Kassen kürzen Verlegung zur Durchführung von Komplex-OPS

  • Hallo zusammen,

    habe aktuelle eine neue Spielart auf dem Tisch, die sich offenbar ein findiger Kassenmitarbeiter ausgedacht hat: KH behandelt Patient X und verlegt diesen später zur Durchführung einer neurol. Frühreha oder Geri-Komplex in KH B obwohl KH A diese Behandlugnen auch durchführen könnte. Grund hierfür ist entweder der Patientenwunsch oder aber eine akute Auslastung der eigenen Kapazitäten, nicht jedoch rein wirtschaftliche Interessen nach dem Motto der OPS bringt KH A keinen Mehrerlös, daher Verlegung um das Bett frei zu bekommen. Die KK macht nun eine Vergleichsrechnung auf und stellt die Kosten für eine getrennte Abrechnung in den beiden KH einer fiktiven Abrechnung in KH A, bei der sämtliche Daten aus KH B mit in die Abrechnung von KH A einfließen, gegenüber. Soweit hier dann Mehrkosten bei getrennter Abrechnung herauskommen, werden diese bei der Abrechnung von KH B (!) in Abzug gebracht.

    Ist dieses Vorgehen bereits flächendeckend bekannt? Für mich stellt sich hier primär die Frage der Rechtsgrundlage (für fiktiv-wirtschaftlich kann ich hier keinen Anhaltspunkt erkennen, da es m.E. keinen Unterschied machen darf, ob das KH die OPS selbst per se nicht erbringen kann oder schlicht temporär keine Kapazitäten mehr hat; zudem sollte sich dies ja aufgrund der Änderung von § 8 Abs. 5 KHEntgG eh erledigt haben) bzw. ob die KK nicht eigentlich § 39 Abs. 2 SGB V anwenden müsste, um ggf. den Patienten mit den Mehrkosten zu belegen. Schließlich sehe ich hier auch nicht KH B in der Pflicht, sondern allenfalls KH A, da B ja die "unwirtschaftliche" Verlegungsentscheidung gar nicht trifft bzw. dies nicht überprüfen kann.

    Bin gespannt auf Rückmeldungen der Gemeinde...

    MfG, RA Berbuir

  • Hallo Herr RA Berbuir,

    ganz unabhängig von der Änderung des § 8 Abs. 5 KHEntgG - warum sollte der Versicherte die Mehrkosten nach § 39 Absatz 2 SGB V bezahlen. In dem Absatz geht es doch nur darum, wenn Versicherte nicht das in der Einweisung (Muster 2) genannte KH nehmen. Hier war es doch eine Verlegung.

    Entscheidend für KH B, was Sie offensichtlich vertreten, ist doch nur, dass dort geprüft wurde, ob die medizinische Indikation für die vollstationäre Behandlung bestand. Ist das unstrittig zu bestätigen, muss aus meiner Sicht KH B auch keine Kürzungen oder gänzliche Ablehnung der Kostenträger akzeptieren.

    Dazu gibt es ein Urteil des BSG vom 16.12.2008 B1 KR 10/08 R

    Viele Grüße

    MC1

  • Hallo MC1,

    naja, ich hab da halt mal eine eher weite Auslegung vorgenommen, wonach auch die nachträgliche Verlegung auf Wunsch des Pat. ja eine Abweichung von der Einweisung darstellt, KK haben ja in anderen Fällen auch einen gewissen Hang zur Dehnung des Wortlautes...

    Im übrigen sehe ich das aber genauso wie Sie, die BSG-Entscheidung wurde iÜ auch zuletzt noch einmal durch das LSG Saarland aufgegriffen (Urt. v. 13. 04.2016 – L 2 KR 207/12, unveröffentlicht) welches festhielt: "Entgegen der Auffassung der Beklagten (=KK) kann dem Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 SGB V auch nicht die Pflicht der Klägerin (= KH) entnommen werden zu prüfen, ob tatsächlich eine Verlegung erfolgen muss. Wird ein Versicherter in ein anderes Krankenhaus verlegt, kann das aufnehmende Krankenhaus die Fallpauschalenvergütung vielmehr unabhängig von der Notwendigkeit der Verlegung beanspruchen."

    MfG, RA Berbuir

  • Moin,

    die Variante gibt es auch so, dass dem KH A alle Mehrkosten abgezogen werden bis zum völligen Verfall des gesamten Erlöses. Offensichtlich wird die Variante gewählt, die einfacher ist.

