Sepsis nur noch bei intensivmedizinischer Behandlung?

  • Hallo Forum,

    hier ein Zitat von link: Deutsche Sepsis-Gesellschaft: Sepsisdefinition und -kodierung

    Unterpunkt Sepsis-3-Definition

    "Sepsis wird demnach immer durch eine akut lebensbedrohliche, weil dysregulierte Wirtsreaktion (Organdysfunktion) auf eine Infektion verursacht. Der Begriff der „schweren“ Sepsis entfällt, weil es eine „leichte“ Sepsis in diesem Konzept nicht gibt. Die Autoren schlagen vor, stattdessen folgerichtig von einer „Infektion“ zu sprechen. Für die Erfassung der Sepsis-assoziierten Organdysfunktion wird eine Veränderung des Sequential Organ Failure Assessment (SOFA) Score um ≥2 Punkte vorgeschlagen. Dieser etablierte Score, der 6 Organsysteme nach 4 Schweregraden der Organdysfunktion einstuft und 0–24 Punkte umfasst, ist jedoch aufwändig und daher in der klinischen Routine außerhalb der Intensivstation zum bettseitigen Screening ungeeignet." - Zitat Ende

    Hallo MaK,

    maßgebend ist die S3-Leitlinie der AWMF " Sepsis - Prävention, Diagnose, Therapie und Nachsorge". Diese wurde von 15 namhaften Fachgesellschaften erstellt, darunter die Deutsche Sepsis-Gesellschaft.

    Für die Definition der Sepsis entscheidend ist die Veröffentlichung von Singer M et al. JAMA 2016, 315(8):801–810. Diese wird in der Leitlinie als "Statement" für die Definition der Sepsis verwendet (Punkt 2, Seite 9).

    Weshalb die Deutsche Sepsis-Gesellschaft jetzt daneben ihr eigenes Süppchen kocht, ist nicht nachvollziehbar. Sofern die DSG damit ausdrücken will, dass eine Sepsis nur vorliegen kann, wenn auf einer Intensivstation behandelt wird, ergibt sich die Frage, warum das nicht in der Leitlinie verankert ist.

    Gleiches gilt für die Blutkulturen, die laut DSG "elementare Voraussetzung für die Diagnose einer Sepsis" seien. Auch das ist weder der Veröffentlichung von Singer noch der Leitlinie zu entnehmen. Es ist wissenschaftlich zudem Unsinn, denn eine Sepsis kann bekanntermaßen bei positiven wie auch bei negativen Blutkulturen vorliegen.

    Die Abnahme von BK ist zweifelsohne sinnvoll und empfehlenswert. Voraussetzung für die Diagnose einer Sepsis ist sie gleichwohl nicht.

    Viele Grüße

    M2

  • Hallo,

    in der Leitlinie steht u.a. drin:

    Wir empfehlen, dass regelhaft geeignete Materialien für die mikrobiologische Diagnostik (einschließlich Blutkulturen) entnommen werden,

    bevor die antimikrobielle Therapie bei Patienten mit Verdacht auf Sepsis oder septischen Schock begonnen wird.

    Wir empfehlen, dass die Blutkulturen vor Beginn der antimikrobiellen Therapie abgenommen werden sofern dies ohne wesentliche

    Zeitverzögerung möglich ist.

    Zwei oder mehr Blutkultur Sets (bestehend aus mindestens aerober und anaerober Flasche) werden vor Beginn jeder neuen antimikrobiellen Therapie bei allen Patienten mit Verdacht auf Sepsis empfohlen.

    Falls die Anamnese oder klinische Untersuchung eindeutig auf eine spezifische anatomische Lokalisation des Infektionsherdes hindeutet sind Materialien von anderen Lokalisationen (mit Ausnahme der Blutkulturen) im Allgemeinen nicht sinnvoll und nicht notwendig.

    Wenn nun keine BK abgenommen wurden, darf die Frage erlaubt sein, warum nicht?

