Kodierleitfaden Sepsis 3.0 - Wann sind jetzt noch Blutkulturen erforderlich?

  • Guten Abend in die Runde,

    nach mehrmaligem Lesen des Kodierleitfadens Sepsis 3.0 benötige ich einmal Bestätigung, dass ich die dortigen Angaben richtig interpretiere ...

    S. 9 = SIRS infektiöser Genese ohne Organkomplikation

    ==> Aktuelle Aussage: Es ist nunmehr keine Abnahme von Blutkulturen notwendig?

    Und was gilt jetzt für die Sepsis? - Keine Blutkulturen oder immer zwei Sets (aerob und anaerob) ? - Und wenn weiter notwendig, dann immer (zeit-) gleich zwei Paare oder reichen mindestens 2 Paare (auch zu unterschiedlichen Zeitpunkten, evemtl. sogar Tagen abgenommen) aus? - Oder reicht bereits 1 Paar aus?

    Bislang verlangte jedenfalls der regionale MD für die Sepsis immer 2 Paar Blutkulturen ...

    Lieben Dank

    Die Bi(e)ne

  • Biene 4. Juni 2023 um 19:23

    Hat den Titel des Themas von „Kodierleitfaden Sepsis - Wann sind jetzt noch Blutkulturen erforderlich?“ zu „Kodierleitfaden Sepsis 3.0 - Wann sind jetzt noch Blutkulturen erforderlich?“ geändert.
  • Guten Morgen Biene,

    ich lese die neue Leitlinie folgendermaßen: für die (Kodier-) Sepsis müssen nach wie vor 2 Pärchen Blutkulturen und der entsprechende Sofascore und die intensivmedizinische Behandlung (bis auf die wenigen Ausnahmen) vorliegen.

    Das SIRS verlangt nun, nach dieser neuen Leitlinie, keine Blutkulturen mehr. Sondern lediglich die Erfüllung zweier SIRS Zeichen und eventuell die Organkomplikation wie gehabt.

    Viele Grüße

    Botticelli

  • Hallo,

    zu dem Leitfaden möchte ich zwei Punkte anmerken:

    1) Die Bedingungen für die Kodierung eines SIRS sind nicht (und waren es auch noch nie) an die Entnahme von Blutkulturen oder den mikrobiologischen Nachweis von Erregern geknüpft. Dies gilt auch, wenn nur 2 der 4 Kriterien erfüllt sind, was für die Kodierung eines SIRS bereits ausreichend ist. Es ist aber darauf zu achten, dass die Erfüllung der Kriterien als Folge der Infektion (bzw. einer anderen Krankheit, die das SIRS ausgelöst hat) gewertet werden kann. Blutkulturen waren früher nur gefordert, wenn aufgrund der SIRS-Kriterien eine Sepsis kodiert werden sollte - diese Definition ist aber nicht mehr zutreffend (Sepsis-3-Konsensus-Konferenz). Anderslautende Regelungen sind weder in der ICD-10-GM noch in den DKR festgelegt.

    2) Für die KODIERUNG einer Sepsis ist weder die Entnahme von Blutkulturen noch die intensivmedizinische Versorgung erforderlich. Hier gilt der Wortlaut der ICD-10-GM-Definitionen und der DKR, die das nicht fordern. Dem stehen auch keine Leitlinien entgegen, die für die Behandlung und Erkennung einer Sepsis konzipiert sind. Auch der SOFA-Score ist lediglich ein Hilfsmittel zum nachvollziehbaren Nachweis einer Organdysfunktion, wird aber in Deutschland (im Gegensatz zur Schweiz) für die Kodierung nicht gefordert.

    Ich hoffe sehr, dass der Sepsis-Leitfaden diesbezüglich von allen Anwendern richtig interpretiert wird.

    Beste Grüße

    Dr. Rolf Bartkowski
    Arzt f. Chirurgie, Med. Informatik
    Berlin

  • Hallo Herr Bartkowski,

    zu Punkt 2 habe ich eine aufrichtige Frage (Punkt 1 stimme ich voll zu, auch anteilig Punkt 2, dass ein Aufenthalt auf der ITS keine Voraussetzung für die Kodierung einer Sepsis ist):

    Grundlage für die Kodierung einer Sepsis ist doch grundsätzlich deren tatsächliches Vorliegen (bzw. ggfs. als Verdachtsdiagnose) - eine Sepsis muss mithin diagnostiziert werden.

