Pseudarthrose bei Humerusmehrfragmentfraktur

  • Hallo zusammen,

    bei folgender Kodierfrage, Fall aus dem Jahr 2018, benötige ich unfallchirurgische Unterstützung:

    Ausgangslage: subkapitale Humerusschrägfraktur, die im September vergangenen Jahres osteosynthetisch mit einem proximalen Humerusnagel versorgt wurde. Dieser Humerusnagel ist nun kranial ausgewandert und überragt die Kopfsilhouette um gut 1 cm. Die ursprüngliche Fraktur weist eine ordentliche Kallusbildung auf. Von Seiten des zweidimensionalen Röntgenbildes ist jedoch nicht zu beurteilen, ob eine geschlossene Schaftröhre sich wieder rekonstruiert hat.

    OP:

    Der deutlich über die Humeruskopfkalotte hinaus ragenden Nagel ist ohne weiteres zu erreichen. Dann zunächst Entfernen der drei proximalen Verriegelungsschrauben. Dann lässt sich der Nagel ohne jeglichen Widerstand im distalen Bereich in toto entfernen. Es zeigt sich jedoch, dass im metadiaphysären Bereich, wie bereits computertomographisch vermutet, noch eine Pseudarthrose vorherrscht. Deshalb Wechsel des Nagels in einen 150 mm Stryker-Nagel, der wesentlich weiter in den Humeruskopf eingebracht und so positioniert wird, dass die proximalen Verriegelungsschrauben im Kopfhalsübergang zu liegen kommen.

    Von diesen werden drei Schraubenlängen 30 bis 38 mm Länge eingebracht und später durch Durchleuchtungskontrolle die korrekte Wahl bestätigt. Distal gelingt nur die Verriegelung zur Erhaltung einer Rotationsstabilität im sogenannten dynamischen Loch des Nagels, da im statischen Loch keine Gegencorticalis existiert. Insgesamt resultiert jedoch eine gegenüber der Vorsituation deutlich bessere Stabilisierung der Fraktur mit der Möglichkeit der zukünftigen Durchbauung. Die distalen Verriegelungsschrauben nach Primärversorgung werden bewußt belassen zur Verhütung einer Radialisschädigung bei zu starker Irritation der Weichteile.

    Kodierung:

    5-787.71 Entfernung von Osteosynthesematerial: Marknagel mit Gelenkkomponente: Humerus proximal

    5-794.b1 Offene Reposition einer Mehrfragment-Fraktur im Gelenkbereich eines langen Röhrenknochens: Durch Marknagel: Humerus proximal

    Mit der HD M84.12 resultiert die DRG I13C

    Der Kostenträger sagt: Unter dem Exklusivum zu dem Kode 5-79 findet sich der Hinweis, dass die Osteosynthese bei Pseudarthrose mit eine Kode aus 5-786 ff zu kodieren sei, hier 5-786.6.

    Bei dem Kode 5-786 heißt es: Diese Kodes sind Zusatzkodes. Sie sind zur Angabe eines zusätzlich durchgeführten Osteosyntheseverfahrens zu verwenden.

    Hieraus resultiert dann die I59Z.

    Wie sehen Sie den Sachverhalt? :/ Vielen Dank für unterstützende Kommentare.

    Gruß

    S. Stephan

  • Hallo,

    die Osteosynthese bei einer Pseudarthrose wäre mit einem Kode 5-786.ff zu kodieren. Aber lag hier eine Pseudarhtrose vor? Wenn die Frakturheilung in einem Zeitraum von vier bis sechs Monaten nach dem Trauma nicht abgeschlossen ist, wird von einer verzögerten Frakturheilung (M84.22) gesprochen. Dauert die Heilung länger als sechs Monate, spricht man von einer Pseudarthrose.

    Wenn im September 2018? (oder war es schon 2017?) die primäre Frakturversorgung erfolgte, liegt daher per Definition keine Pseudarthrose vor. Gegebenenfalls wäre als Hauptdiagnose bei Cutting out des Humerusnagels auch die T84.11 zu erwägen oder eben die primäre Fraktur bei Alter der Fraktur von weniger als 4 Monaten.

    In der Beschreibung sehe ich auch keine Mehrfargmentfraktur (subkapitale Humerusschrägfraktur) und keine offene Reposition der Fraktur (evtl. 5-790.51?).

