MDK-Reformgesetz - Referentenentwurf 03.05.2019

  • Zum Begriff "Lerngebühr"

    der Begriff wurde von mir in Anlehnung an die Gesetzesbegründung gewählt (übrigens in der Intention nicht euphemistisch, sondern sarkastisch):

    Das einzelne Krankenhaus hat im Sinne eines lernenden Systems durch Bemühungen zur Umsetzung einer regelkonformen Kodierung und Abrechnung Einfluss auf den Anteil unbeanstandeter Abrechnungen und somit auf die im übernächsten Quartal anzuwendende Prüfquote und die Höhe des Aufschlags nach Absatz 3.

    Herzliche Grüsse aus Mittelfranken
    E. Horndasch

  • Hallo,

    Warum nennen wir es nicht einfach Aufwandspauschale? Durch die beanstandete Rechnung ist ein Aufwand bei KK und dem MD entstanden, der abgegolten wird..

    Mit freundlichen Grüßen

    Breitmeier

  • Ich hätte noch eine Frage:

    Gehe ich recht in der Annahme, dass der Begriff „beanstandete Rechnungen“ sich sowohl auf falsch zu hohe ( der Regelfall) als auch auf falsch niedrige Abrechnungen (ca. 2-5% der Fälle) bezieht?

    Der MD wird sicherlich als dann endgültig unabhängiger Gutachterdienst immer mal wieder auch Rechnungsbeträge erhöhen ( wie aktuell auch schon).

    Bei den KHS-AWP/ Lerngebühren/ Strafaufschlag ist das unerheblich, weil dort Bezug auf den geminderten Rechnungsbetrag genommen wird. Aber für die Ermittlung der zulässigen Prüfquote wird nur auf den Anteil unbeanstandeter Rechnungen abgestellt.

    Sobald sich der Rechnungsbetrag ändert, wird die ursprüngliche Rechnung nach meinem Verständnis beanstandet.

    Oder habe ich was übersehen?

    Mit freundlichen Grüßen

    Breitmeier

  • Hallo Herr Breitmeier

    Zitat von § 275c Abs. 2 Satz 3


    Ab dem Jahr 2021 gilt für eine Krankenkasse bei der Prüfung von Schlussrechnungen für vollstationäre Krankenhausbehandlung durch den Medizinischen Dienst eine quartalsbezogene Prüfquote je Krankenhaus in Abhängigkeit von dem Anteil unbeanstandeter Abrechnungen je Krankenhaus nach Absatz 4 Satz 3 Nummer 2

    Die Aussage des Verweises lautet:

    Zitat von § 275c Abs. 4 Satz 3 Nr. 2

    Anteil der Schlussrechnungen für vollstationäre Krankenhausbehandlung, die nach der Prüfung durch den Medizinischen Dienst nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages in dem betrachteten Quartal führen und insoweit durch den Medizinischen Dienst unbeanstandet geblieben sind, an allen in dem betrachteten Quartal abgeschlossenen Prüfungen von Schlussrechnungen für vollstationäre Krankenhausbehandlung,

    Es ist geht also "nur" um eine Minderung des Abrechnungsbetrages

    Schöne Grüße

  • Danke Herr Schaffert,

    Durch diesen Verweis wird es klarer- auch wenn ich es unlogisch finde und eher vermute, die Konstellation „die Abrechnung war falsch niedrig“ wurde von den Gesetzgebern ( auch ) gar nicht bedacht

    Mit freundlichen Grüßen

    Breitmeier

  • Guten Morgen,

    ich habe noch eine andere Frage, vllt. habe ich auch etwas überlesen/übersehen...

    Im § 17c Abs. 2a KHG (2a) wird ausgeführt:

    "Nach Übermittlung der Abrechnung an die Krankenkasse ist eine Korrektur dieser Abrechnung durch das Krankenhaus ausgeschlossen, es sei denn, dass die Korrektur zur Umsetzung eines Prüfergebnisses des Medizinischen Dienstes oder eines rechtskräftigen Urteils erforderlich ist."

