Klagewelle - Widerspruch gegen Bescheid zu Strafaufschlag

  • Hallo werte Forumsmitglieder,

    durch das MDK-Reformgesetz wurde die Verpflichtung zur Klage in Streitfällen von den KH zu den KK verlagert. Das ist für KH positiv.

    Auch wurde vor Klageerhebung ein Erörterungsverfahren implementiert, welches die Belastung der Sozialgerichte mindern soll.

    Allerdings tut sich jetzt ein Abgrund auf.

    Schenkt man verschiedenen Verlautbarungen Glauben, sind Festsetzungen von sogenannten Strafaufschlägen als Verwaltungsakte zu qualifizieren, die strengen Anforderungen unterliegen. Danach müsste man bei einem negativen MD-Gutachten, mit dem man nicht einverstanden ist, zweigleisig vorgehen:

    • "Bestreiten" des Begutachtungsergebnisses binnen 6 Wochen nach Zugang der Leistungsentscheidung (Erörterungsverfahren gemäß § 9 PrüfvV_22_06_2021),
    • "Widerspruch" gegen den Verwaltungsakt der Festsetzung des "Strafaufschlages" binnen eines Monats nach Eintreffen, möglichst als persönlich unterschriebenes Dokument per Einwurf-Einschreiben.

    Geht man davon aus, dass beide Vorgänge zeitgleich eintreffen, kann bei kurzfristigem Bescheid gegen den Widerspruch die Situation entstehen, dass das KH wegen der damit verbundenen Klagefrist von einem Monat Klage gegen den Bescheid hinsichtlich des Aufschlages erheben muss, obwohl das Erörterungsverfahren noch überhaupt nicht abgeschlossen ist.

    Oder habe ich da etwas falsch verstanden?

    Viele Grüße

    M2

  • Guten morgen und ein gutes Neues Jahr 2022 Medman 2 und Forum,

    da mit der Strafzahlung und dem Leistungsbescheid eine KK jetzt in Art Behörde aufgestiegen ist, muss man sich tatsächlich diese Fragen stellen.:/ Ich werde mal unseren Landesverband zu diesem Punkt des Widerspruchs zur Strafzahlung befragen.

    Antwort folgt später.

    Gruß

    8) Stefan Schulz, Med. Controlling

  • Hallo Zusammen,

    Medman2 Sie haben Recht, wobei je nach Bundesland gegen den Bescheid der KK (=Verwaltungsakt) Klage zum Sozialgericht oder Widerspruch bei der KK erhoben werden muss. Problem ist hier noch, dass die Rechtmittel keine aufschiebende Wirkung haben, so dass das KH den Aufschlag zunächst zahlen muss, da dieser auch per Verwaltungsakt festgesetzt wird. Rechtlich dürfte es anders zu qualifizieren sein, als eine Zahlungsverpflichtung gemäß Gesetz (wie bspw. bei der Aufwandspauschale, die einfach nicht gezahlt wurde seitens der KKen und dann durch die KHer eingeklagt werden musste). M.E. sollten die KH allerdings nur Aufschlagszahlungen für Behandlungsfälle ab dem 01.01.2022 akzeptieren/zahlen und gegen den Rest gerichtlich vorgehen. Hier lässt sich gut mit dem Gesetzeswortlaut und dem Willen des Gesetzgebers ("Anreiz" für rechtmäßige Abrechnungen = nur für die Zukunft) argumentieren.

    Insgesamt bleibt es chaotisch und eine Entlastung hat der Gesetzgeber mal wieder nicht geschaffen. Ganz im Gegenteil!

    Viele Grüße!

  • Guten Morgen Invicious,

    M.E. sollten die KH allerdings nur Aufschlagszahlungen für Behandlungsfälle ab dem 01.01.2022 akzeptieren/zahlen und gegen den Rest gerichtlich vorgehen. Hier lässt sich gut mit dem Gesetzeswortlaut und dem Willen des Gesetzgebers ("Anreiz" für rechtmäßige Abrechnungen = nur für die Zukunft) argumentieren.

