Folgen einer Spina bifida

  • Liebe Kodiergemeinde,

    ich stehe vor folgendem Problem:
    Ein 14-jähriges Mädchen wurde an einem Ballenhohlfuß operiert. Ursächlich für die Fußdeformität ist nachgewiesenermaßen eine Spina bifida mit Hydrozephalus (operiert). Zusätzlich besteht eine neurogene Blasenentleerungsstörung.

    Ist die Spina bifida (Q05.7) als "Verursacher" der Fußdeformität und der Blasenentleerungsstörung als Nebendiagnose mit anzugeben?
    Ich meine ja, aber hier scheiden sich die Geister. Über hilfreiche Unterstützung freut sich

    F. Wolfram

    • Offizieller Beitrag
    Zitat


    Original von frawo:
    Ich meine ja...


    Hallo Herr Wolfram,

    ich meine nein...:

    D005a Folgezustände
    ‘Folgezustände’ oder ‘Spätfolgen’ einer Krankheit sind aktuelle Krankheitszustände, die durch eine frühere Krankheit hervorgerufen wurden.
    Es gibt keine allgemeine zeitliche Beschränkung für die Verwendung der Schlüsselnummern für Folgezustände. Der Folgezustand kann schon im Frühstadium des Krankheitsprozesses offenbar werden, z.B. neurologische Defizite als Folge eines Hirninfarktes, oder er zeigt sich Jahre später, z.B. die chronische Niereninsuffizienz als Folge einer früheren Nierentuberkulose.
    Die Auswirkung einer Krankheit wird als Spätfolge betrachtet, wenn sie in der Diagnose
    ausgewiesen wird als:
    • spät (Folge von)
    • alt
    • Folgeerscheinung von
    • aufgrund einer Vorkrankheit
    • als Folge einer Vorkrankheit
    Sofern der zugrundeliegende Krankheitsprozess nicht mehr aktiv ist, wird die Schlüsselnummer für die akute Form dieser Krankheit nicht kodiert, sondern der Folgezustand mit den entsprechenden spezifischen ICD-Kodes (siehe z.B. unten angefügte Liste „Spezifische Schlüsselnummern für die Ursachen von Spätfolgen“)....

    Bitte unter der DKR weiter lesen und sich nach einem entsprechenden Kode umschauen, ohne versprechen zu können, dass einer gefunden wird.

    Gruß
    --
    D. D. Selter

    Mit freundlichen Grüßen

    D. D. Selter

    Ärztlicher Leiter Medizincontrolling

    Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Murnau

  • Allegra

    Zitat: sich nach einem entsprechenden Kode umschauen, ohne versprechen zu können, dass einer gefunden wird.

    Gruß
    --
    D. D. Selter


    sehen Sie unter Ballenhohlfuß nach kommt M21.67 erworben und Q66.7 angeboren (Pes cavus).


    --
    Einen freundlichen Gruß vom MDA aus Schorndorf

    [size=12]Freundlichen Gruß vom Schorndorfer MDA.

  • Hallo Frawo

    Ich würde folgendes vorschlagen.

    Das Kind kommt zur Behandlung des Ballenhohlfußes in die Klinik. Also ist diese Diagnose die Hauptdiagnose. Die Spina bifida ob mit oder ohne Hydrocephalus ist eine Erkrankung, die ein Leben lang mittels erhöhter Pflege, KG, BT, Hilfsmittel aller Art usw. therapiert werden muß. Mithin kann die Spina bifida direkt als Nebenerkrankung codiert werden. Die von Ihnen angegebene Operation wird sich wohl auf den Hydrocephalus beziehen und wahrscheinlich eine Shuntoperation – also lediglich eine symptomatische Operation - darstellen. Sie schreiben leider nicht in welcher Höhe sich die Spina bifida befindet, die korrekte Codierung ist lokalisationsabhängig. Sollte die von Ihnen angegebene Codierung Q05.7 auf eine lumbale Lokalisation schließen lassen?

    Ein erworbener Hydrocephalus liegt hier wohl nicht vor, wenn doch, müsste ganz anders codiert werden.

    Nun zur Codierung selbst.

    Ich würde folgendes vorschlagen: Q05.2 für eine lumbale Spina bifida mit Hydrocephalus zusammen mit der Z98.2 für den Shunt und der G83.4 für die neurogene Blasenlähmung als Nebendiagnosen.

