Ambulanter Katalog§115b

  • Liebes Forum,

    ich bitte um Ihre Meinungen zum Patientenwunsch:

    Das Sozialrecht ist eindeutig: "...Versicherte können unwirtschaftliche Leistungen nicht beanspruchen..."

    Das Strafrecht, die Berufsordnung (und meine bescheidene Meinung) ist auch eindeutig: Wenn ein Patient gegen seinen Willen behandelt wird, ist das eine Körperverletzung. In diese Selbstbestimmung des Patienten ist die Art, Methode und der Ort der Behandlung mit eingeschlossen. Selbst wenn der Patient aus unserer Sicht "unvernünftig" ist und sich selbst das minimal erhöhte Risiko beim ambulanten Operieren nicht zumuten möchte, so hat er doch das Recht, "unvernünftig" zu sein. Ich kann nicht hellsehen, und dem Patienten sicher zusagen, dass er postoperativ kein Risiko hat. Er hat ein Risiko, das ist sehr klein.
    Wenn das Risiko realisiert wird, z.B. postoperativ Myokardinfarkt, dann wäre die ambulante Operation eine Körperverletzung, möglicherweise mit Todesfolge.
    Es gibt m.E. nur eine Antwort: der Wunsch des Patienten zählt.
    Wie sehen Sie diesen Widerspruch der Gesetze?

    Grüße,

    Scherlitz
    --
    Krankenhaus Reinbek

    Dr. med. J. Scherlitz
    Krankenhaus Reinbek St. Adolf-Stift GmbH

  • Hallo Herr Scherlitz,
    natürlich versuchen wir als Dienstleister, dem Wunsch des Patienten zu entsprechen. Leistungen (denken wir mal an virtuelle Bildgebung) sollten dann aber auch selbst getragen und nicht der Versicherungsgemeinschaft zugemutet werden, auch wenn die nichtvirtuelle Bildgebung (z.B. Koloskopie und LHK) ein höheres Risiko aufweist...die Kostenlawine wäre sonst imho nicht tragbar.


    --
    Grüße aus Hanau
    Poschmann

    Poschmann

  • Hallo ans Forum:

    Hier eine Mitteilung und eine Bitte:

    Zuerst die Mitteilung: ich habe ein wenig bei den angegebenen Ansprechpartnern von DKG/AOK/KBV rumtelefoniert, um die begriffliche Verwirrung "in der Regel ambulant" zu klären. Antwort ist folgende: Leistungen mit * (= in der Regel ambulant) dürfen nur mit sorgfältiger Dokumentation von Ausnahmetatbeständen stationär erbracht werden. Das war soweit klar, juristisch könnte interessant sein, dass hier evt. eine Umkehr der Beweislast bei ungenügender Dokumentation auf die Krankenhäuser zukommen könnte (Auskunft eines AOK-Mitarbeiters, der aber auch kein Jurist ist).
    Leistungen ohne Stern können, müssen aber nicht ambulant erbracht werden.
    Außerdem steht im Vertragstext, dass die jeweils gültige Version des ICD für die Dokumentation angewendet werden soll (ab 2005 muss). Ja, und was ist nun die gültige Version?? ICD 1.3 oder ICD 2.0?? Lt. Auskunft ist dies noch nicht geklärt und soll (!) bis Jahresende mit dem Ziel einer einheitlichen Anwendung einer ICD-Version für ambulant und stationär mit der KBV geregelt werden. Da hoffen wir mal das beste.

    Hier die Bitte:
    wir versuchen gerade, den Katalog auf DRG zu mappen. Der erste Schritt, die hier im Forum verbreitete Überleitungstabelle EBM zu OPS zu nutzen, führt nicht direkt weiter (zu viele mögliche OPS-Entsprechungen zu einer EBM-Leistung, nicht deckungsgleiche Leistungsbeschreibungen und und und...). Von daher überlegen wir, direkt den Überleitungsversuch von EBM-Leistung zu DRG zu versuchen, wohl wissend, dass auch dies ungenau ist. Wer sitzt gerade an ähnlichen Aktivitäten und wir könnten uns absprechen? Interessierte könnten sich bei mir melden oder bei medizin-controlling@medizin.uni-essen.de

    Beste Grüße aus dem Ruhrgebiet

  • Zitat

    Original von Luetkes:
    ICD 1.3 oder ICD 2.0?? Lt. Auskunft ist dies noch nicht geklärt und soll (!) bis Jahresende mit dem Ziel einer einheitlichen Anwendung einer ICD-Version für ambulant und stationär mit der KBV geregelt werden. Da hoffen wir mal das beste.

    Mail mit Dr. XC vom DIMDI:
    Frage:

    Zitat

    Sehr geehrter Herr Dr. XC,
    Wird es im Rahmen der Einführung eines neuen ICD10 zum Jahreswechsel eine Angleichung der ambulanten und stationären Katalogversionen geben?
    Der derzeitige Unterschied V1.3/V2.0 treibt uns bei Fallartwechseln im Krankenhaus in den Wahnsinn...


