Nachweis Normalisierung des Gasaustausches - J96.00

  • Hallo liebes Forum,

    ich habe die anderen Themen bereits durchsucht, bin aber auf kein stützendes Argument gestoßen bzw. waren die Beiträge älterer Natur.

    Ich habe in diesem Jahr den Arbeitgeber gewechselt (bin in der Kodierung tätig) und stoße nun im neuen Bundesland mit anderem MDK auf die Problematik der Kodierung der J96.00.

    Bei meinen bisherigen Stationen wurde die Kodierung nie angezweifelt, wenn die Klinik stimmte, wir eine entsprechende BGA hatten (pO2 niedrig) und der Patient Sauerstoff erhalten hat.

    Nun aber erhalte ich Gutachten, in denen die Kodierung der J96.00 in J96.90 geändert wird, da der Nachweis der Normalisierung des Gasaustausches fehlt. Konkret verlangt der Gutachter eine BGA-Kontrolle ohne Sauerstoffgabe.

    Mir ist diese Argumentation vollkommen neu. Soll in meinen vorherigen Stationen der MDK so "blind" gewesen sein um eine so offensichtliche, "erlössteigernde Falschkodierung" nicht bemerkt zu haben?

    Mir fehlen nun treffende Argumente gegen dieses Gutachten - oder befinde ich mich komplett auf dem Holzweg? Medizinisch hat sich für mich nie die Frage gestellt, ob es neben akut oder chronisch noch eine dritte Variante des respiratorischen Insuffizienz gibt. (Anfänglich akut, aber im Verlauf sich nicht normalisierend?)

    Liebe Grüße aus Sachsen

    Cyre

    Einmal editiert, zuletzt von Cyre (23. Oktober 2018 um 12:10)

  • Hallo Cyre,

    wahrscheinlich macht der MDK an der "Normalisierung des Gasaustausches" die Kodierung der "akuten" respiratorischen Insuffizienz fest.

    Dazu 2 Aspekte:

    a) hat man lediglich versäumt, unter Normaliserung des klinischen Zustandes und Absetzen von Sauerstoffgabe eine BGA vorzunehmen, bleibt die zuvor stattgehabte akute respiratorische Insuffizienz natürlich kodierbar. Niemand würde ohne eine entsprechende Klinik des Patienten (Besserung, keine Dyspnoe mehr, keine Zyanose, guter klinischer Zustand jetzt auch ohne O2-Gabe etc.) von den therapeutischen Maßnahmen absehen. Geschieht dies, so entspricht das einer fundierten medizinischen Entscheidung und Abwägung. Und dazu gibt es Gottseidank noch andere Parameter als eine BGA.

    Setzt man also die Therapie ab und der klinische respiratorische Zustand bleibt gut, hat sich die respiratorische Situation unstrittig verbessert. Hier als "Bestätigung" noch eine normale BGA zwingend zu fordern, ist unnötig und dagegen würde ich intervenieren.

    b) liegt der Patient länger, erhält länger O2-Therapie und die BGA´s bleiben hypoxisch, muss man über den Hinweis unter J96.0 nachdenken:

    "Bei einer vorbestehnden oder sich im Verlauf entwickelnden chronischen respiratorischen Insuffizienz ist eine Schlüsselnummer aus J96.1 zuzätzlich anzugeben."

    Trotzdem bleibt die J96.0 kodierbar, wenn ersichtlich wird, dass eine chronische respiratorische Insuffizienz nicht schon anamnestisch dauerhaft vorlag. Hierzu wäre eine entspr. anamnestische Dokumentation wichtig (i. S. "... kommt mit akuter Verschlechterung, dyspnoisch etc ...).

    Wenn o. g. Konstellationen sich entsprechend abbilden, würde ich mit einer enstpr. Argumentation gegen das MDK-GA vorgehen.