    Wie sollen Ärztinnen und Ärzte aber zur Diagnose "Sepsis" (vs z. B. Bakteriämie) kommen, wenn nicht entsprechend der Sepsis-3-Konsensuskonferenz und inzwischen der S3-Leitlinie über Blutkulturen und das klinische Vorliegen von Organdysfunktionen iS des SOFA-Scores als Folge der Infektion - auch wenn dieses Vorgehen nicht explizit in den DKR erwähnt wird?

    Z. B. eine Hypo- oder Hyperkaliämie muss doch auch über entsprechende Laborparameter bestätigt werden und es kann nicht "einfach so" der entsprechende Kode verwendet werden, weil die ICD-Systematik oder die DKR dazu keine Angaben machen?

  • Hallo zusammen,

    die Definition medizinischer Krankheitsbilder erfolgt nicht durch ICD-10 und DKR sondern durch die Fachwelt. Insofern kommt den Leitlinien eine wichtige/ entscheidende Bedeutung zu, aber natürlich gibt es auch andere Aspekte zu berücksichtigen.

    Neben dem Sepsis-Leitfaden sind für Kodierzwecke sicherlich auch die entsprechenden Veröffentlichtungen der SEG-4 und (spätestens bei gerichtlichen Auseinandersetzungen ) bestimmt auch die Vorgaben der Qualitätssicherung/ des IQTiG) beachtenswert.

    Die früher übliche "Kodiersepsis" sollte/ dürfte jedenfalls mit der neuen Sepsis-3 Defintion der Vergangenheit angehören. Ohne "Lebensbedrohlichkeit" ist es nach aktueller Definition eben keine Sepsis, kann aber sehr wohl ein SIRS sein.

    Mit freundlichen Grüßen

    Breitmeier

  • Hallo Herr Da Silva,

    selbstverständlich muss eine Sepsis diagnostiziert werden und dazu mindestens eine infektionsbedingte Organdysfunktion nachweisbar sein. Die Sepsis-Definition lautet: „Nachgewiesene oder vermutete Infektion und nachgewiesene Organdysfunktion, verursacht durch eine dysregulierte Reaktion des Körpers auf einen Infekt."

    Entscheidend ist somit die Klinik und der Nachweis einer Organdysfunktion, ein Score ist für die Kodierung aber nicht zwingend zu erheben.

    Für den Nachweis einer Sepsis sind aus bekannten Gründen positive Blutkulturen weder notwendige noch hinreichende Bedingung. Selbstverständlich wird die Entnahme von Blutkulturen dennoch in den Behandlungsleitlinien gefordert.

    Eine Diagnosenkodierung kann nun aber nicht daran festgemacht werden, dass der Versuch des Erregernachweises leitliniengerecht unternommen worden ist.

    Herrn Breitmeier möchte ich entgegnen, dass mit der ICD-10-GM keine medizinischen Krankheitsbilder definiert werden (abgesehen im Bereich der Psychiatrie), aber Bedingungen für die Kodierung vorgegeben werden (man denke z.B. an die hämorrhagische Diathese). SEG-4, FOKA und IQTIG stehen nicht über der ICD-10 oder den DKR.

    Ich bin mir sicher, dass die "Kodiersepsis" überwunden ist, es geht aber auch darum, die Kodierung von Sepisfällen anerkannt zu bekommen, bei denen, aus welchen Gründen auch immer, keine BK vorliegen oder die aufgrund von Immunstörungen keine SIRS-Kriterien entwickeln konnten (ein wichtiger Aspekt der neuen Sepsis-Definition).

    Dr. Rolf Bartkowski
    Arzt f. Chirurgie, Med. Informatik
    Berlin

  • Guten Morgen Herr Bartkowski,

    danke für die Erläuterung. So glaube ich zu verstehen, wie Sie es meinen (infektionsbedingte Organdysfunktion iS SOFA-Score begründet Sepsis-Kodierung - ggfs. auch unabhängig von Blutkulturen und/oder Erregernachweis) und stimme Ihnen entsprechend zu (zumal die S3-Leitlinie ja auch nicht nur Blutkulturen als Erregernachweis kennt, sondern auch Urinkulturen, Wundabstriche etc).