    Nun frage ich mich, was ist dann mit Rechnungskorrekturen nach primären Rechnungszurückweisungen seitens der KK bei sachlich-rechnerischen Fehlern u./o. Einigungen im Rahmen der Vorverfahren/Falldialoge?

    Mit freundlichen Grüßen

    Tf

  • Es ist geht also "nur" um eine Minderung des Abrechnungsbetrages

    Hallo zusammen,

    das dachten wir ursprünglich bei der Aufwandspauschale auch, bis uns das BSG das mal richtig erklärt hat.

    Herzliche Grüsse aus Mittelfranken
    E. Horndasch

  • Hallo,

    Nun frage ich mich, was ist dann mit Rechnungskorrekturen nach primären Rechnungszurückweisungen seitens der KK bei sachlich-rechnerischen Fehlern u./o. Einigungen im Rahmen der Vorverfahren/Falldialoge?

    mir erschließt sich gerade nicht, warum mit Eintreten des MDK-Reformgesetzes vor Beauftragung des MD durch die Kasse überhaupt noch Falldialoge abgehalten werden sollten.

    Es heißt zwar

    [...] Da die einzelfallbezogene Erörterung bereits vor Beauftragung des MD durch die Krankenkasse erfolgen kann, kann durch eine im Rahmen der Erörterung erzielte Einigung eine Beauftragung des MD entbehrlich werden. [...]

    aber werden die vorausgehenden Falldialoge bei einvernehmlicher Einigung und "Beendigung des Falldialoges" auch auf die zukünftigen Prüfquoten angerechnet ?

    Falls keine Anrechnung auf die Prüfquoten erfolgt, dann werden wir die Falldialoge komplett einstellen und nicht das "Gießkannen-Prinzip" der Kassen nach dem Motto "wir rütteln mal kräftig am Baum, und schauen was runterfällt" unterstützen.

    Lediglich nach erfolgter MD-Prüfung und Dissens ist man neuerdings ja vor Einschalten des Sozialgerichtes dazu verpflichtet. Oder habe ich da etwas übersehen?

    Beste Grüße

    geoff


  • Hallo Geoff,

    Sie haben meiner Auffassung nach nichts übersehen.

    Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) §17c Abs. 2b Satz 1 neu bestimmt das (Vorschaltung Prüfebene vor Sozialgericht).

    Soweit ich diesen meines Erachtens "gesetzgeberischen Irrsinn" [ICD10-GM2019 F20.0 meiner nicht psychiatrischen Auffassung nach] verstehe wird durch das MDK-Reformgesetz eine Prüf- und Verhandlungsebene vor dem Sozialgericht eingezogen. Verhandlungsebene gründet sich auf KHG §17c Abs. 2b Satz 2 neu, welcher bei "ungewissen Abrechnungen" (Zitat) Vergleichsverträge zwischen GKV und KH für den betreffenden Fall legitimiert.

    Die Gesamtheit der Änderungen schafft m. E. 2 Prüfungswege mit eimal 4 Ebenen vor dem Sozialgericht (Einzelfall SGB 5 §275c neu i. V. m. KHG §17c neu) und einmal 1-2 Ebenen (Fallgruppen; Strukturprüfung; SGB5 §275d neu) vor dem Sozialgericht.

    Da

    • die Quotierung der Prüfungen über den im Gesetz nicht bestimmten "Verdacht auf Unwirtschaftlichkeit" unabhängig von den ermittelten zulässigen Quoten ausgehebelt werden kann [SGB V §275c Abs. 2 Satz 6 neu]
    • und die "Verfahren zwischen KK und KH bei Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Abrechnung im Vorfeld einer Beauftragung des Medizinischen Dienstes" [KHG §17c Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 neu] weder einer Quotierung noch einer Strafzahlung unterliegen [SGB V §275c Abs. 2 Satz 9 neu und SGB V §275c Abs. 3 Satz 4 neu]
    • und die zur erstellende PrüfvV 2020/2021 [KHG §17c Abs. 2 neu] ausdrücklich von den gesetzlichen Bestimmungen nach SGB V §275c Abs. 1 Satz 1 neu abweichen kann [sic!; KHG §17c Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 neu]

