Fallzusammenführung Urteil vom 27.10.2020, B 1 KR 9/20 R

  • Guten Tag Communitiy,

    können Sie mir sagen ob das Urteil des BSG jetzt eine FZF für alleFallkonstellationen festlegt, die medizinisch noch nicht abgeschlossen sind?

    Selbst bei Implantation von z.B. Schrauben oder Winkeln nach einer Fraktur, wo absehbar ist das diese in paar Monaten wieder herausgenommen werden können?

    Wie interpretieren Sie dies?

    Danke für Ihr Feedback :thumbup:

  • Hallo thebiller,


    seriöserweise kann Ihnen hier natürlich niemand sagen, welche Fallkonstellationen abschliessend unter das zitierte BSG Urteil fallen. „Alle“ Fallkonstellationen sicher nicht.

    Die von Ihnen aufgeworfenen Themen einer Metallentfernung nach Frakturversorgung gehören m.E. auch nicht dazu.

    Ich würde aus formalen Gründen dringend dafür plädieren, die Begriffe „Beurlaubung“ und Fallzusammenführung ( „FZF“) klar voneinander zu trennen. Sie sind keine Synonyme sondern in unterschiedlichenParagraphen der FPV verortet ( interessanterweise wird der Tatbestand der Beurlaubung in §1 und damit vor der Fallzusammenführung in §2 geregelt).

    Die für mich entscheidenden Termini des zitierten Urteils sind „ kurzfristig, zeitnah und absehbar geplant“. Ich vermute, es geht den Sozialrichtern um die Verhinderung einer rein monetär gesteuerten Aufteilung eines medizinischen Behandlungsfalles in mehrere Abrechnungsfälle. Wenn Sie sich den Sachverhalt ansehen, fällt auf, dass der Patient nur 4 Tage zuhause war. Bei solchen Konstellationen drängt sich der Begriff Beurlaubung ja zwangsläufig auf. Wenn das Intervall dagegen z.B. 3 Monate beträgt, ist das für mich überhaupt nicht der Fall, selbst wenn die Metallentfernung schon soweit im Voraus geplant wäre. Alles dazwischen mag streitbefangen sein.

    Ich würde gesunden medizinischen Verstand zugrunde legen und mir ansehen, ob die jeweilige Behandlung abgeschlossen und eine definitive Entlassung für einen längeren Zeitraum medizinisch geboten war ( wie in Ihrem Beispiel) oder ob die Behandlung eben nur kurzfristig unterbrochen wurde.

    Rechtssicher beantwortet wurde vom BSG allerdings nun, dass egal ist, von wem die Initiative zur Kurzfristigen Unterbrechung ausgegangen ist ( Patient oder Arzt).

    Mit freundlichen Grüßen

    Breitmeier

  • Guten Morgen,

    bitte beachten Sie, dass der Fall vor dem BSG aus dem Jahr 2012 ist. Damals gab es die seit dem 01.01.2019 geltende Fassung des § 8 Abs. 5 KHEntgG noch nicht ("...In anderen als den vertraglich oder gesetzlich bestimmten Fällen ist eine Fallzusammenführung insbesondere aus Gründen des Wirtschaftlichkeitsgebots nicht zulässig.").

    Der entsprechende Paragraph wird vom BSG im o.g. Urteil in Randnummer 17 diskutiert bzw. begründet, weshalb diese Änderung nicht rückwirkend für ältere Fälle gilt:

    "17

    Etwas anderes ergibt sich jedenfalls für den vorliegend maßgeblichen Abrechnungszeitraum nicht aus der mit Art 9 Nr 6 Buchst c des Pflegepersonal-Stärkungsgesetzes (<PpSG> vom 11.12.2018, BGBl I 2394) eingefügten Regelung des § 8 Abs 5 Satz 3 KHEntgG (vgl BSG vom 19.11.2019 - B 1 KR 6/19 R - SozR 4-2500 § 109 Nr 81 RdNr 23). Diese Regelung ist - anders als andere Regelungen des PpSG (ua die Änderungen in § 8 Abs 10 KHEntgG, vgl Art 14 Abs 2 PpSG) - erst zum 1.1.2019 in Kraft getreten (Art 14 Abs 1 PpSG) und eine rückwirkende Geltung ist - anders als in den mit dem PpSG ebenfalls eingefügten Regelungen in § 109 Abs 5 Satz 2 und § 325 SGB V (Art 7 Nr 8a und Nr 20 PpSG) - nicht angeordnet worden. Sie findet daher auf den vorliegenden Abrechnungsfall aus dem Jahr 2012 (noch) keine Anwendung. Die in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck gebrachte Auffassung, dass es sich bei § 8 Abs 5 Satz 3 KHEntgG lediglich um eine Klarstellung handele (s BT-Drucks 19/5593 S 125 Zu Nummer 6 Zu Buchst c), bindet den erkennenden Senat nicht (vgl BVerfG vom 17.12.2013 - 1 BvL 5/08 - BVerfGE 135, 1 = juris RdNr 47 f mwN)."