    Einen Prüffall gibt es dabei regelmäßig nicht.

    Vll. hilft in diesem Zshg. SG Altenburg:

    • SG Altenburg, Urteil vom 21.09.2018 – S 13 KR 868/18 (Wohnortnahe Verlegung von Maximal- zu Grundversorger)

    oder

    • SG Wiesbaden, Urteil vom 14.08.2018 – S 14 KR 226/16 (Verlegung in Weaningzentrum)

    Gruß

    merguet

    • Offizieller Beitrag

    Guten Tag

    Siehe auch: s.u.

    Gruß

    E Rembs


    SG Hamburg, Urteil vom 19.02.2008 - S 48 KR 605/05

    Dem weiteren Einwand der Beklagten, dass nur die von ihr vertretene Rechtsauffassung Fehlanreize zu einem „ erlösorientierten Patiententourismus“ innerhalb der Krankenhäuser vermeide, sind die zutreffenden Ausführungen des Referatsleiters Tuschen vom Bundesministerium für Gesundheit im Schreiben vom 05.05.2006 – Az. 213-43546-8 – an die Deutsche Krankenhausgesellschaft entgegenzuhalten. Danach war bei Schaffung des § 1 Abs. 1 Satz 2 KFPV und der ihr nachfolgenden Fallpauschalenvereinbarung der Selbstwaltungspartner das Ergebnis, dass in Verlegungsfällen jedes der beteiligten Krankenhäuser eine Fallpauschale abrechnet, durchaus gewollt. Diese Regelung wird im Gesamtsystem und für die Krankenkassen nicht teurer. Da das (virtuelle) Landesbudget unverändert bleibt und durch eine bei Verlegungen erhöhte Fallzahl (CM) dividiert wird, kommt es zu einer entsprechenden Absenkung des Landes-Basisfallwerts, wovon alle Krankenkassen profitieren. Es ist Aufgabe der Selbstverwaltungspartner, die Wirkung dieser Regelung bei der Weiterentwicklung des DRG-Systems zu beobachten und gegebenenfalls zu entscheiden, ob Änderungen in diesem System oder bei den Abrechnungsregeln vorgenommen werden müssen. Eine Entscheidung hierüber steht einer einzelnen Krankenkasse im Rahmen der Abrechnung nicht zu. Die Absicht des Gesetzgebers, möglicherweise entstehenden Anreizen zur Verlegung aus wirtschaftlichen Interessen der beteiligten Krankenhäuser entgegenzuwirken und Verlegungen auf das notwendige Maß zu begrenzen, hat in der Regelung der Transportkosten in § 60 SGB V Niederschlag gefunden; Rückschlüsse auf die Abrechenbarkeit von DRG–Fallpauschalen können hieraus nicht gezogen werden. Entscheidend für die Abrechnung einer zweiten Fallpauschale durch das weiterbehandelnde Krankenhaus ist deshalb die Frage, ob der Patient (noch) krankenhausbehandlungsbedürftig ist. Dieses war indessen bei der Verlegung vom AKA in das Krankenhaus der Klägerin unstreitig der Fall.

    https://openjur.de/u/592162.html

  • Guten Tag Herr Berbuir,

    wir sind ein KH B :) und das ist bei uns durchaus ein Thema. Immer eine große Kasse.

    Die Fälle befinden sich aktuell bei Ihren Kollegen in Bearbeitung. Unsere Position: entscheidend ist die medizinische Notwendigkeit einer stationären Behandlung zum Zeitpunkt der Aufnahme (bei uns). Auf die Prüfung der medizinischen Notwendigkeit einer Verlegung durch die zuweisende Klinik haben wir keinen Einfluss. Wenn überhaupt, wäre den Vorwurf der Verletzung des Wirtschaftlichkeitsgebots an das verlegende Krankenhaus zu richten. Wobei es sicherlich andere Faktoren eine Rolle spielen (vor allem die Bettenkapazitäten und in diesem Zusammenhang gerade die Erfüllung des Wirtschaftlichkeitsgebots, um die Verweildauer nicht unnötig zu verlängern), als ein gewollter "Patiententourismus".

    Viele Grüße.

