Motivation der Ärzte

  • Hallo Herr Konzelmann, Hallo Herr Lag,

    ich möchte mich sehr dafür entschuldigen, daß ich mich so zweideutig ausgedrückt habe. Gemeint war die Interpretation von Herrn Selter, wobei ich mich auch Ihnen durchaus anschließen kann, daß jeder mit seinen Valenzen ( pecunär, personell ) seine eigene Lösung suchen muß. Die Wege können dabei sehr unterschiedlich sein, bestimmt werden sie durch den Neglect, der vielerorts herrscht.

    Neben der Motivation der Ärzte ist dieser Neglect ( Für Nichtneurologen : Vernachlässigung einer Raumhemisphäre, obwohl die Wahrnehmungs- und Ausführungsorgane nicht betroffen sind. Hauptproblem bei der rehabilitativen Behandlung rechtshirniger Infarkte ) das Hauptproblem bei der Umsetzung des DRG-Systems in Krankenhäusern. Entweder die primär kodierenden Ärzte haben einen Neglect für DRG´s, dann kann man nur mit Druck von oben und Schulungen diesem hartnäckigen Syndrom begegnen. Weitaus schwieriger ist die Neglect-Behandlung in chefärztlichen Ebenen. Wenn hier nicht seitens des Klinikträgers auf die Erlösverantwortung der Klinikleitung mit Nachdruck hingewiesen wird, wird man sich Schulungen sparen können. Sollte sich trotzdem keine Sensibilisierung zeigen, muß über die Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses dringend nachgedacht werden. Neglectsymptome in der Verwaltungsleitung finden sich erstaunlicherweise eher als ausgestanztes Symptom : Kaum anzutreffen ist ein fehlender Wunsch nach PCCL, CMI und Untergruppe A-Kodierungen, häufiger trifft man auf ein Freezing, wenn es um die Bereitstellung von Hilfsmitteln oder Personal geht; hier zeigt sich der Neglect als selektive Rechenschwäche, die sich nur im Investitionssektor zeigt. Wiederholte aufdeckende ( Psycho-) Therapien, in engmaschigen Sitzungen, z.T. mit paradoxer Intervention können zu einer schrittweisen Rückbildung der Neglectsymptome führen, wobei eine Therapiebeendigung häufig zu Rezidiven führt.

    Für therapierefraktär halte ich, Herr Lag, einen Neglect bei dem Klinikträger. Wer es bis jetzt noch nicht kapiert hat, dem ist nicht mehr zu helfen. Anpassungsvorgänge dauern erfahrungsgemäß mindestens Monate ( wenn nicht Jahre ), eine so gute Kapitaldecke hat, glaube ich, keiner mehr. Hier hat der Neglect eine infauste Prognose.

    Aus vertraulicher Quelle habe ich erfahren, dass Neglectsymptome auch bei Kostenträgern beobachtet werden können. Über Symptomatik, Prognose und notwendige Therapie habe ich aber nichts Konkretes erfahren können.

    Grüße aus dem immernoch nebligen Hessen
    M. Eckardt

  • Hallo Herr Eckardt,

    super Idee, die paradoxe Intervention, mit der Sie bei Ihren Neglect-Patienten so gute Erfolge erzielen, auch auf das DRG-Wesen zu übertragen. Ihr freundliches Einverständnis vorausgesetzt, bin ich gerade dabei, ein großangelegtes Programm für unser Haus zu entwerfen. Medizincontrolling an Chirurgie: Zahl der Nebendiagnosen minimieren! Geschäftsführung an Pflegedienstleitung: alle Stationsleitungen doppelt besetzen! Internist an Medizincontrolling: dem MDK unaufgefordert Entlaßbriefe zur Lektüre schicken!

    Hole mir gerade noch das Okay vom Geschäftsführer (und fordere ihn auf: verzichten Sie ein Jahr lang auf strategische Überlegungen!), dann geht\'s los.