    Hier wäre ich vorsichtig, da das BMG im Schreiben vom 24.11.2021 klar zum Thema welche Fälle betroffen sind Stellung bezogen hat. Für das BMG steht nicht fest das die Strafzahlungen nur Fälle ab dem Aufnahmedatum 01.01.2022 betreffen. Nach deren Interpretation wären die Fälle betroffen in denen nach dem 01.01.2022 ein Leistungsbescheid ergeht.

    Hier bleibt abzuwarten was ein Gericht in Zukunft entscheidet wenn ein solcher Fall beklagt werden sollte.

    Ein schönes Wochenende zusammen

    8) Stefan Schulz, Med. Controlling

  • Lieber Herr Schulz,

    es wird sicherlich viel Streit um die Strafzahlungen geben. Die Verfasserin des Schreibens des BMG war bis Ende 2019 Geschäftsführerin beim MDK Bayern...nur mal so am Rande erwähnt. Deren Begründung überzeugt mich allerdings nicht.

    Die ursprünglich geltende Formulierung des § 275c SGB V Absatz 3 kam auch nicht aus dem Ministerium, sondern vom Gesundheitsausschuss. Es sollte, wie gesagt, ein Anreiz zu regelkonformer Abrechnung gesetzt werden. Ein Anreiz geht nur in die Zukunft, also zu dem Zeitpunkt frühestens für ein Verhalten ab dem 01.01.2020 (Inkrafttreten des MDK-Reform-Gesetzes).

    Mit dem Covid-19-KHEntlastG trat dann mit Wirkung zum 28.03.2020 die heute geltende Fassung in Kraft, mit welchem die Regelung geschoben worden ist. „Ab dem Jahr 2022…“ Diese Fassung hat dann die Bundesregierung, sprich wohl das BMG "verbrochen". Dieses hat geschrieben, dass trotz des Wegfallens des ursprünglichen Satz 1 (Aufschlag ab 2020) die Häuser angehalten sind, regelkonform abzurechnen (was sie streng genommen von Anbeginn der Zeit sind).

    In der Begründung der Verschiebung des Aufschlags in das Jahr 2022 wird allerdings auch auf die Anpassung des AOP-Katalogs zum 01.06.2021 Bezug genommen. Nun sollte der Aufschlag neben dem finanzwirksamen Anreiz zur regelkonformen Abrechnung auch der Förderung des neu geschaffenen ambulanten Potentials dienen. Dieses konnte allerdings erst ab dem 01.06.2021 geschöpft werden.

    Es war daher für die Häuser nicht (bereits ab Ende 2019) absehbar, dass der Aufschlag bei allen Abrechnungen, zu welchen erst nach dem 31.12.2021 (ab dem 01.01.2022) die leistungsrechtliche Entscheidung der Kassen eingeht, ein Aufschlag zu erheben ist. Die leistungsrechtliche Entscheidung (meiner Meinung die nach § 8 Satz 3 PrüfVV) kann erst bis zu 16,5 Monate nach Abrechnung erfolgen:

    • 4-Monats-Frist zur Einleitung des Prüfverfahrens (§ 4 Satz 1 PrüfVV)
    • 12-Wochen-Frist zur Beauftragung des MD (§ 6 Absatz 1 Satz 1 PrüfVV)
    • 2-Wochen-Frist zur Anzeige der Einleitung der MD-Prüfung (§ 6 Absatz 2 Satz 2 PrüfVV)
    • 9-Monats-Frist zur Mitteilung der abschließenden Entscheidung zur Wirtschaftlichkeit der Leistung oder zur Korrektur der Abrechnung und den daraus folgenden Erstattungsanspruch der Kasse (§ 8 Satz 2 PrüfVV)

    Nach Lesart des BMG kann danach der Aufschlag längstens bereits bei Abrechnungen seit Mitte August 2020 erfolgen. Dies widerspricht jedoch der Begründung des Covid-19-KHEntlastG, wonach der Aufschlag auch der Schöpfung des Ambulantisierungspotentials ab 01.06.2021 dienen soll.

    Mit dieser Argumentation würde ich das Ganze streitig vor den Gerichten führen wollen, wobei Sie natürlich Recht haben -> wer weiß, was die Sozialgerichte dann daraus machen...