    ergibt sich nach meinem Dafürhalten das mehr als wahrscheinliche Szenario bei einem 2018er Preisschild von 2,8 Milliarden Euro zu Gunsten der GKV mit Beitragsdurchschlagswirkung usw. usf., dass die Körperschaften öffentlichen Rechts nach SGB V §4 (GKV) bei den nun gesetzlich noch expliziter sanktionierten Vorverfahren Gas geben werden. Im übrigen: Nach Daten des Bundesrechungshofs in seinem Bericht nach BHO §88 Abs. 2 an den Rechnungsprüfungsausschuss des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages vom 06.05.2019 (Gz. IX 1-2016-0785) S. 21, Übersicht 3 sind die Rückzahlungen nach MDK-Verfahren wie folgt im Verlauf:

    2012 731 MioEUR,

    2013 755 MioEUR,

    2014 789 MioEUR,

    2015 871 MioEUR,

    2016 1011 MioEUR.

    2018 waren es nach Angaben von Johannes Wolff (GKV-Spitzenverband Bund) in der Anhörung Gesundheitsausschuss Bundestag am 14.10.2019 2800 MioEUR:

    Im Schnitt prüfen die Krankenkassen 17,1 Prozent aller Rechnungen und 3,73 Prozent jeder Krankenhausabrechnung fließen an die GKV-Versicherten zurück. Dieser Rückfluss ist real. Es handelt sich nicht um eine Hochrechnung oder irgendetwas in der Richtung, sondernd der tatsächliche Rückfluss beläuft sich auf 2,8 Milliarden Euro. Die Daten basieren auf einer Abfrage, die wir bei den gesetzlichen Kassen gemacht haben, die 70 Prozent aller GKV-Versicherten abdecken.

    Rein wirtschaftlich: Respekt.
    2,8 MrdEUR Rückzahlung bei noch nicht mal vollständigen Daten (70% der GKV-Versicherten).

    Unter diesem Blickwinkel sind die Strafzahlungen nicht nur ein Anreiz zur "bundestagskorrekten" (Wort erschaffen, weil korrekt in Realität ungleich korrekt nach Bundestag), sondern ein Steuerungsinstrument zur Verschiebung von Rechnungsprüfungen zum Zwecke beabsichtigten Vermehrung des Vermögens der GKV vom MD weg zur GKV. Die "frisch gewonnene" Unabhängigkeit des MD ist damit hinsichtlich der Rechnungsprüfung von begrenzter Wirkung. Und die geplante Begrenzung des bürokratischen Aufwands zwecks Prüfung ist damit ...

    Einen Hinweis hierfür gibt der Bundesrechnungshof in seinem Bericht vom 06.05.2019.

    Ohnehin ist das wiederholt vorgebrachte Argument des Rückflusses von Finanzmitteln an den Beitragszahler durch Rechungsprüfungen in meinen Augen solange eine Farce, ggf. sogar Behauptung wider besseres Wissen und Absicht, solange die GKV die Zuzahlungen des Patienten nach SGB V §39 Abs. 4 i. V. m. SGB V §61 für "korrigierte vollstationäre Behandlungen" nicht rückerstattet. Eine Rückerstattung findet nicht statt. Ob die Gutachten MD oder Einlassungen GKV zur Rechnungsprüfung von vollstationären Behandlungen die Zustimmung der GKV-Versicherten finden würden ist bisweilen zweifelhaft.

    Die Aufsichtbehörden wären hier um eine Einschätzung gefragt: da nach dem Interview von Herrn Baas (TK Chef) im Oktober 2016 in der FAZ (siehe z. B. Interview mit Jens Baas. Wir Krankenkassen schummeln ständig. Artikel der Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung von Dyrk Scherff vom 09.10.2016 15:26. und Kodieren für den RSA. Die Versorgung gerät aus dem Blick. Artikel der Ärztezeitung vom 28.12.2016 05:50) über Kodieroptimierungen bei morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich zu Lasten des Gesundheitsfonds keinerlei Konsequenz erfolgt ist ...