    Antwort:

    Zitat

    Ja, endlich! An dem Wahnsinn sind wir auch nicht Schuld...
    M.f.G.
    i.A.
    XC


    --
    Jan Haberkorn
    Internist/Medizincontroller
    St. Elisabeth-Krankenhaus Köln

    Jan Haberkorn
    Internist/Medizincontroller
    St. Elisabeth-Krankenhaus Köln

  • Hallo Forum,

    nachdem ich seit meinem Urlaub nur sporadisch die einzelnen Themen nachlesen konnte, reagiere ich mal etwas verspätet. Ich hoffe nicht zu spät, denn die "Kassenmeinung" wurde ja hier mehrfach gefordert.

    Zu Herrn May:

    Vorsicht vor dem geplanten Vorgehen. Eine Argumentation geschweige denn Anwendung einer noch nicht in Kraft getretenen Rechtsgrundlage würde und werde ich als Kasse nicht anerkennen. Ruhigen Gewissens kann ich sagen, dass niemand von Ihnen (DRG-Häusern) mir heute einen Rabatt geben würde, weil der gleiche Fall nach "altem Recht" viel preiswerter war... oder im Dezember letzten Jahres die günstigere DRG z.B. für eine Hüfte abgerechnet hätte, weil die DRG´s kommen doch sowieso bald...

    Außerdem würde ich an Ihrer Stelle die Begründung und Dokumentation sehr wohl führen und auf Anforderung unter Beachtung datenschutzrechtlicher Bestimmungen der Kasse bzw. dem MDK zugänglich machen, denn die Einzelfallprüfung bei vollstationären Fällen wird vom hier diskutierten Katalog nicht berührt. Also haben Sie das Nichtvorliegen einer Fehlbelegung sehr wohl auch ab 01.01.2004 zu dokumentieren und zu begründen.

    Zu Herrn Nast:

    warum sollen Kassen bei mehrtägigen Aufenthalten nicht prüfen dürfen und ggf. verlangen dürfen, dass der Fall ambulant abgerechnet wird? Die Verweildauer allein kann und darf doch wohl nicht Kriterium sein. Wenn der Patient 3 Tage stationär war, muss dies doch nicht in jedem Einzelfall auch notwendig gewesen sein, oder???

    Zu Dr. Scherlitz:

    In Bezug auf den Patientenwunsch halte ich grundsätzlich das Sozialrecht für vorrangig anwendbar. Sonst könnten Patienten Leistungen, Versorgungsformen oder Leistungserbringer auch frei wählen, wenn diese nicht zur Abrechnung mit den gesetzlichen Krankenkassen zugelassen sind.

    Ich denke, ein Sozialrichter wird die Grundrechte des Versicherten als Grundlage nehmen, wenn diese nicht durch spezifische Regelung im Sozialrecht eingeschränkt oder ausgeschlossen werden. So ist es jedenfalls häufig in SG- und BSG-Entscheidung herauszulesen.

    Grundsätzlich habe ich aber auch noch eine Ansicht zu dem Thema:

    Da man bstimmte Leistungen nicht aus der stationären Versorgung ausschließen kann und sollte (aufgrund der Ausnahmetatbestände) würde ich dafür plädieren, dass bei Personen, die diese Tatbestände nicht erfüllen, die ambulante OP vorgeschlagen wird und der Patient die stationäre Versorgung nur gegen Zahlung der Differenz zwischen beiden Abrechnungsformen wählen kann.

    Ich denke, man muss sich davon lösen, Angst in jedem Einzelfall als Begründung für eine teurere Behandlungsform gelten zu lassen. Ich habe als gesetzlich Krankenversicherter zum Beispiel unbeschreibliche Angst vorm Zahnarzt. Kein Zahnarzt und keine Krankenkasse dieses Landes würde mir die Behandlung in der Klinik verordnen bzw. bezahlen, wenn "nur" eine einfache Zahnextraktion ansteht. Andererseits hätte ich im Vergleich zum Zahnarztbesuch kein Problem mit einer ambulanten Arthroskopie. Durch Narkose merke ich doch nichts.

    Und die Risiken in Abwägung zum nicht vermeidbaren und zweifelsfrei vorhandenen Infektionsrisiko in der Klinik gehe ich auch gern ein.

    Man sieht, die Patientenwünsche sind sehr vielfältig. Können wir sie alle würdigen - NEIN. Wer spielt also Gott und entscheidet, welcher Wunsch zu respektieren ist und welcher nicht???

    Gruß aus dem - gemessen an einer finnischen Saune etwas kühleren - bergischen Land


    ToDo

    Freundliche Grüße


    ToDo

    Wir lieben die Menschen, die frisch heraus sagen, was sie denken - falls sie das gleiche denken wie wir.
    (Mark Twain)

  • Schönen guten Tag allerseits und insbesondere ToDo!

    Folgendes (realistisches) Szenario:

    Ein Patient kommt in die Sprechstunde: Er habe Angst vor der OP und wünsche eine stationäre Durchführung. Antwort des Arztes: Das müsse er zunächst mit seiner Kasse abklären, ob sie die Kosten übernehem würden.