  • Aus meiner Zeit als MC in Hamburg ist mir dieses Vorgehen auch noch bekannt. Dort wurden/werden die "A"-Krankenhäuser mit Regressforderungen konfrontiert. Meines Wissens wird der Vorgang lokal der juristischen Überprüfung zugestellt.

    Mir ist in diesem Zusammenhang noch ein BSG-Urteil aus 2008 bekannt, in welchem der damalige 1. Senat zu der Auffassung gelangte, dass die Verlegung zur weiteren Behandlung in ein anderes Krankenhaus nicht zwingend medizinisch notwendig sein muss und dass im Falle der Verlegung jede Klinik eine entsprechende DRG abrechnen darf.

    BSG B 1 KR 10/08 vom 16.2.2008. Daraus:

    "Alle Voraussetzungen des Vergütungsanspruchs sind erfüllt. Nach der hier maßgeblichen Abrechnungsregelung des § 1 Abs 1 Satz 2 KFPV 2004 kommt es nicht darauf an, dass die Verlegung am 23.6.2004 vom Krankenhaus der Beigeladenen in das Krankenhaus der Klägerin nicht medizinisch zwingend notwendig gewesen ist (dazu 2.). Die dagegen erhobenen Einwendungen der Beklagten greifen nicht durch (dazu 3.)." (B 1 KR 10/08, Rnr. 13).

    Ob der heutige erste Senat an der damaligen Entscheidung festhalten würde, vermag ich nicht zu beurteilen.

  • Guten Tag Herr Berbuir,

    ich habe jetzt ganz aktuell ein erstes KK-Schreiben auf dem Tisch liegen, in welchem die von Ihnen bereits benannte Rechnung aufgestellt wird.
    Wir sind KH A, welches einen Patienten in KH B verlegt hat, obwohl die Geri-Komplextherapie lt. MDK auch bei uns hätte erbracht werden können. Für diese grundsätzliche Feststellung hätten jedoch keinerlei MDK Ressourcen verbraucht werden müssen.

    Der KK sei durch unser unwirtschaftliches Verhalten ein Schaden in Höhe von rund 430 € (inkl. Fahrtkosten) entstanden, die jetzt durch uns zu erstatten seien. Aber es gibt noch eine Steigerung... müsste die KK KH B nach einer MDK Prüfung eine AWP zahlen, würde man auch diese Kosten von uns einfordern.

    Ketzerische Frage: Könnte KH A dann nicht auch eine "Gewinnbeteiligung" einfordern, wenn der MDK KH B auf Null kürzt, weil die Komplextherapie ja im verlegenden KH hätte erbracht weren können?

    Da in dem KK Schreiben auffällig pauschal auf das Wirtschaftlichkeitsgebot verwiesen wird, welches KH nach der aktuellen BSG Rechtsprechung zu beachten hätten, hab ich einmal konkreter nachgefragt. Verwiesen wurde dann (oh Wunder :saint: ) auf die BSG Entscheidung vom 10.3.2015 – B 1 KR 3/15 R. Ebenfalls wurde mir auf Nachfrage mitgeteilt, dass bereits diverse KH ein solches Schreiben erhalten hätten. Das kann ich nach ein paar kollegialen Telefonaten im Kölner Umland auch so bestätigen.

    Da diese Schreiben offensichtlich schon seit ein paar Monaten verschickt werden, gibt es ja vielleicht schon die ein oder anderen Erfahrungswerte betroffener Häuser.
    Hat die KK (ich vermute mal, dass ein solches Schreiben bislang nur von einer KK verschickt wird) ggf. schon die angedrohte Klage eingereicht, wenn man nicht gewillt ist, dieser Zahlungsaufforderung Folge zu leisten?

    Vielleicht höre ich Flöhe husten, aber im Zusammenhang mit Pflegepersonaluntergrenzen & Pflegekräftemangel könnten KH künftig häufiger "gezwungen" sein, PatientInnen für eine medizinisch erforderliche Komplextherapie in ein anderes KH verlegen zu müssen, weil die eigenen Ressourcen ausgeschöpft sind.

    In diesem Sinne einen freundlichen Gruß
    Fayence

  • Aber es gibt noch eine Steigerung... müsste die KK KH B nach einer MDK Prüfung eine AWP zahlen, würde man auch diese Kosten von uns einfordern.

    ok, das ist neu und ich wäre tatsächlich gespannt, auf welcher Rechtsgrundlage, die das einfordern wollen... :/