    Mit den besten Grüßen Johannes Nebe

  • Hallo Herr Nebe,
    irgendwie scheine ich mich mißverständlich auszudrücken oder man liest mich nicht genau : In meinem Beitrag über die Neglectbehandlung habe ich über unterschiedliche \"Patienten\"-Kollektive gesprochen, die vom Neglect befallen sind. Bei der zitierten paradoxen Intervention war die Zielgruppe die Verwaltung gemeint, und keine andere befallene Gruppe. Insgesamt spreche ich nur von Behandlungsansätzen, jeder, der wie ich ( und damit sind alle DRG-Beauftragten, Controller, MD, ect. ) versucht die Befallenen zu \"behandeln\", wird mir Recht geben, daß die Behandlungserfolge sehr (!!!) unterschiedlich ausfallen.
    Gruß aus dem Nebel
    Eckardt

  • Hallo Herr Eckardt,

    nach wie vor freue ich mich über Ihre Aussage über \"die primär kodierenden Ärzte\", die einsehen, daß das der MD/A nicht (so gut) machen kann. Ich bin froh, daß ich das hier nicht machen muß, sondern vorher schulend und nachher im Controlling steuernd eingreifen kann.

    [size=12]Freundlichen Gruß vom Schorndorfer MDA.

  • Unbedarft wie ich bin, stelle ich mir immer wieder die Frage, weshalb medizinische Dokumentation und DRG-Kodierung durch Ärzte oder Dokumentare hier als ein \"Entweder-Oder\" diskutiert wird.
    :d_gutefrage:

    Habe ich irgendeinen Einschlag nicht mitbekommen? :erschreck:
    Kodierung/Dokumentation ist doch ein hochgradig fragmentierter Vorgang, der meist über soundsoviele Medienbrüche holpert, sich aus zig Quellen speist und wild unterschiedliche Funktionen erfordert?

    Die Vorstellung, eine Art Wundertier von einem medizinischen Dokumentar irgendwo in ein Kämmerchen zu setzen - \"Ok, Junge - mach mal, wie Du denkst!\" - :i_pc:
    ist dabei doch ebenso abwegig wie das Verheizen ärztlichen Personales für die Informationssammlung (\"Dann telefonieren sie sich halt im Hause durch, wer für diese kons.OP verantwortlich ist!\"). :kong:


    Die der-Arzt-schreibt-das-auf-und-gibt-es-der-Verwaltung-Version scheint es ja auch noch im Echtbetrieb zu geben. Stille Post.

  • Hallo Herr Lag,
    so unbedarft ist Ihre Frage gar nicht.

    Vor einiger Zeit sprach mich ein Kollege aus einer internistischen Klinik an und erzählte mir, daß der MdK bei einem Hinterwandinfarkt die Nebendiagnose einer Mitralinsuffizienz bezweifelt habe. Nun wissen Ärzte ( vielleicht nicht MDA ), daß ein Hinterwandinfarkt mit und ohne Mitralinsuffizienz einher gehen kann. Während man \"grundsätzlich\" einen fischen Herzinfarkt mit einem ß-Blocker behandeln könnte ( hier gibt es wieder tausend und eine Ausnahme, sprich stundenlange Diskussion mit Cardiologen, bitte jetzt nicht ), sollte man dies sich bei einer Mitralinsuffizienz ( wenig bradycardisieren zur Verringerung des Regurgitationsvolumens )doch kritisch überlegen.

    Bei all der Dokumentationsarbeit sprengt es vermutlich den machbaren Rahmen, wenn ich jede Überlegung leserlich in meiner Krankengeschichte dokumentiere, die ich bei differentialtherapeutischen Schritten erwogen habe, aber behandlungsrelevant war.