    Dazu kann ich berichten, dass wir in einem ähnlichen Zusammenhang die Streichung der J96.00 erfolgreich beklagt haben, als ein Gutachter bei klinisch und anamnestisch akuter respiratorischer Insuffizienz , O2-Gabe schon durch den Notarzt und kontinuierlicher Fortführung in der Klinik eine pathologische BGA als Beleg einforderte.

    Es gab initiale BGA´s, die jedoch unter der O2-Gabe grenzwertig normaliserte paO2-Werte zeigten. Auch unsere außergerichtliche Eingabe, ob wir den Patienten erst ohne O2 "blau" werden lassen sollten, um eine vom MDK geforderte pathologische BGA zu erhalten, brachte nichts.

    Diese Angelegenheit musste tatsächlich vor das SG gebracht werden und wurde dann vollumfänglich in unserem o. g. Sinne entschieden.

    Gruß

    geoff

  • Vielen Dank schon einmal für die umfassende Erläuterung.

    Natürlich war auch ich der Meinung, dass kein Arzt die Therapie absetzen würde, wenn sich die Klinik nicht gebessert hätte. Ich hatte bisher auch nichts Schriftliches gefunden, dass eine erneute BGA ohne Sauerstoff gefordert wird.

    Ich war verunsichert, ob es vielleicht doch mir unbekannte Kriterien gibt um von einer akuten resp. Insuffizienz zu sprechen.

    Ich prüfe nochmal meine Unterlagen und werde entsprechend gegen das Gutachten vorgehen.

    Mit freundlichen Grüßen

    Cyre

    • Offizieller Beitrag

    Guten Tag

    In der Medizin:

    Akut

    Unvermittelt (auftretend) schnell und heftig (verlaufend)


    „Konkret verlangt der Gutachter eine BGA-Kontrolle ohne Sauerstoffgabe“

    Bitten Sie den Gutachter um eine Literaturquelle, die nachweisbar belegt, daß für die Diagnose und Behandlung einer akuten resp. Insuffizienz zwingend nach Beendigung der Therapie eine BGA vorgenommen werden muß.

    Siehe auch:

    Am zeitlichen Verlauf orientiert werden Insuffizienzen in akute und chronische Formen unterteilt.

    https://openjur.de/u/884971.html


    nur am Rande

    In seiner medizinischen Stellungnahme vom 15.02.2011 teilte der SMD der Beklagten sodann mit, dass die stationäre Aufnahme des Versicherten wegen zunehmender Dyspnoe bei bekanntem Aortenklappenvitum erfolgt sei. Am 06.12.2010 sei ein operativer Aortenklappenersatz erfolgt. Bei Bemühung einer möglichst umfassenden Abbildung von Diagnosen und Prozeduren sei auffallend, dass die respiratorische Insuffizienz mit der ICD J96.0 nicht verschlüsselt worden sei. Eine erlösrelevante Änderung ergebe sich aus dieser Korrektur nicht.

    https://openjur.de/u//663518.html


    Gruß

    E Rembs

  • Guten Moregn,

    das Kriterium für die Kodierung ist das ein Aufwand hat stattfinden müssen, der die Behandlung der J96.00 darstellt. BGA vor O² Therapie mit entsprechend niedrigen O² Werten die eine akute Insuffiziens darstellen reichen aus. Es gibt keinen Grund für eine Verlaufskontrolle zur Verschlüsselung.

    8) Stefan Schulz, Med. Controlling

  • Hallo, zusammen,

    das Problem ist, dass der MDK die akute Variante davon abhängig macht, dass es sich um einen prinzipiell reversiblen Zustand handeln müsse. Diesen Nachweis haben Sie nach Meinung des MDK nur, wenn Sie eine Normalisierung in der BGA ohne O² nachweisen.

    Andernfalls wird der MDK immer behaupten, dass man ja eine Chronifizierung nicht ganz ausschließen könne und daher nicht zwischen akut und chronisch differenzieren könne, ergo J96.9* kodieren müsse. Das wurde bei uns schon so weit getrieben, dass die J96.00 bei einem Patienten mit entsprechender Klinik und heftigen BGA-Veränderungen auch beim pH verweigert wurde, weil wir vor dem Ableben keine BGA mit Normalisierung der Werte mehr nachweisen konnten. Wurde selbstredend zur Klage gegeben. Ausgang noch offen, aber ich bin optimistisch.

