Was ist Hauptdiagnose bei nicht durchgeführter OP?

  • Liebe Forumsmitglieder,

    auch nach langjähriger Kodiererfahrung habe ich heute eine Frage zur korrekten HD. Patient kommt eigentlich geplant ins Wirbelsäulenzentrum zur OP bei Schraubenlockerung und frischer BWK 9 Fraktur. Im Aufnahmethorax wird jedoch ein riesiger Pleuraerguss diagnostiziert. Pat. ist außerdem im reduzierten Allgemeinzustand und dyspnoisch. Anlage einer Pleuradrainage und Verlegung in die Innere Medizin zur Diagnostik und Therapie. Die geplante OP wird nicht durchgeführt. Nach umfangreicher Diagnostik mit Pleurabiopsie dann Diagnose eines Pleuramesothelioms. Wir haben die C45.0 mit der J91* als HD kodiert, weil hier in meinen Augen zwei konkurrierende HD vorliegen. Der Pleuraerguss war ja bei Aufnahme schon vorhanden. Und die umfangreiche Diagnostik hat deutlich mehr Ressourcen verbraucht, als die nicht durchgeführte OP bzw. die konservative Behandlung der Fraktur. Der MDK sieht das natürlich jetzt anders und will die T84.20 für die Schraubenlockerung als HD.

    Liegen wir wirklich so falsch in unserer Einschätzung? Wie ist die Meinung des Forums?

    Vielen Dank schon mal im Voraus für Ihre Meinungen und liebe Grüße!

    Liebe Grüße aus Stuttgart

    B. Werner

  • Hallo trixi60,

    wenn bereits im Rahmen der Aufnahmeuntersuchungen Sachverhalte festgestellt werden, die für sich genommen retrospektiv im Sinne der DKR D002 die HD-Kriterien erfüllen und die weiteren diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen bestimmt haben, dann sehe ich keinen Grund, warum die HD nicht entsprechend benannt werden sollte.

    Klar davon abzugrenzen sind natürlich die Fälle, bei denen sich erst im Verlauf Sachverhalte ergeben, die in keinem Zusammenhang mit der Aufnahme stehen und die zusätzlich behandelt werden - aber das muss eigentlich gar nicht erwähnt werden.

    s. nachfolgendes Urteil:

    Zur Auswahl der Hauptdiagnose bei Vorliegen einer kardialen Dekompensation bei Aufnahme und nachfolgender Tumordiagnostik und Operation

    S 4 KR 172/16 | Sozialgericht Fulda , Urteil vom 25.09.2018

    Gruß, KRD 8)

    Gruß,
    KRD :thumbup:

  • Vielen Dank für die Bestätigung meiner Auffassung. Und auch für den Hinweis auf das Urteil. Dann werde ich mal ein Nachverfahren beantragen (wahrscheinlich ohne Erfolg!).

    Schönes Wochenende allen!

    Liebe Grüße aus Stuttgart

    B. Werner

  • Ich möchte hier an den Wortlaut der DKR Hauptdiagnose erinnern: Diagnose, " die hauptsächlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes des Patienten verantwortlich ist" .

    Daher in dem Fall einer Einweisungsdiagnose, die nicht versorgt werden kann, sondern der Therapie einer ebenfalls bei der Aufnahme vorhandenen Diagnose weichen muss, muss diese wie bei Ihnen zur HD werden.

    MfG von der Küste

    Uwe Neiser


  • Hallo,

    ich kann nur sagen, dass auch wir das so kodieren in solchen Fällen. Und uns wie Phlox schrieb, an diese DKR- Aussage halten.

    Wie kodiert ihr im Fall die HD:

    Pat. kommt ambulant zum Herzkatheter. Alles okay bzgl. KHK- stationäres Setting nicht gegeben. In der Nachüberwachung dann AU bei Hirninfarkt. Keine Symptome für Hirninfarkt anamnestisch gegeben vor Herzkatheter. Kein Hinweis dafür, dass es eine Komplikation durch den Eingriff ist.

    Für mich gleicher Sachverhalt. Allerdings auch gerade diskutiert.

    VG vom Süden

  • Hallo Westphal,

    In Ihrem Beispiel handelt es sich ja um eine sekundäre Aufnahme nach §7 AOP Vertrag. In dem Fall ist die Herzkrankheit HD und der Hirninfarkt Nebendiagnose, für mich ganz klar.

    Mit freundlichen Grüßen

    Breitmeier

  • Hallo Westphal,

    In Ihrem Beispiel handelt es sich ja um eine sekundäre Aufnahme nach §7 AOP Vertrag. In dem Fall ist die Herzkrankheit HD und der Hirninfarkt Nebendiagnose, für mich ganz klar.

    Hallo Breitmeier,

    beziehen Sie sich auf § 7 Abs. 3 des AOP-Vertrages?

