"Rausch ausschlafen"

  • Schönen guten Tag Herr "Kassenfürst" und alle anderen!

    Zitat


    Original von ToDo:
    Ich bin dafür, dass in jedem Krankenhaus ein hausärztlicher Notdienst installiert wird, der außerhalb normaler Praxisöffnungszeiten Bereitschaft hat und die Patienten "vorsortiert". Ich kenne zwei Häuser, in denen Ähnliches jetzt seit etwa einem Jahr hervorragend funktioniert.


    Auch bei uns existiert ein Kassenärztlicher Notdienst am Haus. Als er installiert wurde, wurden natürlich mehrere andere Notdienste in der Region dicht gemacht. Während der Woche wird der KV-Notdienst für die "Laufkundschaft" von den (Assistenz-)Ärzten der Notaufnahme so nebenbei mitgemacht. Mittwochs und am Wochenende machen externe Ärzte Dienst. Allerdings ist das für die Hausärzte offensichtlich nicht mehr attraktiv, so dass die Qualität nicht immer optimal ist. Da die Patienten dann aber schon mal am Krankenhaus sind, werden sie dann oft doch noch einmal "zur Sicherheit" bspw. dem Chirurgen vorgestellt. Die Belastung der Krankenhausärzte bzw. die Kosten für die Krankenkassen sinken dadurch nicht unbedingt (bzw. sind stark von der Qualität des Notdienstarztes abhängig).

    Das Problem ist doch, dass kaum ein Hausarzt sich noch außerhalb der "Sprechzeiten" und insbesondere Nachts für seine Patienten zuständig fühlt und sich daher über den Notdienst "freikauft". Es fehlt heutzutage oft eine echte Arzt-Patient Bindung. Dafür ist sicherlich auch ein gesamtgesellschaftlicher Metalitäts- bzw. Wertewandel verantwortlich, meiner Ansicht nach aber auch die Formalisierung und Entmenschlichung des Gesundheitswesens aufgrund der gesetzlichen Vorgaben.

    PS:
    Auch wenn es sich so anhören mag, ich bin noch keine 80 und trauere nicht unbedingt der "guten alten Zeit" hinterher. Aber ich erlaube mir die Frage, ob diese von mir so empfundenen Veränderungen bei aller Unzulänglichkeit der „menschlichen“ Komponente wirklich durch Kontrolle, Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement ersetzt werden kann. Ich glaube, dass die zwischenmenschlichen Beziehungen in der Medizin in ihrer Bedeutung unterschätzt werden.

    PPS:
    Unter dem Topic: "Was soll besser werden bei mydrg" wurde der Vorschlag gemacht, ein Gesundheitspolitisches Forum einzurichten. Ich fände das gut. Ich glaube, dass hier der Kassenfürst, Herr Gust, ich und natürlich alle anderen auf der Ebene der Praktiker uns schneller über sinnvolle Entwicklungen des Gesundheitswesens einigen könnten, als die hochdotierten Spitzenverbandsvertreter, xy-Kommisionsmitglieder und (sowieso) Politiker. Natürlich wird keiner auf uns hören, aber deshalb seine Meinung hinunterzuschlucken halte ich auch nicht für gut.
    :drink: bzw. :strauss:

    Zitat


    Original von ToDo
    ich danke Ihnen auch, insbesondere dafür, dass Ihre Beiträge mindestens genau so lang sind wie meine.

    In diesem Sinne ;)
    schönen Tag noch
    --
    Reinhard Schaffert

    Medizincontroller
    Facharzt für Chirurgie
    Kliniken des Wetteraukreises

    • Offizieller Beitrag
    Zitat


    Original von Reisch:
    Das Problem ist doch, dass kaum ein Hausarzt sich noch außerhalb der "Sprechzeiten" und insbesondere Nachts für seine Patienten zuständig fühlt und sich daher über den Notdienst "freikauft". Es fehlt heutzutage oft eine echte Arzt-Patient Bindung.

    S. dazu ggf. auch
    http://www.stuttgarter-zeitung.de/stz/page/detai…htag=2003-06-24

  • Auch wenn der Thread schon etwas länger her ist, möchte ich doch eine Frage dazu loswerden.

    Wie ist denn nun die Vergütung der Krankenhausleistung geregelt? Kommt der Patient und geht nach einigen Stunden wieder, moniert die Kassen den Aufenthalt und sagt, anhand der Kürze könne es keine Vergütung der stationären Leistung geben. Die kurze Behandlungsdauer ist aber nicht \"Schuld\" des Hauses, denn der Patient geht ja gegen ärztlichen Rat und hätte nach Einschätzung der Kollegen noch länger liegen müssen.