    In der Summe ist die Differenzierung zwischen akut und chronisch immer nur in der kombinierten Wertung von BGA, Anamnese und klinischem Zustand zu treffen. Die MDK-Schemata sind da nicht immer zutreffend.

    Grüße

    AnMa

  • Hallo Cyre,

    beachten Sie den BE. "Der BE ist der HbA1c der Pneumologen".

    Wenn beispielsweise bei einer paO2- und paCO2-Verminderung ein negativer BE außerhalb des Normbereichs vorliegt, zeigt dies die Chronizität. Ist der BE im Normbereich, ist die respiratorischen Insuffizienz akut.

    Viele Grüße

    Medman2

  • Liebe Mitstreiter,

    die respiratorische Insuffizienz ist in unserem Haus mit fast 100 internistischen Betten häufig, auf die Intensivstation zur Abgabe einer arteriellen BGA läuft nur sehr selten jemand. Die J96.00 wird hier festgemacht an den Werten der Pulsoxymetrie.

    Mich irritiert, daß die Diskutierenden hier durchgängig unkritisch das Kriterium BGA akzeptieren. Der Foka hatte hier einen Dissens eingetragen. Im MSD Manual steht dazu: "Der Sauerstoffgehalt im Blut kann ohne Entnahme einer Blutprobe mithilfe einer Elektrode gemessen werden, die an einen Finger oder ein Ohrläppchen angelegt wird – das entsprechende Verfahren wird Pulsoximetrie genannt.

    Die Untersuchung einer Blutprobe aus einer Arterie bestätigt die Diagnose der respiratorischen Insuffizienz, wenn sie eine gefährlich niedrige Sauerstoffsättigung und/oder einen bedrohlich hohen Kohlendioxidgehalt des Blutes aufzeigt." Und die Deutsche Sepsis-Gesellschaft legt ihrer Definition eine Umrechnungstabelle von Pulsoxymetrie zur BGA bei und macht damit klar, daß die Pulsoxymetrie ausreichend ist.

    Wo - außer beim MDK - steht geschrieben, daß es eine BGA zur Diagnose einer respiratorischen Insuffizienz braucht? Haben sich in den 15 Jahren nach Erstellung dieser sehr umstrittenen Kodierempfehlung dazu mal Fachgesellschaften positioniert?

    Gruß

    Mc.

  • Hallo McClane,

    sehe die SEG4-Empfehlung ebenso kritisch wie Sie. Immerhin gibt es die DKR D008, behandelt wie resp. Insuffizienz ohne eindeutigen Nachweis, dass diese nicht vorgelegen hat, bedeutet Kodierbarkeit.

    Wegen des von Ihnen benannten Dissens steht die Frage auch zur Klärung durch den Schlichtungsausschuss an, wenn er denn mal kommt.

    MfG

    M2

  • Hallo,

    das mit der BGA kommt daher, dass der MDK einige Argumente gegen die Pulsoxymetrie in den Ring wirft:

    - Falschmessung durch periphere Vasokonstriktion, Fingernägelzustand etc.

    - POM zeigt nicht an ob hypoxisch oder hyperkapnisch

    das blöde ist nur die POM ist schnell gemacht, Kapillär in Notaufnahme geht ja manchmal noch schnell(*), auf Station dauert es zu lange

    * wenn Rettungsdienst kommt meist schon O2-Brille (auf Station ähnliches Problem, ich warte doch nicht bis zur BGA um dann erst O2 zu geben, wir reden hier ja von akuter Insuffizienz...).

    wundert mich dass es da noch keine rechtsgültigen Urteile gibt? (haben die Kassen immer zurückgezogen oder die Häuser?)

    MfG

    rokka