    Beste Grüße und sorry für die dann doch etwas sehr langen Ausführungen...


  • Guten Morgen Invicious,

    ob lang oder kurz danke für Ihre Darstellung. Zum Stand heute bislang hat noch keine KK einen Aufschlag in seinen Leistungsentscheiden mit einbezogen, das kann und wird sich jedoch ab Mitte des Jahres ändern, da bin ich mir sicher. Ob dies dann auch Fälle aus dem letzten Quartal 2021 betreffen wird, wird sich zeigen. Es bleibt spannend.

    Einen schönen Tag noch.

    8) Stefan Schulz, Med. Controlling

  • Guten Tag,

    was aber nicht bedeutet, dass es dann keine Bescheide zu den leistungsrechtlichen Entscheidungen ab 01.01.2022 gibt. Es gibt IMHO keine Vorschrift, die besagt, dass die Erhebung des Aufschlags zeitgleich erfolgen muss. Und es sind ja zwei verschiedenen Rechtsinstrumente. Gerüchteweise sollen nicht wenige Kassen die eigentlich abgeschlossenen leistungsrechtlichen Entscheidungen auf WV in einigen Monaten legen, um dann noch mal darüber zu beraten. Aber das sind sicher nur Gerüchte.

    Herzliche Grüsse aus Mittelfranken
    E. Horndasch

  • Hallo in die Runde!

    Aktuell haben wir in zwei Häusern schon eine Anhörung zur Aufschlagszahlung via KAIN erhalten mit Frist zur Stellungnahme von 6 Wochen. Es handelt sich um Fälle aus 2019, deren MD-Gutachten seit Anfang 2022 vorliegen. Wir haben per KAIN-Nachricht geantwortet und mitgeteilt, dass wir die Aufschlagszahlung aus o.g. Gründen nicht akzeptieren. Ich bin gespannt, wie dann der erste Bescheid aussehen wird. Wir beraten aktuell, ob wir dann überhaupt zahlen (was wohl infolge der fehlenden aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs und des Bescheides der Fall sein wird) oder die Zahlung bis zur gerichtlichen Klärung verweigern. Bei Letzterem wird die Kasse dann sicherlich aufrechnen, da m.E. das Aufrechnungsverbot für die Aufschlagszahlungen nicht greifen dürfte.

    Schönes Wochenende!

  • ... Aktuell haben wir in zwei Häusern schon eine Anhörung zur Aufschlagszahlung via KAIN erhalten mit Frist zur Stellungnahme von 6 Wochen. ...

    Hallo Invicious,

    habe gerde die aktuellen KAIN/INKA-Kodes (S. 92-94) der neuen Vereinbarung nach § 301 eingesehen. Das sind inzwischen 4 Seiten. Zahllose denkbare Möglichkeiten des Erörterungsvefahrens werden da inzwischen abgebildet. Das, gepaart mit der "Anwendungsfreundlichkeit" unseres KIS, wird eine Herausforderung.

    Allerdings finde ich da keine "Anhörung" zur Aufschlagszahlung, lediglich ein Mitteilung (MDK04). Oder übersehe ich da was?

    Viele Grüße

    M2

  • Guten Morgen,

    Zitat

    Wir haben per KAIN-Nachricht geantwortet und mitgeteilt, dass wir die Aufschlagszahlung aus o.g. Gründen nicht akzeptieren.

    Ich rate dringend dazu, einen schriftlichen Widerspruch zu formulieren. Dem Vernehmen nach ist ein Widerspruch über KAIN nicht rechtsgültig.

    Das macht eine große Menge Arbeit, ist aber IMHO unerlässlich.

    Gruß

    merguet

  • Guten Morgen Forum,

    da haben wir es der erste Aufschlag kam ins Haus geflattert und nun eine Frage. Der Aufschlag wurde uns per Post mit Rechtsbehelfsbelehrung zu gesandt, jedoch im Fall ist bei KAIN keine MDK04 Nachricht zu lesen, muss diese Nachricht zwingend versendet werden oder ist dies eine kann Bedingung?

    Danke für Ihre Antworten.

    8) Stefan Schulz, Med. Controlling