Sepsis nur noch bei intensivmedizinischer Behandlung?

  • Liebe Kolleginnen und Kollegen,

    wir bekommen vom MD Hessen seit einiger Zeit bei der Kodierprüfung die Sepsen (beispielsweise ICD A41.51) in Sonstige bakterielle Infektionen nnbL (ICD A49.8) geändert, wenn keine intensivmedizinische Behandlung dokumentiert ist.

    Ich bin grade am recherchieren ob sich das auf eine Gutachterin oder einen Gutachter beschränkt.

    Bisher liegen uns noch keine Fälle mit Aufnahme ab dem 01.01.2022 auf den Tischen. Für die 2021er Fälle schreiben wir Widersprüche im Rahmen des freiwilligen Nachverfahrens und hoffen auf Akzeptanz der Kostenträger.

    Wie ist Ihre Erfahrung mit Ihren MDen?

    Danke vorab und viele Grüße in die Runde

    D. Büttner

  • Hallo,

    ja das ist seit der neuen Sepsisdefinition so: "Wenn es eine Sepsis gewesen wäre, hätte der Patient auf der ITS liegen müssen. Dass er dort nicht war beweist quasi, das es keine Sepsis war" - so sinngemäß die Gutachten.

    Dem haben wir bisher immer widersprochen, des bei der Kodierung nicht um den Ort des Aufenthaltes des Patienten geht, sondern um die Behandlung und es lagen die entsprechenden Werte (SOFA) vor...

    Ergebnisse haben wir leider noch nicht von den Nachverfahren.

    Liebe Grüße aus Sachsen
    D. Zierold

    • Offizieller Beitrag

    Hallo,

    die Kodierung der Sepsis ist immer anhand der vorgegebenen Definition vorzunehmen, gepaart mit einem erhöhten Aufwand nach DKR D003. Weder in den DKR, noch in der ICD oder Hinweise beim BfArM, wird dies relativiert. Ich denke, dass das auf KH-Seite Allgemeinverständnis ist und ich bin mir sicher, dass dies auch so von vielen Mitarbeitern bei den Kostenträgern und MD so verstanden wird. Wenn also negatives Gutachten und keine Änderung, bliebe ja der Gang vors Gericht. Ggf. zieht dann die KK zurück, aber der ganze Aufwand und u. U. langwierige Rechtsprechung, hat ja nur eingeschränkten Unterhaltungswert. Erheblich schneller würde es über den Schlichtungsausschuss gehen und man kann sich überlegen, ob man da mal 1ts € in die Hand nimmt.

    Mit freundlichen Grüßen

    D. D. Selter

    Ärztlicher Leiter Medizincontrolling

    Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Murnau

  • Guten Tag,

    nach der neuen Sepsis-Definition ist eine Sepsis eine lebensbedrohliche Erkrankung mit Ausfall lebenswichtiger Organsystem (sinngemäss). Wenn nicht dann, wann dann ist eine ITV-Behandlung erforderlich? Als Faustregel predige ich dann zuweilen: Eine Sepsis ohne ITS ist keine Sepsis, es sei denn Sie haben eine gute Begründung, warum keine ITS-Behandlung (DNR, palliativ, etc.)

    Herzliche Grüsse aus Mittelfranken
    E. Horndasch

  • Guten Morgen,

    der MD Nordrhein erwartet auch die Intensivtherapie. Fachlich mag man ja den Argumenten von Herrn Horndasch durchaus folgen. Dennoch ist diese Definition vom MD eigenmächtig in die Bewertung eingefügt. Es gibt keinerlei Definition, die das vorschreibt. Für die Beatmung beispielsweise ist es ja definiert. Es kann ja nicht gefordert werden, dass nur noch solche Diagnosen kodiert werden, deren richtige oder zumindest wünschenswerte Behandlung erfolgt ist.

    Insofern sollte tatsächlich der Schlichtungsausschuss die einzige Instanz bleiben, die in einigermaßen übersichtlicher Zeit eine Regelung treffen kann.