    Wie wird denn nun in solchen Fällen praktisch verfahren?

    Vielen Dank vorab,

    V. Blaschke

    _____________________
    Dr. med. Volker Blaschke

  • Guten Abend zusammen...

    Mal wieder eine Anwort von den \"verständnislosen\" Krankenkassen. :biggrin:

    Bei uns wird es normalerweise so gehandhabt, dass wir die entsprechenden KH anschreiben, ob es sich lediglich um eine Aufnahme zur Ausnüchterung handelte.

    Das gibt den KH dann die Gelegenheit ggf. Symptome und durchgeführte Prozeduren noch nachträglich zu melden.

    Bei Versicherten die lt. Kassenakte bereits schon in dem Krankenhaus bekannt sind (Drehtürpatienten) und lediglich zur Ausnüchterung aufgenommen werden, da lehnen wir die Kostenzusage gelegentlich ab und verweisen darauf, dass die Patientengeschichte bereits bekannt ist und die vollstationäre Behandlungsbedürftigkeit nicht nachzuvollziehen ist.

    In kritischen Fällen einigen wir uns häufig auf die Abrechnung einer vorstationären Behandlung. Ein Telefonat mit dem KH oder vom KH mit der KK ist oft hilfreich.

    Und wenn wirklich weitergehende Maßnahmen durchgeführt wurden, dann lassen wir uns meist darauf ein die Behandlung vollstationär als DRG abzurechnen.

    Ich hoffe, das konnte etwas helfen, auch Licht in das nicht immer leichte Leben eines Krankenkassenmitarbeiters zu werfen.
    Wie sollen wir denn auch auf den Einzelfall abstellen können, wenn wir häufig nur unvollständige Meldungen nach 301 bekommen und erst bei weiteren Nachfragen noch weitere Diagnosen etc. bekannt werden.... :jaybee:

    Lieben Gruß aus dem Bergischen Land

    Jennifer Busse

  • Guten Morgen,
    aus den bekannten medico-legalen Gründen werden bei uns volltrunkene und äthyltoxisch komatöse Patienten per Monitor überwacht. Zusätzlich geben wir in der Abrechnung den Code für Koma mit an. Das heisst, an die KK wird die akute Intoxikation, die Intensivüberwachung und das Koma per §301 übermittelt. Aus persönlichen Gesprächen mit KK-Mitarbeitern weiss ich, dass diese sich dann etwas leichter tun, eine vollstationäre Behandlung zu akzeptieren. Und bei extrem kurzen Aufenthalten (was immer unter diesem Zeitbegriff zu verstehen sein mag)ist meistens der Patient gegen ärztlichen Rat gegangen.

    Herzliche Grüsse aus Mittelfranken
    E. Horndasch

  • Zitat


    Original von jemebu:
    ... um eine Aufnahme zur Ausnüchterung handelte.

    Bei Versicherten die lt. Kassenakte bereits schon in dem Krankenhaus bekannt sind (Drehtürpatienten) und lediglich zur Ausnüchterung aufgenommen werden, da lehnen wir die Kostenzusage gelegentlich ab und verweisen darauf, dass die Patientengeschichte bereits bekannt ist und die vollstationäre Behandlungsbedürftigkeit nicht nachzuvollziehen ist.


    Und wer zahlt dann die Aufnahme zur Ausnüchterung, die man um keine Verletzung der Aufsichtspflicht, oder wie das in dem Fall auch immer heißt, quasi zwingend vornehmen muss, damit man nicht bereits mit einem Fuß im Knast steht? Nachdem Alkoholismus eine Krankheit ist und ich im Solidarsystem auch die Behandlung eines Selbstmordkanditaten, sowie die eines notorischen Extremsportlers mitzahle, warum nicht auch die eines Alkoholikers???:d_gutefrage:

    Gruß, Laupi

  • Gut, daß es im Fallpauschalenkatalog die V60 gibt, damit sollte doch eigentlich die Problematik gelöst sein. Oder gibt es hier Probleme?

