Harnwegsinfekt vs. Bakteriämie

  • Sehr geehrte Damen und Herren,

    bei uns ist eine Diskussion aufgrund der folgenden Konstellation aufgekommen:

    Fallbeispiel:

    Pat. kommt mit allgemeinen Infektionszeichen: Fieber, Tachypnoe, Tachycardie, Leukozytose etc. (SIRS+)

    Es liegt keine Organdysfunktion vor.

    Nachweis von E.coli in Urinbakteriologie

    Nachweis von E.coli in Blutkultur

    Therapie: Antibiose , Volumen

    Arbeitsdiagnose: V.a. Urosepsis

    Welche Kodierung würden Sie hier bevorzugen?

    1. HD: N39.0, ND: A49.8
    2. HD: A49.8, ND: N39.0

    An welche Stelle gehören B96.2! und R65.0!?

  • Hallo,

    nach Ihrer Schilderung liegt eine Sepsis nach S3-Leitline nicht vor.

    Ich würde kodieren:

    N39.0 - R65.0! als HD

    ND N39.0 + B96.2! und A49.8

    Gruß

    S. Stephan

  • Hallo S. Stephan,

    eine Sepsiskodierung ist nicht möglich.

    So sehe ich das auch.

    Aber die Frage ist eher:

    Kann die A49.8 als HD deklariert werden?

    Bakterien im Blut sind doch "schlimmer" als im Urin.

    :)

  • Hallo,

    wenn zwei Diagnosen gleichermaßen die Bedingung der Hauptdiagnose erfüllen, entscheidet der Ressourcenverbrauch, dieser dürfte hier identisch sein (Antibiose).

    Die N39.0 , DRG L63F Infektionen der Harnorgane bildet m.M.n den Fall spezifischer ab als die HD A49.8, DRG T64C andere infektiöse und parasitäre Krankheiten.

    Gruß

    S. Stephan

  • Hallo,

    aber es ist doch keine reine Harnwegserkankung mehr sondern eine systemische wenn eine Bakteriämie vorliegt (und eben "noch keine" Sepsis ist); zumindest möchte man ja mit intensiver Antibiose und Volumengabe ein generalisertes Organversagen/Tod vermeiden. Und nicht einen Harnwegsinfekt mit 1malGabe eines oralen AB... VWD/Pflege/Aufwand alles Ressourcen.

    MfG

    rokka

  • Hallo,

    wir haben gerade den gleichen Fall. Aber warum sollte der Code A49.8 kodiert werden statt A49.1?

    Aus unserer Sicht sollte die Bakterämie doch auch spezifisch kodiert werden, oder?

    Vielen Dank

  • Hallo,

    wir haben gerade den gleichen Fall. Aber warum sollte der Code A49.8 kodiert werden statt A49.1?

    Aus unserer Sicht sollte die Bakterämie doch auch spezifisch kodiert werden, oder?

    Vielen Dank

    Hallo,

    na das auf jeden Fall, je nach Keim entsprechenden Code wählen und die B's nicht vergessen

    MfG

    rokka

  • Aber warum sollte der Code A49.8 kodiert werden statt A49.1?

    Weil der Threadersteller schrieb, dass sich im Urin als auch in der Blutkultur E. coli gezeigt hatte und Coli-Bakterien eben keine Streptokokken sind ;)

    Vergleiche auch das alphabetische Verzeichnis:

    Escherichia coli

    – Arthritis M00.89 B96.2!

    – Bronchopneumonie J15.5

    – Diarrhoe A04.4

    – Enteritis A04.4

    – enterohämorrhagisch

    – – Diarrhoe A04.3

    – – Enteritis A04.3

    – enteroinvasiv

    – – Diarrhoe A04.2

    – – Enteritis A04.2

    – enteropathogen, mit Diarrhoe A04.0

    – enterotoxinbildend

    – – Diarrhoe A04.1

    – – Enteritis A04.1

    – Erreger B96.2! (nur Zusatzkode)

    – Infektion A49.8

    Somit befindet sich E. coli und alle Artverwandten in der Resteklasse *.8 und wird folgerichtig mit A49.8 verschlüsselt. Da der Keim nicht im Titel benannt wird, ist der Kode B96.2! zusätzlich zu verschlüsseln, um den Keim weiter aus zu differenzieren.