    Gruß

    merguet

  • Hallo Forum,

    hier ein Zitat von link: Deutsche Sepsis-Gesellschaft: Sepsisdefinition und -kodierung

    Unterpunkt Sepsis-3-Definition

    "Sepsis wird demnach immer durch eine akut lebensbedrohliche, weil dysregulierte Wirtsreaktion (Organdysfunktion) auf eine Infektion verursacht. Der Begriff der „schweren“ Sepsis entfällt, weil es eine „leichte“ Sepsis in diesem Konzept nicht gibt. Die Autoren schlagen vor, stattdessen folgerichtig von einer „Infektion“ zu sprechen. Für die Erfassung der Sepsis-assoziierten Organdysfunktion wird eine Veränderung des Sequential Organ Failure Assessment (SOFA) Score um ≥2 Punkte vorgeschlagen. Dieser etablierte Score, der 6 Organsysteme nach 4 Schweregraden der Organdysfunktion einstuft und 0–24 Punkte umfasst, ist jedoch aufwändig und daher in der klinischen Routine außerhalb der Intensivstation zum bettseitigen Screening ungeeignet." - Zitat Ende

    Hervorhebungen durch mich.

    Dies entspricht im wesentlichen der Kodierweise in unserem Haus (Bayern)

    Ausschlaggebend ist der SOFA-Score und den gibts regelhaft auf der Intensivstation (und ggf. Schockraum Notaufnahme)

    VG,

    MaK

    • Offizieller Beitrag

    Ausschlaggebend ist der SOFA-Score und den gibts regelhaft auf der Intensivstation (und ggf. Schockraum Notaufnahme)

    Hallo,

    und da ist des Pudels Kern. Denkbar ist ja auch z.B., dass ein Patient die Intensivstation mit komplettem Monitoring und allen anderen Maßnahmen gar nicht mehr erreicht hat, weil verstorben und zwar wegen oder mit der Sepsis. Somit ist eine prinzipielle Forderung nach Behandlung auf der Intensiv gar nicht haltbar.

  • Hallo,

    Sepsisdefinition bedeuetet doch nicht zwingend ITS, die Summe der einzelnen Organkomplikationen ergibt doch den Grenzwert zur "einfachen Infektion", bedeutet aber nicht dass Sie im einzelnen so schwerwiegend sind, dass sie intensivmedizinisch behandelt werden müssen. Entfiebern, besserer AZ und bessere Paraklinik unter Antibiose und Volumengabe(unter regelmäßige Kreislaufmessung, Messung Bilanz/Ausscheidung etc. auf peripherer Station) ggf. O2, etc. zeigt doch eine erfolgreiche Behandlung auch ohne intensivmedizinische Überwachungsnotwendigkeit, zumal aktuell echte Bettenknappheit(und/oder Personal-) herrscht, da kommen eben nur die sehr schweren Fälle auf die ITS.

    Das kann doch nicht zum Nachteil gereichen!

    MfG

    rokka

  • Hallo Forum,

    Zitat

    Denkbar ist ja auch z.B., dass ein Patient die Intensivstation mit komplettem Monitoring und allen anderen Maßnahmen gar nicht mehr erreicht hat, weil verstorben und zwar wegen oder mit der Sepsis.

    Bisher hatte man hier erhebliche Abschläge in Kauf zu nehmen => DRG T60F Sepsis, verstorben < 5 Tage nach Aufnahme.

    Schon unter der alten Regelung galt: weniger Aufwand, weniger Erlös.

    Heute ist es dann halt "nur" ein Leitinfekt, inklusive Bakteriämie, + SIRS (R65.*), der in Relation zum Aufwand aber angemessen vergütet ist. (lt. DRG-System versteht sich)

    Zitat

    Entfiebern, besserer AZ und bessere Paraklinik unter Antibiose und Volumengabe(unter regelmäßige Kreislaufmessung, Messung Bilanz/Ausscheidung etc. auf peripherer Station) ggf. O2, etc. zeigt doch eine erfolgreiche Behandlung auch ohne intensivmedizinische Überwachungsnotwendigkeit

    Stimmt. Einer SIRS, aber nicht einer Sepsis.

    Hier wird laut Sepsis-Gesellschaft eben genau da (der Intensivbehandlung) trennscharf angesetzt. Das angeführte Beispiel wäre dann ggf. eine Bakteriämie (bei pos. Blutkulturen) + SIRS (R65.*) bei erfüllten Kriterien.