    Mit §8 Abs. 5 KHEntgG wurde zumindest für Fälle ab 2019 vom Gesetzgeber deutlich gemacht, dass die lustige Erfindung des fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhaltens keine Begründung für Fallzusammenführungen außerhalb der FPV ist.

    Einen schönen Tag wünscht

    FBR

  • Hallo Herr Breitmeier,

    Ihre Hoffnung auf den gesunden medizinischen Verstand in allen Ehren. Aktuell schaut die Sache so aus: MDK sagt es gibt einen medizinischen Grund für die Falltrennung (Tage bis Wochen je nach Grundkonstellation). Kasse sagt, es gibt einen medizinischen fallzusammenhang.

    Beispiele gefällig? Einlage von Ureterenschienen als die klassischen Konstellationen Implantation von Testelektroden. Dann natürlich das Abheilen von Infektionen vor einer elektiven OP zur Vermeidung des Risikos und die Cholezystektomie im Intervall.

    Problematisch für mich ist dann: wenn der Fall dann doch durchgezogen wird, weil die Tage zwischen den Perioden wenig sind, und es kommt zur oGVD-Überschreitung, dann hätte die Patientin selbstverständlich entlassen werden MÜSSEN.

    Leider ist aktuell meine Glaskugel defekt, so dass ich das resultierende fiktive wirtschaftliche Alternativverhalten aus der ex-ante-Sicht nicht präzisieren kann. Aber möglicherweise kann uns hier die Idee von Experten weiterhelfen. Ich bin gespannt, wie sich die Idee der MDK-Hotline praktisch umsetzen lässt. Und was passiert, wenn sich die Kassen dann trotzdem (wie auch jetzt schon) nicht an die Beurteilung des MDK halten. Wäre eigentlich sarkastisch/ironisch, ist aber zu einem großen Teil bittere Realität.

    Herzliche Grüsse aus Mittelfranken
    E. Horndasch

  • Hallo zusammen!


    @ fbr: Genau wegen Ihres Hinweises auf eine zwischenzeitliche Gesetzesänderung finde ich es so wichtig ( bzw. Zwingend) die Begrifflichkeiten FZF und Beurlaubung klar voneinander zu trennen. Wie ich schon geschrieben hatte ist die Beurlaubung ja innerhalb der FPV geregelt und vermutlich chronologisch vor der FZF abzuprüfen.


    @ Herr Horndasch: Ich glaube Ihnen, dass bei einzelnen Kassen der Reflex aufkommt, alles was zusammen ( d.h. Mit Beurlaubung) billiger abgerechnet werden könnte, würde dann auch medizinisch zusammengehören. Das ist für mich natürlich genauso falsch wie die Gegenposition, alles was irgendwie vertretbar ist getrennt abzurechnen.

    Und es ist auch richtig, dass die Kasse nicht an die Empfehlungen der MDK Gutachter*innen gebunden ist, denn es sind ja 2 unterschiedliche Institutionenen.

    Vorallem aber ist der Terminus „Beurlaubung“ zu allererst ein leistungsrechtlicher- und damit liegt die Entscheidung nicht bei den behandelnden oder begutachtenden Ärzten sondern beim Kostenträger bzw. Den Gerichten.

    Und ich vermute mal salomonisch, dass sich KHS, KK und MDK in etwa gleich oft täuschen.

    Mit freundlichen Grüßen

    Breitmeier

  • Hallo medman2,


    natürlich nicht 😎. Ich meinte wirklich, dass jeder Player gleich häufig daneben liegt.

    Zu beachten ist ja auch, dass sicherlich auch viele MDK Gutachten ( und Krankenkassenentscheidungen) fälschlich positiv zugunsten der Krankenhäuser ausfallen.

    Mit freundlichen Grüßen

    Breitmeier

  • Hallo zusammen,

    nun muss ich mich leider wieder melden.

    Mittlerweile fordern die Kassen (eigentlich nur eine) in mehreren Fällen eine FZF. Hier wird auf das BSG Urteil sowie § 1 Abs. 7 Satz 5 FPV (Beurlaubung) verwiesen. Der 1. Senat sagt hierzu, neben der Forführung des Krankenhausaufenthaltes sei im Sinne des Wirtschaftlichkeitsgebotes eine Beurlaubung möglich gewesen. :cursing:

    Das Gesetzt sagt doch ganz klar wann eine FZF durchzuführen ist und was eine Beurlaubung ist.

    Sind Ihnen gleichgelagerte Fälle bekannt?

    VG