    Herzliche Grüsse aus Mittelfranken
    E. Horndasch

  • Hallo Herr Horndasch,

    richtig, die Frage ist berechtigt.

    Allerdings geht die Darlegung, Blutkulturen seien eine "elementare Voraussetzung für die Diagnose einer Sepsis", deutlich darüber hinaus.

    Wenn das in dieser Absolutheit gewollt ist, möge man es in der Leitlinie verankern.

    Diese Absolutheit ist aber dem Grunde nach schon nicht sinnvoll.

    Viele Grüße

    M2

  • Guten Tag,

    wir können doch nun einmal nur Regeln folgen, die auch geschrieben sind. Wenn der MD neue Regeln schafft, dann ist das zunächst eine Überschreitung von Grenzen, selbst wenn er damit "Gutes" durchsetzen will. Ein Seiteneffekt davon ist übrigens, dass der MD hier versucht, eine Behandlungsnorm durchzudrücken, was ihm m.E. gerade NICHT zusteht.

    Ich habe nichts dagegen, dass man in die Regeln schreibt: "Sepsis nur auf Intensiv". Dann wissen alle, woran wir sind. Ich habe etwas dagegen, dass eine Interpretation des MD zu jahrelangen Auseinandersetzungen führt, die dann in neuer Normsetzung enden.

    Hinzu kommt die schwierige Diskussion um die "richtige" Behandlung aus der sich unmittelbar ja auch das Gegenteil, nämlich "falsche" Behandlungen ergeben würden.

    Wir erleben zu oft, dass dann in bestimmten Fragen wieder das Prinzip "streng nach Wortlaut" verlassen wird.

    Bin übrigens gespannt auf die Argumentation, wenn der erste Fall in Spesis <5 Tage umgewandelt werden soll.

    Gruß

    merguet

    • Offizieller Beitrag

    Hallo,

    es wurde bisher doch von keinem Diskutanten hier belegt, dass für die KODIERUNG der Sepsis der Aufenthalt auf Intensivstation (bzw. die Behandlung dort) vorgeschrieben ist. Es gibt genügend Gerichtsurteile, die sich auf das Prinzip "Streng nach Wortlaut" stützen. Ich kann mich bei den Diskussionen in der AG OPS beim BfArM bezüglich der Definition Sepsis an Vieles erinnern, aber nicht, dass die Behandlung auf Intensivstation als Voraussetzung zur Kodierung gegeben wurde. Dass die Behandlung einer Sepsis in der Regel auf Intensivstation ihr Zuhause findet, ist genauso klar.

  • Andererseits: eine akute Veränderung des SOFA-Scores auf +2 Punkte in Folge einer Infektion (klinisch eindeutig + Bakteriämie) kann auch durch vorübergehenden Anstieg des Kreatinins (bspw. auf 1,7 mg/dl) und vorübergehende Senkung der Thrombozytenzahl (bspw. auf 120.000 /µl) "erreicht" werden. Wäre das in jedem Fall ein Grund für eine intensivmedizinische Behandlung?

    Genau das meinte ich; Akutes NV St.I; Thrombopenie und Bilirubinanstieg können zu 3 Punkten führen, die eben als ("leichtes"?) Organversagen im Punktescore so gewertet werden auch wenn jeweils nur 1 Punkt erreicht wird, und laut Sepsisgesellschaft Zeichen einer Sepsis sind. Ohne Katecholaminpflichtigkeit oder Beatmungsnotwendigkeit (O2-Sonde ggf. ausreichend) gehören diese Patienten (noch) nicht zwingend auf die ITS (frag mal den ITS-Kollegen nach einem Bett dafür) obwohl eine Sepsis angenommen werden muss und meist auch erhöhter Betreuungsaufwand peripher besteht (häufigere Kreislaufmessungen (auch hier Gerätegestützt häufiger möglich)- und Bilanzierung bei eben beschriebener Situation. Laborkontrollen engmaschig.