    Herzliche Grüße

    Kodiak

  • Hallo,

    bezüglich der zusätzlichen Angabe von Kodes aus dem Bereich B95 bis B98 muss ich widersprechen. Der Keim E. coli wird zwar nicht explizit im Titel genannt, aber die hier vorliegende Krankheit A49.- "Bakteriämie" bzw. "Bakterielle Infektion nicht näher bezeichneter Lokalisation" ist nicht in einem anderen Kapitel klassifiziert, sondern wie alle B-Kodes im Kapitel I der ICD-10 ("Bestimmte infektiöse und parasitäre Krankheiten"), welches sich über den Kodebereich A00 bis B99 erstreckt. Die Doppelklassifikation mit diesen Sekundärkodes ist bei allen Erkrankungen des Kap. I nicht möglich. Hier ist gegebenenfalls von der Kreuz-Stern-Klassifikation Gebrauch zu machen, was aber im Falle der Bakteriämie nicht vorgesehen ist.

    Mit den besten Empfehlungen

    Dr. Rolf Bartkowski
    Arzt f. Chirurgie, Med. Informatik
    Berlin

  • Sehr geehrter Herr Dr. Bartkowski,

    aufgrund Ihrer Antwort hätte ich noch einmal eine Nachfrage. Mir ist es (in der Vergangenheit) auch schon passiert, dass die Kassen den Sekundärkode mit dem Keim abgelehnt haben, weil der Text ja lautet "in anderen Kapiteln klassifiziert" und A und B nun einmal in einem Kapitel stecken. (in meinem Fall Erysipel - A46)

    Wie werde ich aber dann der DKR gerecht, dass die obligat anzugebenen Keim-Kodes eben zu verschlüsseln sind? Ich muss sie ja irgendwo als Sekundärkode anhängen.

    Ich hatte damals der KK das R (auffälliger mikrobiologischer Befund) vorgeschlagen, um eben ein anderes Kapitel gewählt zu haben. Ändert ja grundsätzlich an dem ggf. resultierenden Schweregrad nichts und ist in meinen Augen nur ein sinnloses Austauschen von Buchstaben, aber mir erschließt sich dieses Beharren auf "andere Kapitel" nicht.

    Mit freundlichen Grüßen

    Cyre

  • Sehr geehrte Frau Cyre!

    Das "Beharren" auf "andere Kapitel" erklärt sich, wenn man das Grundprinzip der Doppelklassifikation von Infektionen verstanden hat.

    Sogenannte "spezifische Infektionen" sind dem Kapitel I der ICD-10 zugeordnet, für die in der Regel die Kreuz-Stern-Klassifikation gilt. Darunter sind charakteristischze Krankheiten wie Cholera, Typhus, Syphilis, Tuberkulose, Virus-, Protozoen- und Pilzinfektionen zu verstehen, deren Kreuzkodes im Kap. I stehen und die korrespondieren Sternkodes (Manifestation) im zutreffenden Organkapitel. Dem gegenüber stehen die unspezifischen Infektionen bestimmter Organe, die primär im jeweiligen Organkapitel abgebildet sind und in der Regel mit einem Sekundärkode aus dem Bereich B95 - B98 kombiniert werden.

    Eine Dreifachkodierung soll aber nicht stattfinden, daher die Beschränkung der Kodes B95 ff. auf "andere Kapitel".

    Abweichungen von dieser Systematik sind durch folgende Umstände zu erklären:

    1) Unsystematische Zuordnung auch unspezifischer Infektionen zum Kapitel I wie z.B. A04.8, A04.9, Erysipel, Sepsis und Bakteriämie (A49)

    2) Ausnahmen von der Primär-/Sekundärkodierung durch die DKR D012 ("Schlüsselnummern des Kapitels I zur Identifizierung des Infektionserregers werden hinzugefügt, sofern dieser im Rubriktitel nicht enthalten ist.")

    3) Unsystematische Aufnahme benannter Infektionen in die Organkapitel (Pneumonien durch bestimmte Erreger, eitige Arthritis durch bestimmte Erreger), die eigentlich auch mit Sekundärkodes abbildbar wären. Dadurch ist es letztendlich erst zu den o.a. Regelungen der DKR D012 gekommen.

    Beste Grüße

    Dr. Rolf Bartkowski
    Arzt f. Chirurgie, Med. Informatik
    Berlin

    3 Mal editiert, zuletzt von Bartkowski (28. Juli 2023 um 10:20)