    Beim Ballenhohlfuß gehen die Ansichten auseinander, ob eine erworbene oder eine angeborene Deformität vorliegt. Da die Spina bifida eine angeborene Deformität ist, kann man mit einiger Berechtigung sagen, dass auch die unmittelbare und möglicherweise sogar zwangsläufige Folge dieser Erkrankung dann ebenfalls als angeboren gelten kann. Aber es gibt mindestens genauso viele Kritiker, die den Ballhohlfuß als erworbene Folge der Spina bifida ansehen – es gibt schließlich auch noch andere Folgen. Letztlich müssen Sie diese Frage selbst entscheiden. Ob Sie also die Q66.7 für den angeborenen oder die M21.67 für den erworben Ballenhohlfuß nehmen, ist Ihnen überlassen. Bei der M21.67 geht aber für die Rückübersetzung viel Information verloren.

    Ich hoffe, Sie können mit meinen Angaben etwas anfangen.

    Mit freundlichen Grüßen.

    Thomas Winter
    Berlin

    • Offizieller Beitrag
    Zitat


    Original von winterth:
    Die Spina bifida ob mit oder ohne Hydrocephalus ist eine Erkrankung, die ein Leben lang mittels erhöhter Pflege, KG, BT, Hilfsmittel aller Art usw. therapiert werden muß. Mithin kann die Spina bifida direkt als Nebenerkrankung codiert werden.

    Guten Tag Herr Winter,

    auch wenn ich Ihren Gedankengang nachvollziehen kann, bleibt folgende Aussage bestehen:

    "Sofern der zugrundeliegende Krankheitsprozess nicht mehr aktiv ist, wird die Schlüsselnummer für die akute Form dieser Krankheit nicht kodiert.

    Anderes Beispiel:

    Z.n. Schlaganfall, Patient bleibt weiterhin genauso abhängig von, winter: die ein Leben lang mittels erhöhter Pflege, KG, BT, Hilfsmittel aller Art usw. therapiert werden muß..
    Auch hier wird nicht der Schlaganfall kodiert, sondern die Defizite.

    Deswegen tendiere ich eher dazu, nicht wie von Ihnen vorgeschlagen zu kodieren (es sei denn, der "Krankheitsprozess ist noch aktiv").

    Gruß

    D. D. Selter

  • Hallo,

    die HD ist die zu behandelnde Erkrankung. Die Spina bifida ist die Grunderkrankung, die Sie nicht als solche behandeln können. Einen aktiven Prozeß gibt es hier nicht. Sie können die Grunderkrankung kodieren, wie Folge von ...., als 1. Nebendiagnose, um den höheren Aufwand(?) darzustellen.

    Ich bezweifle aber, dass Sie die G83.4 kodieren können; denn so eine Blasenfunktionsstörung wie bei Cauda equina haben diese Patienten zu 99% nicht. Wenn Sie also nicht wissen, was das Mädchen genau hat, sollten Sie kodieren, was Sie wissen (z.B. R32 Harninkontinenz), wenn Sie das diagnostiziert haben oder behandeln. Wenn Sie nichts ändern und Sie nur den Windelverbrauch entsorgen, hätte ich mit einer solchen Kodierung Bauchschmerzen.
    Da die Patienten mit Spina bifida zu den multimorbiden Patienten zählen, ist es nicht immer leicht, eine adäquate Abbildung zu finden.
    Letzendlich haben diese Patienten eine querschnittähnliche Lähmung mit oft seitenunterschiedlichem Niveau der sensiblen und motorischen Störung.

    Ich kann Ihnen da sicher als Neuro-Urologe weiterhelfen. Bitte schreiben Sie, was Sie genau gemacht haben.

    Gruß
    B. Domurath
    Bad Wildungen

  • Hallo Herr Domurat, Hallo Herr Selter,

    bezüglich Ihrer Bitte, dass von Seiten Frawos, die neurogene Blasenentleerungsstörung weiter präzisiert werden sollte, stimme ich zu, vielleicht kommt dann etwas anderes heraus.

    Bezüglich der Spina bifida, diese nur als Folgezustand zu codieren, bin ich – auch wenn die DKR´s nicht ganz eindeutig sind und zu Spekulationen Anlaß geben - anderer Ansicht.

    Es geht hier nicht um einen Folgezustand nach Schlaganfall (der Schlaganfall, die Poliomyelitis, die Virusencephalitis usw. ist ausgeheilt, usw.) oder ähnliches, wo das akute Krankheitsbild beendet ist und man sich nur noch mit den Folgen herumzuschlagen hat (DKR005a) sondern um eine chronische Erkrankung (sinngemäß DRK006a Beispiel 1: z.B. Akuter Zustand: Ballenhohlfuß; Chronischer Zustand: Spina bifida). Die Spina bifida ist nicht ausgeheilt, sie besteht als angeborene Fehlbildung ein Leben lang weiter und ist demzufolge genauso als Nebendiagnose zu codieren wie eine andere chonische Erkrankung wie z.B. ein M. Bechterew usw.