    Die dortige Regel bezieht sich allerdings auf eine - wie Sie es nennen "sekundäre" - Aufnahme "in unmittelbarem Zusammenhang mit dem ambulanten Eingriff". Westphal schildet aber explizit eine Situation, in der der ambulante Eingriff (Herzkatheter) nicht als Ursache für den aufnahmeveranlassenden Hirninfarkt gesehen wird.

    Wenn ich nicht etwas übersehen habe, wäre dementsprechend der Hirninfarkt als HD anzugeben.

  • Hallo Herr da Silva,

    Der unmittelbare Zusammenhang ergibt sich für mich schon aus dem zeitlichen Ablauf ( in der Nachüberwachungsphase, also noch vor Ende der AOP- Leistung tritt eine Gefässkomplikation auf ). Ausserdem dürfte die Aussage spekulativ sein, dass der Hirninfarkt nichts mit dem Eingriff zu tun hat. Jedenfalls glaube ich nicht, dass der Anscheinsbeweis des unmittelbaren zeitlichen Zusammenhangs ( „am selben Tag“) vom KHS widerlegt werden kann

    Mit freundlichen Grüßen

    Breitmeier

  • Hallo Herr da Silva,

    Der unmittelbare Zusammenhang ergibt sich für mich schon aus dem zeitlichen Ablauf ( in der Nachüberwachungsphase, also noch vor Ende der AOP- Leistung tritt eine Gefässkomplikation auf ). Ausserdem dürfte die Aussage spekulativ sein, dass der Hirninfarkt nichts mit dem Eingriff zu tun hat. Jedenfalls glaube ich nicht, dass der Anscheinsbeweis des unmittelbaren zeitlichen Zusammenhangs ( „am selben Tag“) vom KHS widerlegt werden kann

    Spannende Lesart. :)

    Ich verstehe "unmittelbarer Zusammenhang mit dem ambulanten Eingriff" in Bezug auf den Eingriff samt üblicher Komplikationen etc. an sich und nicht als zeitliche Komponente. Diese Differenzierung dürfte aber ohne Belang sein, da § 7 Abs. 3 AOP-Vertrag keine Aussage zur HD trifft, sondern nur auf die Abrechnungsmodalität abstellt.

    Für die Wahl der HD ist demnach auf die DKR abzustellen. Wenn die stationäre Aufnahme also nicht aufgrund der Herzkrankheit erfolgt, sondern nach Analyse aller Befunde aufgrund des Hirninfarktes, ist der Hirninfarkt m. E. n. als HD anzusetzen. Auch im Hinblick auf den Ressourcenverbrauch dürfte die Behandlung des Hirninfarktes (Stroke Unit, Diagnostik, evtl. Gefäßintervention) die ambulante Herzkrankheit schlagen.

  • Hallo da Silva,

    Die Problematik der HD nach einer ambulant begonnenen OP ist ja nicht neu. Auch wenn der Grund für die stationäre Aufnahme unstrittig eine Komplikation war ( z.B. Eine starke Nachblutung), ist die Blutung nicht als HD zu kodieren. Vielmehr wird abrechnungstechnisch nachträglich eine durchgehend stationäre Behandlung fingiert. Da die stationäre Aufnahme dann fiktiv mit der OP begann, ist die OP- Indikation die HD.

    Konkurrierende HD´s liegen somit m.E. Auch in unserem Beispiel nicht vor, weil sich der Hirninfarkt erst im Verlauf der fingierten stationären Behandlung ereignete.

    Ich weiss, dass hört sich sehr schräg an, ist aber gängige Kodierpraxis ( jedenfalls meine 😜)

    Mit freundlichen Grüßen

    Breitmeier

  • Hallo da Silva,

    Die Problematik der HD nach einer ambulant begonnenen OP ist ja nicht neu. Auch wenn der Grund für die stationäre Aufnahme unstrittig eine Komplikation war ( z.B. Eine starke Nachblutung), ist die Blutung nicht als HD zu kodieren. Vielmehr wird abrechnungstechnisch nachträglich eine durchgehend stationäre Behandlung fingiert. Da die stationäre Aufnahme dann fiktiv mit der OP begann, ist die OP- Indikation die HD.

    Konkurrierende HD´s liegen somit m.E. Auch in unserem Beispiel nicht vor, weil sich der Hirninfarkt erst im Verlauf der fingierten stationären Behandlung ereignete.

    Ich weiss, dass hört sich sehr schräg an, ist aber gängige Kodierpraxis ( jedenfalls meine 😜)

    Hallo Herr Breitmeier,

    durch die unterschiedlichen Interpretationen (ich kann Ihren Argumentationsstrang durchaus nachvollziehen, wenn auch nicht vorbehaltlos teilen) wird ein eigentlich langweiliges System ja auch erst spannend. ;)

    "Fingierte stationäre Behandlung" die "fiktiv mit der OP begann" - ob es solche semantischen Leckerlis auch in anderen Vergütungssystemen gibt? 8)