    Somit werden meiner Auffassung nach unterschieden:

    Sepsis (SOFA notwendig, laut Sepsis-Gesellschaft nur auf Intensiv erbringbar)

    SIRS (Infekt mit Systemantwort definiert durch bekannte Kriterien)

    laut DKR hat auch eine Bakteriämie als solche zu verschlüsselt werden und explizit nicht als Sepsis siehe DKR 0103u

    SIRS und Sepsis sind nun nicht mehr kategorisch miteinander verbunden, eine SIRS kann auch ohne Sepsis vorkommen.

    Da im DRG-System kostendeckend vergütet werden soll und nicht gewinnbringend (jetzt hätte ich selber beinahe gelacht...), ist das m. M. auch nachvollziehbar.

    Nur all zu leicht konnte z.B. aus einem Harnwegsinfekt oder einer Cholangitis eine Sepsis werden

    (Keim in periph. Blutkultur und 2 Kriterien = Sepsis, oder sogar: kein Keim in Blutkultur und 4 Kriterien = Sepsis)

    Aufwand meist: O²-Gabe, Volumengabe und iv-Antibiose (+DK-Anlage bzw. ERCP)

    Sowas ist jetzt eine Bakteriämie + SIRS oder ein Harnwegsinfekt/Cholangitis + SIRS

    Wenn eine Organkomplikation vorlag + 2 Kriterien war es einen "schwere" Sepsis und meist dann ja auch IN-pflichtig.

    Hier schließt sich jetzt für mich der Kreis mit dem neuen Ansatz der Definition (Organkomplikation? => SOFA => ja, dann ist es eine Sepsis)

    Danke für die angeregte Diskussion, immer hilfreich sowas.

    VG,

    MaK

  • Hallo Forum,

    ich kann der Diskussion nicht ganz folgen Seitens des MD.

    In der Sepsis 3 Definition finde ich keinen Hinweis, dass eine Sepsis nur auf einer INT Station zu behandeln wäre.

    Zweifels frei , ist eine Sepsis auch ein Intensivpflichtige Diagnose bei schweren Verlauf.

    ABER , die SOFA Kriterien sollen nach meinem Verständnis eine sich "anbahnende" Sepsis filtern umso einen schweren Verlauf bei Rechtzeitiger Therapie zu verhindern und die Sterblichkeit zu reduzieren.

    Sie SOFA Kriterien sind auch nicht nur auf einer INT zu erbringen außer Beatmung &Katecholaminpflichtigkeit.

    Kreatinin, Thrombozytopenie , Billirubinämie & GCS kann auch in einer Ambulanz oder "normalen" Station erfolgen.

    Zitat: "ist jedoch aufwändig und daher in der klinischen Routine außerhalb der Intensivstation zum bettseitigen Screening ungeeignet."

    "ungeeignet" aber nicht ausgeschlossen.

    Wenn der behandelnde Arzt auf einer "normalen" Station die Veränderungen der Laborwerte einer sich anbahnenden Sepsis zu ordnet

    das auch so dokumentiert und behandelt , dann gibt es für mich auch keine andere Diagnose als eine Sepsis.

    Es findet sich aber kein Hinweis, dass die Behandlung auf einer INT Station erfolgen muss.

    Wichtig ist halt, dass die Organkomplikation auch dokumentiert wird.

    Sepsis nur möglich mit Organkomplikation, liegt diese nicht vor , kann es keine Sepsis sein unabhängig ob SIRS vorliegen oder nicht.

  • Hallo luckystroke,

    eine drohende oder sich anbahnende Krankheit ist gem. DKR nicht zu kodieren (bis auf wenige Ausnahmen).

    Andererseits: eine akute Veränderung des SOFA-Scores auf +2 Punkte in Folge einer Infektion (klinisch eindeutig + Bakteriämie) kann auch durch vorübergehenden Anstieg des Kreatinins (bspw. auf 1,7 mg/dl) und vorübergehende Senkung der Thrombozytenzahl (bspw. auf 120.000 /µl) "erreicht" werden. Wäre das in jedem Fall ein Grund für eine intensivmedizinische Behandlung?