    Mit freundlichen Grüßen

    V. Blaschke

    _____________________
    Dr. med. Volker Blaschke

  • Hallo Forum,
    zur Zeit haben wir in Rosenheim wieder das Herbstfest und es werden wieder Fälle mit akutem Rausch aufgenommen, welche dann bei uns übernachten.
    Meine Frage an die Kassenfürsten und Juristen:
    Gibt es eigentlich eine Rechtsgrundlage für gesetzliche Krankenversicherungen, bei ihren Versicherten Regress zu nehmen?
    Gibt es sie nicht oder verzichten die GKVen aus \"Kulanzgründen\" auf einen Regress?
    Gruß

    Dr.Gerhard Fischer
    Medizincontroller/Frauenarzt

  • Hallo zusammen,

    ohne auf die älteren Postings einzugehen, komme ich direkt zu Ihrer Frage, Herr Dr. Fischer.

    Nichts scheut die Kasse mehr als schlechte Presse, wo doch unsere Gesundheit das höchste Gut ist.
    Deswegen sind wir zumindest bei Rückforderungen an Versicherte vorsichtig. Im Wiederholungsfall kommt es dann aber zu freundlichen Informationsschreiben, in denen auf den §1 SGB V hingewiesen wird:
    \"Die Krankenversicherung als Solidargemeinschaft hat die Aufgabe, die Gesundheit der Versicherten zu erhalten, wiederherzustellen oder ihren Gesundheitszustand zu bessern. Die Versicherten sind für ihre Gesundheit mitverantwortlich; sie sollen durch eine gesundheitsbewußte Lebensführung, durch frühzeitige Beteiligung an gesundheitlichen Vorsorgemaßnahmen sowie durch aktive Mitwirkung an Krankenbehandlung und Rehabilitation dazu beitragen, den Eintritt von Krankheit und Behinderung zu vermeiden oder ihre Folgen zu überwinden. Die Krankenkassen haben den Versicherten dabei durch Aufklärung, Beratung und Leistungen zu helfen und auf gesunde Lebensverhältnisse hinzuwirken.\"
    Hier werden die Versicherten auch informiert, dass es möglich ist Kosten für Ausnüchterungen zurückzuverlangen (hier auch Hinweis auf §2 abs. 1), der letzte Rechnungsbetrag wird konkret genannt.

    Anders verhält es sich bei Abhängigkeitserkrankten ab der 5. Entgiftung im laufenden Kalenderjahr. Aber dies betrifft ja eher den Bereich der Psychiatrie und Pflegesatzabrechnung. Nur kurz: Hier steht der direkte Kontakt zu den behandelnden Krankenhäusern im Vordergrund.

    Wäre auch sehr interessiert, wie andere Kassen verfahren.

  • Hallo ToDo, Hallo Forum,
    nach dem ich den Lebenslauf von Ihnen gerade gelesen habe, wurde mir schlagartig klar warum ich mir immer bei Praktikanten die selbe frage stelle:
    Warum macht der das denn eigentlich?
    Nach einer mehr als zwanzig jährigen Berufserfahrung und Arbeitsstellen an den verschiedensten Orten eines Krankenhauses und auch \"fremdländischen\" Krankenhäuseren, möchte ich ihnen das von Ihnen so hochgelobte \" Basiswissen\" nicht absprechen, aber so einiges in Frage stellen. Es reicht nämlich nicht aus ein Praktikum einmal zu machen, es reicht nicht aus ein oder zwei Operationen gesehen zu haben und es reicht noch lange nicht dies einmal zu machen. Denn wie Sie wissen \"Stillstand ist Rückschritt\".

    :devil:
    Mfg

    8) Stefan Schulz, Med. Controlling

  • @ Simon,
    besten Dank für die ehrliche Antwort, was das Rückforderungsverhalten angeht. Leider kann ich das inkonsequente Verhalten nicht nachvollziehen. Einerseits mutet man auch alten Patienten zu, bei Leistungen, welche im Katalog ambulanter Operationen enthalten sind, von Pontius zu Pilatus zu laufen, um die präoperative Diagnostik zu erledigen und schickt sie dann nach der OP nach Hause, wo dann ein ambulanter Pflegedienst sie herzlich in Empfang nehmen soll. Nach meinem Dafürhalten ist die \"Großzügigkeit\" bei Alkoholexzessen und im Gegensatz dazu die stringente Forderung nach ambulanter Durchführung von Eingriffen, auch wenn ein Transportproblem besteht oder die häusliche Versorgung nicht gewährleistet ist, eine Zumutung für die GKV-Kunden. Da sollte man doch mal ansetzen, wenn\'s um\'s Sparen geht.
    Gruß

    Dr.Gerhard Fischer
    Medizincontroller/Frauenarzt