    Außerdem ist nach DKR003b jede Krankheit als Nebendiagnose zu codieren, die therapeutische und/oder diagnostische Maßnahmen und/oder einen erhöhten Betreuungs-, Pflege und/oder Überwachungsaufwand erfordert. Dies dürfte für die Spina bifida zweifellos zutreffen.

    Soweit meine Meinung

    Mit freundlichen Grüßen.

    Thomas Winter
    Berlin

    • Offizieller Beitrag

    Guten Morgen,

    da ich hier keine klare Vorgabe zur Kodierung ableiten kann, habe ich das Problem bei der DKG und dem InEK vorgebracht.
    Welche Meinung hierzu von dieser Seite besteht, werde ich dann nach Erhalt weitergeben.

    Gruß
    --
    D. D. Selter

  • Hallo liebe Kollegen,

    vielen Dank für die schnellen Antworten.
    Ein paar Informationen möchte ich noch nachreichen:
    Das Lähmungsniveau ist in Höhe L5-S1, und das Mädchen katheterisiert sich aufgrund der (neurogenen ?) Blasenentleerungsstörung mehrmals täglich selbst.
    Die Patientin wird regelmäßig bei uns stationär behandelt, aktuell wegen erneuter Ulzeration am Fuß (m.E. auf jeden Fall neurogen mitbedingt). Die Problematik setzt sich also fort ...

    Nochmals vielen Dank.
    F. Wolfram

  • Hallo Herr Selter, Hallo Wolfram,

    ich bin gespannt, was das INEK zu der Problematik zu sagen hat. Nach Einblick in ein orthopädisches Lehrbuch (Zilch, Weber: Orthopädie) ist die Antwort ziemlich klar, und es sollte mich wundern, wenn das INEK zu einer anderen Ansicht gelangen würde, was dann wohl heiße Diskussionen in der Fachwelt auslösen würde.

    In dem Lehrbuch heißt es sinngemäß im Kapitel zur Spina bifida, dass es sich um eine Erkrankung handelt, die lebenslang ärztliche (orthopädische) Behandlung erfordert und dass die Grunderkrankung nicht behandelt werden kann, sondern lediglich die Begleiterscheinungen gelindert werden können.

    Vergleicht man dies mit den ersten Satz der DKR005a (Folgezustände), so muß man erkennen, dass diese Kodierrichtlinie hier nicht greift. Der erste Satz der DKR005a lautet: “Folgezustände oder Spätfolgen einer Krankheit sind aktuelle Krankheitszustände, die durch eine frühere Erkrankung hervorgerufen wurden.“

    Da die Erkrankung der Spina bifida lebenslang existiert, kann man nicht von einer früheren Erkrankung sprechen.

    Ich bin auch gespannt, was Herr Domurath zu den nun vorliegenden näheren Angaben zu dem Lähmungsniveau zu berichten hat.

    Mit freundlichen Grüßen.

    Thomas Winter
    Berlin

    • Offizieller Beitrag
    Zitat


    Original von winterth:ich bin gespannt, was das INEK zu der Problematik zu sagen hat.

    Hallo Herr Winter,

    Sie sollen nicht länger auf die Folter gespannt werden.
    Hier die Antwort vom InEK:

    Sehr geehrter Herr Selter,

    vielen Dank für Ihre Anfrage zur Kodierung eines Ballenhohlfußes bei Spina bifida.

    Grundsätzlich ist nach den Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) und den amtlichen Klassifikationen in der jeweils gültigen Version zu kodieren. Als Hauptdiagnose ist gemäß DKR 002b der Ballenhohlfuß anzusehen. Ob die Spina bifida ursächlich für die Fußdeformität verantwortlich ist, ist unserer Ansicht nach hier für die Kodierung nicht relevant. Wenn aufgrund des chronischen Zustandes Spina bifida weiterhin ein erhöhter Betreuungs- oder Pflegeaufwand besteht, so ist diese gemäß DKR 003b als Nebendiagnose anzugeben. Dies gilt analog auch für die Blasenfunktionsstörung.

    Wir hoffen, Ihnen weitergeholfen zu haben und verbleiben

    mit freundlichen Grüßen

    InEK