    Also m.E. hat die kodierbare Diagnose Sepsis mit der ITS als Hauptbehandlungsort nichts zu tun. Es wird eben nicht unterschieden (auch finanziell weil pauschal) zw. schwerer und leichter Sepsis, dafür gäbe es ja ggf. die intensivmedizin. Komplextherapie und TIPS/SAPS etc. um die Fallschwere/Erlöse fallgerecht zu steigern?

    MfG

    rokka

  • Hallo,

    ich bin erst heut auf die Disskussion gestoßen. Nach negativen Gutachten zum Thema Urosepsis, habe ich Kontakt mit der deutschen Sepsis-Gesellschaft aufgenommen und deren eindeutige Stellungnahme einem Widerspruch beigefügt. Der Fall wurde in einem Folgegutachten positiv gewertet. Im Rahmen einer Urosepsis, ist eine Sepsis nach SOFA Kriterien (einzig ausschlagebender Faktor der Sepsisdefinition) schnell gegeben (Kreatininanstieg und eventuell Thrombozytopenie). In unseren genannten Fall lagen bei Aufnahme SOFA Score > 2 PKT. vor. Die Patientin wurde auf der Aufnahmestation per Monitor überwacht. Durch frühzeitige Volumengabe und Antibiotikatherapie konnte die Pantientin schnell stabilisiert werden. Man stelle sich vor jede beginnende Sepsis müsste auf einer Intensivstation behandelt werden. Liegt diese jedoch nach Definition vor und wird entsprechend behandelt so ist die Sepsis zu kodieren auch außerhalb einer Intensivstation.

    Aktuell liegt mir jedoch ein neues Problem vor. Ein Gutachten verweigert das ZE 2021-09 (Patient wurde bei Sepsis mit einem Sepsisfilter (Hämoperfusion mit Cytosorb/Oxirisfilter) behandelt. Laut MD fehlen in der Literatur ausreichend Studien die eine Effektivität bewerten und somit außerhalb von Studien das Verfahren nicht empfohlen wird.

    Gibt es hier weitere Erfahrungen oder Hinweise?

    MfG Zambo

  • Hallo,

    ich bin erst heut auf die Disskussion gestoßen. Nach negativen Gutachten zum Thema Urosepsis, habe ich Kontakt mit der deutschen Sepsis-Gesellschaft aufgenommen und deren eindeutige Stellungnahme einem Widerspruch beigefügt. Der Fall wurde in einem Folgegutachten positiv gewertet. Im Rahmen einer Urosepsis, ist eine Sepsis nach SOFA Kriterien (einzig ausschlagebender Faktor der Sepsisdefinition) schnell gegeben (Kreatininanstieg und eventuell Thrombozytopenie). In unseren genannten Fall lagen bei Aufnahme SOFA Score > 2 PKT. vor. Die Patientin wurde auf der Aufnahmestation per Monitor überwacht. Durch frühzeitige Volumengabe und Antibiotikatherapie konnte die Pantientin schnell stabilisiert werden. Man stelle sich vor jede beginnende Sepsis müsste auf einer Intensivstation behandelt werden. Liegt diese jedoch nach Definition vor und wird entsprechend behandelt so ist die Sepsis zu kodieren auch außerhalb einer Intensivstation.

    Aktuell liegt mir jedoch ein neues Problem vor. Ein Gutachten verweigert das ZE 2021-09 (Patient wurde bei Sepsis mit einem Sepsisfilter (Hämoperfusion mit Cytosorb/Oxirisfilter) behandelt. Laut MD fehlen in der Literatur ausreichend Studien die eine Effektivität bewerten und somit außerhalb von Studien das Verfahren nicht empfohlen wird.

    Gibt es hier weitere Erfahrungen oder Hinweise?

    MfG Zambo

    Hallo Zambo,

    habe deinen Beitrag über die Suche nach Cytosorb/Oxiris gefunden. Wir stehen zu Hauf vor diesem Problem. Die Adsorber (wir sollen sie nicht Filter nennen!) werden oft eingesetzt (in 2022 in 33 Aufenthalten, teilweise mehr als 1x)

    Ich werde dazu einen neuen Beitrag eröffnen.