    Letztendlich sind Krankenhäuser (ob zu wenige oder zu viele oder genau genug) Einrichtungen der Daseinsvorsorge nach den Grundrechten des Grundgesetzes und somit zwingend notwendig. Das belegt schon die Historie der Einrichtung Krankenhaus unter unterschiedlichsten Bedingungen seit mehr als 2000 Jahren.

    Gesetzliche Krankenversicherungen, insbesondere in der in Deutschland gegenwärtig anzutreffenden Form, sind mit Blick auf die Niederlande, Frankreich, Großbritannien, Kanada usw., nicht zwingend erforderlich. Das könnte man - in Anbetracht der im MDK-Reformgesetz offensichtlich werdenden Durchsetzungsmacht - auch anders machen (historisch, Vergleich nach OECD Kostendaten usw.).

    Wenn der Fokus auf dem Versicherten läge.

    Franz Knieps (BKK Bundesverband) hat den "Fokus auf den Versicherten" in der Anhörung vor dem Gesundheitsausschuss am 14. Oktober 2019 sehr anschaulich auf den Punkt gebracht.

    [...] Wir wundern uns über Betrachtungsweisen, die in diesem Gesetz in die eine Richtung und in anderen Gesetzen (Faire Kassen-Gesetz) in die andere Richtung gehen. Wir vermissen so etwas wie ordnungspolitische Stringenz und echte Ideen, wie Selbstverwaltung künftig attraktiv sein kann, denn wir müssen jüngeren Frauen und Männern Perspektiven bieten, dass es sich lohnt, sich in der Selbstverwaltung zu engagieren.

    Selbstredend ist hier meinerseits keine Vorverurteilung oder umfassende Verdächtigung von GKVen vorliegend. Ich handele entsprechend des gleichen Franz Knieps, welcher pauschale Vorverurteilungen von Krankenhäusern in gleicher Ausschussanhörung unterließ.

    [...] Ich weiß von Debatten in Krankenhauskonzernen etc., dass einerseits eine große Furcht vor den neuen Regelungen im neuen Jahr herrscht, andererseits aber Handreichungen für die Controller und über die Controller auch an die Chefärzte und Oberärzte in den Institutionen gegeben werden, wie damit umzugehen ist. Ich möchte niemanden pauschal vorverurteilen. [...]

    Ministery of Silly Walks starts to run a marathon distance.

    Einen schönen Abend

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    Dr. med. A. Christaras
    FA Kinder- & Jugendmedizin

    Einmal editiert, zuletzt von A_Christaras (9. November 2019 um 20:18) aus folgendem Grund: Komplettierung Nachweise

  • ... Der MD wird sicherlich als dann endgültig unabhängiger Gutachterdienst immer mal wieder auch Rechnungsbeträge erhöhen ( wie aktuell auch schon).

    Hallo Herr Breitmeier,

    ich bin mit Ihnen einer Meinung, dass der MDK derzeit kein unabhängiger Gutachterdienst ist.

    Dass zukünftig Unabhängigkeit gesichert werden kann, indem zwei Drittel der 23 Verwaltungsratsmitglieder des MD von den Krankenkassen bestimmt werden, erscheint mir zweifelhaft.

    Die Bestimmung von zwei Verwaltungsratsmitgliedern durch "Pflege und Ärzteschaft" ist ein Schrittchen in die richtige Richtung. Man hätte ihnen vielleicht zumindest Stimmrecht einräumen können. Die Gefahr revolutionärer Veränderungen ist angesichts der Relationen relativ gering.

    Unabhängigkeit des Sozialmedizinischen Dienstes der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See ist noch weniger ersichtlich, ist doch der SMD nicht einmal formalrechtlich eigenständig. Die Unabhängigkeit soll durch eine eigene Geschäftsordnung "gewährleistet" werden (!?). Ein Beirat wird installiert, dessen Kosten die DRV KBS trägt - Respekt!

    Viele Grüße

    Medman2