    VG

    Alter Ego

  • Hallo auch,

    ich bin zumindest irritiert, das im OP-Bericht keine Ausräumung des pseudarthrotischen Bereiches beschrieben ist i.S. von Resektion erkranktes Knochengewebe oder gar eine Osteotomie. Ansonsten ist, wie von AlterEgo schon beschrieben, der zeitliche Abstand zwischen den beiden Operationen von Bedeutung, wobei der Unfallchirurg deutlich eher von einer Pseudarthrose sprechen würde, als die Definition es vorgibt. Eine M84.22 würde ebenfalls nicht zu einer Frakturreposition passen, die OP wäre zu kodieren wie bei einer Pseudarthrose, womit ich wieder auf das Fehlen einer Frakturzonenanfrischung komme.

    Ich bin gespannt, was hier die Lösung sein kann?!

    Gruß

    Zwart

  • Liebe Kollegen,

    vielen Dank für die rasche Rückmeldung.

    Die Erstversorgung in einem auswärtigen Krankenhaus war im September 2017, OP bei uns im Dezember 2018.

    Im Anhang sind die prä- und post-operativen Röntgenbilder, vielleicht erhellt das die Situation?

    Röntgen_präOP.pdf ; Röntgen_postOP.pdf

    Gruß

    S. Stephan

  • Hallo Herr Stephan,

    bei dem zeitlichen Abstand wäre die Pseudarthrose M84.12 sicher die korrekte HD. Bei der von Ihnen beschriebenen Operation könnte man vielleicht die 5-789.X1 (Sonstige Operationen am Knochen) als "Hilfs-OPS" dazu kodieren, da ja offenbar keine Knochenresektion durchgeführt wurde, und die 5-786 nicht alleine stehen darf. Damit würden Sie zumindest in die I13E gelangen.

    Gruß

    Zwart

    • Offizieller Beitrag

    Hallo,

    in diesem Fall hier eigentlich ganz einfach:

    HD: Pseudarthrose

    OPS: 5-787 und 5-786

    Der Kode steht ja nicht alleine, der ME-Kode ist ja da.

    Schwierig sind Situationen, wo gar nix anderes dabei ist. Anhand des Beispiels einer Pseudarthrose am Os Pubis sei dies

    dargestellt.

    Bei einer geschlossenen Schraubenosteosynthese ohne weitere Maßnahmen kann 5-790.0d nicht angegeben werden, da das Exkl. Pseudarthrosenbehandlung unter 5-79 aufgeführt ist und u. a. auf 5.786 verweist. 5-786.0 kann aber dann nicht (alleine) angegeben werden, da es sich definitionsgemäß um einen Zusatzkode handelt. Da aber keine andere Maßnahme durchgeführt wurde, kann kein zusätzlicher führender Kode zugeordnet werden. Somit kann dies nicht sinnvoll kodiert werden, bzw. nur mit unspezifischen Kodes.

    Deswegen habe ich im Vorschlagsverfahren OPS 2020 anhand dieses Beispiels die Öffnung des Kodes 5-786 zur Primärkodierung beantragt (Kennzeichen Zusatzkode raus), alternativ die Öffnung von 5-79 auch bei Pseudarthrosen (das hat aber so seine Tücken). Wir werden also sehen, ob sich das für 2020 dann klärt.

    Mit freundlichen Grüßen

    D. D. Selter

    Ärztlicher Leiter Medizincontrolling

    Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Murnau

  • Und schon wieder Hallo, liebe Experten,

    ich möchte den Fall gerne mal nach 2019 bringen, dann wäre die Kodierung doch M84.12 als HD und 5-78a.51 (Revision Osteosynthesematerial mit Reosteosynthese), folglich DRG I28E (BewR 0,926). Nun geben die Hinweise zum Revisions-OPS vor, das die ME 5-787.71 ebenfalls kodiert werden muss, dadurch landet man wiederum in der I59Z (0,777). In diese DRG würde auch eine alleinige ME führen, also wäre die Reosteosynthese, natürlich von der medizinischen Notwendigkeit mal abgesehen, eine reine Serviceleistung des Krankenhauses.

    Ist das so oder habe ich einen Denk- und Kodierfehler?

    Vielen Dank,

    Gruß

    Zwart

  • Hallo Zwart,

    sie haben schon recht. Aber so ein Fall ohne Pseudarthrosenresektion dürfte eher selten sein (ich zumindest kann mich an keinen erinnern) und mit der Pseudarthrosenresektion landen sie ja wieder in der korrekten DRG.

    MfG findus

  • Hallo Findus,

    Danke für die Antwort.

    Ich hab solche Fälle bisher auch nur mit Resektion erlebt, aber wie der Fall oben zeigt, gibt es wohl nichts was es nicht gibt.

    Ich wünsche ein schönes Wochenende!

    Gruß

    Zwart