8-718 Beatmungsentwöhnung [Weaning] bei maschineller Beatmung

  • Guten Abend,

    weiß denn jemand, woher der MDK sein medizinisches Wissen hat, nachdem eine Gewöhnung dann vorliegt, wenn eine mindestens 48-stündige kontinuierliche Beatmung erfolgt ist? Aus der Fachliteratur oder den DKR ist mir eine derart konkrete Grenze nicht bekannt..

    diese SEG 4 Empfehlung ist vom MDK definiert ohne einen Verweis aus Fachliteratur etc. und ist für mich daher einseitig und auch willkürlich getroffen.Bis zu der Änderung 2015 waren nach MDK Meinung nur die einzelnen Phasen der Beatmung zu zählen. Die Meinungsänderung wurde nicht begründet.


    Einen schönen Abend Karla

  • Hallo zusammen,

    Ich denke auch, dass die 48 Stunden Grenze rein pragmatisch zur Verringerung der Abrechnungsstreitigkeiten von der SEG 4 fest gesetzt wurde. Die Meinungsänderung wurde nicht adäquat begründet, wie Karla zurecht schreibt.

    Angesichts der Tatsache, dass aus juristischer Sicht ( s.o.) anscheinend überhaupt kein Weaning mehr bei/ nach NIV durchsetzbar ist, würde ich aus Krankenhaussicht diese Kodierempfehlung aber nicht zu sehr „verreißen“...

    Mit freundlichen Grüßen

    Breitmeier

  • Hallo,

    bei genauer Durchsicht führen die Entwöhnungsspezialisten aus Kassel (BSG B 1 KR 18/17, RNr. 18) aus:

    • "Eine Entwöhnungsbehandlung schließt DKR 1001h allerdings solange aus, als Sauerstoffinsufflation bzw -inhalation über Maskensysteme oder O2-Sonden erfolgt. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut der DKR 1001h gilt: Diese Beatmungsvarianten "gehören jedoch nicht dazu", nämlich nicht "zur Entwöhnung vom Respirator"."

    Bedeutet dann, dass während der Entwöhnung kein Sauerstoff verabreicht werden darf, ansonsten zählt es nicht als Entwöhnung und auch nicht als Beatmung.

    Aus der Formulierung

    • "Sauerstoffinsufflation bzw. –inhalation über Maskensysteme oder O2-Sonden gehören jedoch nicht dazu [Anmerkung: zur Entwöhnung]"

    wird inhaltlich, dass die O2-Behandlung eine Entwöhnungsbehandlung "ausschließt".

    So kann man die DKR auch lesen, zumindest wenn man ahnungslos ist.

    Die Feststellungen des BSG zeigen sehr deutlich die Ignoranz, im Übrigen auch, wes Geistes Kind das Gericht ist.

    Viele Grüße

    Medman2

  • Guten Tag zusammen,

    hat denn jemand eine zündende Idee oder einen Entwurf für ein Weaning-Protokoll, welches den Vorgaben des OPS 8-718 genügt? Die meisten Protokolle beziehen sich auf die invasive Beatmung. Der OPS aber ausdrücklich auf invasive und nicht-invasive Beatmung. Oder habe ich im Wust der vielen Dokumente das eine passende übersehen?

    Herzliche Grüsse aus Mittelfranken
    E. Horndasch

    • Offizieller Beitrag

    Hallo,

    es muss kein spezielles Dokument sein, sondern die entsprechenden Parameter aus der Dokumentation hervorgehen.

    Mit freundlichen Grüßen

    D. D. Selter

    Ärztlicher Leiter Medizincontrolling

    Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Murnau

  • Hallo Community,

    nun wird das "Interpretations-Chaos" (geschuldet der nicht ausreichenden Anpassung der DKR durch die Selbstverwaltung) nach dem BSG-Urteil (B 1 KR 18/17 R vom 19.12.17) mit Rückverweisung an das LSG zur Klärung "ob eine Gewöhnung vorgelegen habe" seinen Lauf nehmen.

    [...]

    Das LSG hob die erstinstanzliche Entscheidung auf und wies die Klage ab. Nach den bindenden Vorgaben des
    BSG ist der Begriff der Entwöhnung nach den Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) 1001h enger zu verstehen als der in der medizinischen Fachsprache vorkommende Begriff des „Weaning“ (Entwöhnung vom Respirator). Der Sachverständige begründete die angenommene Gewöhnung an die maschinelle Beatmung mit der durch ihren Beginn belegten Abhängigkeit. Die Gleichsetzung des Begriffs der Gewöhnung mit ihr vom Respirator aufgrund medizinischer Notwendigkeit der maschinellen Beatmung widerspricht jedoch den Vorgaben des BSG. Dieses wies ausdrücklich darauf hin, dass eine Notwendigkeit der Beatmung aus anderen Gründen, etwa wegen einer noch nicht beherrschten Sepsis, nicht ausreicht. Dem LSG war daher der Weg versperrt, aus der medizinischen Notwendigkeit der maschinellen Beatmung auf eine Gewöhnung zu schließen. Andere Anhaltspunkte hierfür ließen sich dem Gutachten des Sachverständigen nicht ent-nehmen.
    [...]

    Vollständiger Bericht zum Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 23. Juli 2019 ( Aktenzeichen L 11 KR 717/18 ZVW) hier

    Da fragt man sich, wie denn demnächst die "Gewöhnung" gemessen und gegenüber MDK und Kassen plausibel gemacht werden soll, wenn schon ein Sachverständiger darauf keine Antwort hat.

    Insbesondere darf man gespannt sein, was diese rein juristisch und nicht nach Praxisbelangen definierte Tatsache dann für den neuen "Weaning-OPS" 8-718* für Auswirkungen hat.

    Auf eine praktikable Lösung über eine geeignete Formulierung zur Anrechenbarkeit von Beatmungsstunden in den DKR durch die Vertreter der Selbstverwaltung hofft ja mittlerweile niemand mehr. Spätestens das o. g. BSG-Urteil und die unsägliche "Experten" SEG-4-Empfehlung des MDK (48h kontinuierlich müssen vorausgegangen sein ...) hätten schon einer praxisbezogenen und anwendbaren "Klarstellung" über die DKR bedurft.

    Die ebenfalls o. g. aktuelle Urteilssprechung des LSG BW erfordert dies jetzt umso dringlicher.

    Vielleicht kann hier mal jemand beantworten, ob das an den ungleich verteilten Stimmanteilen im entspr. Ausschuss/Gremium, an mangelnder übergeordneter fachlicher Sicht oder an beidem liegt?

    Beste Grüße

    geoff

    2 Mal editiert, zuletzt von geoff (29. Juli 2019 um 16:18)