    In der Geschäftsstelle wird ihm mitgeteilt, dass die Kasse selbstverständlich die Kosten übernäme, wenn der Arzt dies für notwendig erachte.

    Der Arzt (gutgläubig) akzeptiert die ihm vom Patienten überbrachte Aussage der Kasse und hält die stationäre Behandlung für notwendig (der Patient hat ja schließlich Angst).

    Das "Krankenhausmanagement" der Kasse (weder verwandt noch verschwägert mit der Geschäftsstelle) weiß von irengentwelchen Zusagen nichts und hält die stationäre Behandlung für nicht erforderlich.

    Der MDK, der niemals den Patienten gesehen, geschweige denn gesprochen und untersucht hat, hält die stationäre Behandlung "nach den vorliegenden Unterlagen für nicht zwingend erforderlich"

    Ich will damit sagen: Das Problem ist nicht unbedingt, dass die Krankenkasse bestimmte Leistungen nicht (stationär) bezahlen will. Das Problem ist, dass diese Leistungen nicht eindeutig definiert sind und dem Patienten (aus Sicht der Krankenkassen: Versicherten = Kunden) gegenüber manchmal andere Zusagen gemacht, als dem Leistungserbringer hinterher zugestanden werden.

    Dieses Dreiecksverhältnis
    Versicherung: Versicherter - Krankenkasse
    Behandlungsvertrag: Patient/Versicherter - Krankenhaus
    Vergütung: Krankenhaus - Krankenkasse
    ist eines der Problem unseres Gesundheitssystems

    Schönen Tag noch,
    --
    Reinhard Schaffert

    Medizincontroller
    Facharzt für Chirurgie
    Krankenhausbetriebswirt(VWA)
    Kliniken des Wetteraukreises

  • Zitat


    Original von R. Schaffert:
    Schönen guten Tag allerseits und insbesondere ToDo!

    Folgendes (realistisches) Szenario:

    Ein Patient kommt in die Sprechstunde: Er habe Angst vor der OP und wünsche eine stationäre Durchführung. Antwort des Arztes: Das müsse er zunächst mit seiner Kasse abklären, ob sie die Kosten übernehem würden.

    In der Geschäftsstelle wird ihm mitgeteilt, dass die Kasse selbstverständlich die Kosten übernäme, wenn der Arzt dies für notwendig erachte.

    .....

    Das ist kein Scenario, sondern Realität!!!!
    Wenn der Pat. vor solchen OPs zur Kasse geschickt wird, bekommt er immer die Antwort " selbstverständlich.....wird bezahlt.....kein Problem....!Wenn er die Bestätigung schriftlich einholen will (soll) siehts schon anders aus. Da wird mit Haushaltshilfe, ambulater Pflegedienst, Essen auf Rädern und alle mögliche geworben und angeprießen, nur um das ambulat über die Bühne zu kriegen! Auf den meisten Kosten bleibt der Versicherte dann sitzten. Die freundlich Nachbarin hätte ja auch kochen können usw. ....

    Warum nicht eine "Einheitskrankenkasse" mit gestaffelten Beiträgen für Extraleistungen? Ich bin kein Betriebswirt, aber ich glaube das man da Kosten umlagern könnte um Pat. die eine OP stationär durchführen lassen wollen, ihnen das auch ohne Probleme bezahlen kann.
    Wenn die Beiträge dann noch stabil (von niedriger will ich nicht träumen!) bleiben würden ....

    Grüße aus einem angenehm kühlen Büro

    D. Bahlo-Rolle

    Mit freundlichen Grüßen aus Nürtingen

    D. Bahlo-Rolle :d_niemals: :d_pfeid: :sonne:

  • Hallo Forum, ich habe zum Thema Sternchen mit dem zuständigen Referenten bei der DKG telefoniert und folgende Aussagen bekommen:

    1.Die mit Sternchen gekennzeichneten OPs sind in der Regel ambulant zu erbringen und nur bei exakt dokumentiertem Vorliegen der Kriterien nach Anlage 2 als stationäre Leistung abrechenbar.
    2.Die nicht mit Sternchen gekennzeichneten OPs unterliegen nicht so strenger Kontrolle durch den MDK, gleichwohl sollten auch hier die Gründe an Hand des o.g. Kriterienkataloges dokumentiert werden.

    Insgesamt war Dr. Schreck der Meinung, dass möglichst häufig auch die fehlende OP-Nachsorge im ambulanten Bereich als Grund mit angegeben werden sollte, um hier einen Handlungsdruck im politischen Raum und bei den Kostenträgern zu erzeugen und auf die Versorgungslücken aufmerksam zu machen.

    ?:vertrag:

  • Hallo, welche Versorgungslücke meint Herr Dr. Schreck? Viele OP`s werden in dem Vertrag doch von Belegärzten durchgeführt - und können dementsprechend den Patienten betreuen und mit der KV abrechnen. Oder meint Dr. Schreck die ambulante Nachbetreuung durch die Familie/Pflegedienst? Dort gibt es doch gesetzliche Regelungen, wonach der Patient versorgt werden kann.
    --
    Gruß Harmsen

    Gruß Harmsen