni 2018 um 16:39)

  • Warum es nicht gelingt, so einen Text in klarem, verständlichen Deutsch zu formulieren, damit jeder genau weiß, was gemeint ist, bleibt weiterhin unklar.

    Hallo,

    weil sonst Juristen arbeitslos werden würden.......;)

    Herzliche Grüsse aus Mittelfranken
    E. Horndasch

  • weil sonst Juristen arbeitslos werden würden....... ;)

    Lieber Herr Horndasch,

    ich darf Ihnen versichern, dass mein Schreibtisch auch ohne die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen von G-BA, DKG, GKV-SpV, BSG und Gesetzgeber ausreichend mit Arbeit gefüllt ist. Was einen als Jurist wirklich ärgert ist, dass hier offenbar regelhaft vorab die Praxis nicht mit eingebunden wird, um derartige Auslegungsfallen vor inkrafttreten zu identifizieren und zu entschärfen (eine Absicht will ich hier nicht unterstellen, obgleich es manchmal schwer fällt, wenn man mitbekommt, dass in den Gremien entsprechende Bedenken vorgetragen werden, die dann aber von der Mehrheit beiseite gewischt werden). Sich dann im Anschluss darüber zu wundern, dass die Sozialgerichtsbarkeit absäuft, erscheint doch genauso heuchlerisch, wie die politischen Lippenbekenntnisse zur Aufrechterhaltung der Gesundheitsversorgung in der Fläche... Wenn nun auch noch mit Personaluntergrenzen und Arbeitszeitvorgaben faktisch unmöglich erfüllbare Voraussetzungen ins Spiel kommen, stellt sich die Frage, wie lange das System dies noch verkraftet.

    MfG, RA Berbuir

  • Entweder können sie nicht, wollen nicht oder sollen nicht. Zumindest beim ersten Aspekt bliebe die Frage, was sie sonst so hauptberuflich eigentlich tun...

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    Dr. med. Volker Blaschke

  • Und nich eine Milchmädchenrechnung:

    Wenn die 500 Häuser, die aus der Finanzierung fallen, nur 5 % aller Fälle behandeln (s. unter "Neuigkeiten"), dann müssen diese 5 % Abschläge 95 % der Zuschläge finanzieren. Wie viel will man diesen Häusern denn abziehen, damit der Aufwand der anderen auch nur einigermaßen adäquat finanziert wird? Bliebe es bei den derzeit 50 € je Fall und wir hätten keine gestuften Zuschläge, bekämen dafür 19 Fälle je 2,63 €. Ok, nun bekommen manche weniger (als die 2,63 €) und andere mehr, aber wenn das Umverteilungsvolumen nicht steigt oder das Geld anderswo hervorgezaubert wird, weiß ich nicht, wie der Aufwand zu refinanzieren wäre. Bleibt spannend, wir werden es erleben.

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    Dr. med. Volker Blaschke

  • § 10 KHEntgG

    (3) Bei der Vereinbarung [des Landesbasisfallwerts] sind insbesondere zu berücksichtigen:

    […]

    6.

    absenkend die Summe der Zuschläge nach § 7 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4, soweit die Leistungen bislang durch den Basisfallwert finanziert worden sind [...]

    Guten Tag zusammen,

    zu den Zuschlägen nach § 7 Abs. 1. S. 1 Nr. 4 KHEntgG gehören auch diejenigen zur Finanzierung der Notfallversorgung. Dass die stationäre Notfallversorgung bislang durch den Landesbasisfallwert finanziert worden ist, darf man sicherlich unterstellen (wodurch sonst?!?). Also werden nicht nur die Häuser zahlen müssen, die aus der Notfallversorgung ausgeschlossen werden, sondern alle. Meines Erachtens ist infolgedessen damit zu rechnen, dass die Erlösminderung durch Abzüge aus dem Basisfallwert in so manchem an der Notfallversorgung teilnehmenden Krankenhaus die Summe der Notfallzuschläge übersteigt.
    Aber mal abwarten...

    Sorry für die durcheinandergewürfelten Schriftarten. Den Kampf mit der Formatierung habe ich wohl verloren...

    Gruß

    Norbert Schmitt