    Sollte der nicht behandelnde Arzt verschlüsseln, ein Kollege oder ein MDA, kann er vielleicht meine Erwägungen nicht nachvollziehen, entweder er verschlüsselt oder nicht, läuft er dabei die Gefahr ein Up- oder auch Down-Coding zu machen. Nur der behandelnde Arzt weiß, warum eine ND behandlungsrelevant war und kann diese in seinem Entlassungsbrief auch argumentieren, der bei Unstimmigkeiten durch den MdK oder eine Schiedstelle zur Bewertung hinzugezogen werden kann. Steht aber diese Begründung in dem Entlassungsbrief, so ist sie Teil der Krankengeschichte.

    Neben dieser orginären Tätigkeit in der Verschlüsselung kann ein MDA im Vorfeld sammeln, was in Betracht kommt. Hier geht sicherlich vieles sonst verloren, aber nicht alles, was ein MDA findet, darf verschlüsselt werden.

    Selbst bei dieser Vorgehensweise gibt es noch genügend \"Streitfeld\" mit Kostenträgern und dem MdK, wie ein anderer Thread in diesem hochgeschätzten Forum derzeit diskutiert. :grouper:

    Ein schönes Wochenende aus dem teilweise sonnigen Hessen
    Eckardt

  • Hallo Herr Eckhardt,

    das setzt meine Weltsicht wieder in den gewohnten Rahmen.

    Verstehe ich Ihre Devise also richtig? Optimale Zuarbeit durch


    :) MDA: in etwa also einw./aufn.Diagnosen/VWD, Erstgrouping, dann auch Grobverschlüsselung, Coachingfunktion (aufbereitung Unterlagen zu Neuigkeiten), Recherchieren strittiger oder komplexer Fälle
    :) Stat. Sekr.: \"MDA-light\"
    :chirurg: OP-Personal: OP-Kodierung, auch Kons.OPs!
    :) Leistungsstellen: Abr. relevante Proz.
    :) Pflege, Station: insbes. pflegebez. ND und Beamtungszeiten

    Und dann kodiert oder bestätigt der BEHANDELNDE ARZT.
    Das dumme, was ich dabei beobachte, ist, daß eine optimale Zuarbeit bei einigen Kandidaten unter ihren Kollegen dazu führen kann, daß eben die Codes - wird schon stimmen - einfach bestätigt werden & Ruhe ist...
    :noo:

    Hier beginnt dann die Phase der Therapie, die man sich selbst und den betreffenden Neglect-Patienten gerne ersparen würde... *seufz*:
    :hammern:

    Aber da müssen wir wohl durch...
    :roll:

    Einen erstaunten Blick aus der EDV-Welt ins Wunderland des Gesundheitswesen wirft grinsend:
    Lag

  • Hallo Herr Lag,

    Zitat : \"Das dumme, was ich dabei beobachte, ist, daß eine optimale Zuarbeit bei einigen Kandidaten unter ihren Kollegen dazu führen kann, daß eben die Codes - wird schon stimmen - einfach bestätigt werden & Ruhe ist...\"
    Antwort : genau das muß verhindert werden. Optimale Zuarbeit heißt alle Gruppen zu sensibilisieren, daß an einem Strang gezogen wird ( Neben Schulung ist ein guter Tip der einzelnen Berufsgruppe zu zeigen, was die anderen Berufsgruppen denken, machen und Probleme haben; hier wirkt manchmal 2 Stunden Hospitation Wunder ). Nur wenn sich jeder über seinen Part bewusst ist, kann man richtig kontrollieren, und rennt nicht permanent den Dingen hinterher.
    Die Beute darf nicht am Ende verschwendet werden, aber dafür gibt es ja ein DRG-Beauftragten ( stöhn ). :deal:
    Nachdem bei uns dasSystem so funktioniert, kann ich auch wieder mehr meine ursprüngliche Funktion als Oberarzt wahrnehmen, da es uns -wie vielen geht, zusätzliches Geld, sprich Personal konnte nicht eingestellt werden.
    Gruß aus Hessen
    Eckardt