Niereninsuffizienz, "schlechte Blutgase"

  • Guten Tag aus dem westlichen Allgäu,
    vermutlich wurde mein Anliegen schon mal im Forum diskutiert.
    1.) "Schlechte Blutgase", was ist das? Ab welchen Werten werden schlechte Blutgase als ND kodiert (O² Gabe erfolgte)
    2.) Erhöhte Kreatininwerte: 1,3mg% bei einem Bodybilder ist normal, 1,3 mg% bei einer 80 jährigen 45 kg Frau sicher schon deutlich pathologisch. Bei Kreat. 3,0 sicher keine Diskussion. Sollte man die Kreatininclearance mit einer der gängigen Formeln berechnen? Bei wieviel % Einschränkung ist dann zu kodieren?

    Freue mich auf gute Ideen oder Empfehlungen

    Bernd Ferber

  • Hallo Herr Ferber,

    voraus ein Auszug aus den DKR:
    D001a Allgemeine Kodierrichtlinien
    ...
    Abnorme Befunde
    Abnorme Labor-, Röntgen-, Pathologie- und andere diagnostische Befunde werden nicht
    kodiert, es sei denn, sie haben eine klinische Bedeutung. Z.B. wird eine im Labortest gefundene
    leicht erhöhte Gamma-GT, die keine weiteren diagnostischen oder therapeutischen Maßnahmen
    nach sich zieht, nicht kodiert.
    ...
    Entscheidend ist also nicht irgend ein Laborparameter, sondern eine dahinter (oder davor ;-)) stehende Erkrankung („klinische Bedeutung“), die einen Ressourcenverbrauch auslöst. In Frage kämen z.B....

    Ad 1.) Evt. J96.0/.1/.9 „Respiratorische Insuffizienz, andernorts nicht klassifiziert“, falls keine spezifischere Diagnose gestellt werden kann.
    Ad 2.) Niereninsuffizienz N17. (akut), N18. (chronisch) oder N19 (nicht näher bez.), wobei Sie diese natürlich an irgendwelchen Parametern (am besten auch mit Kreatininclearance) festmachen müssen.

    Für die jeweilige Definition (ab wann handelt es sich um eine „Respiratorische Insuffizienz“ oder eine „Niereninsuffizienz“?) sollte die einschlägige Fachliteratur ausreichen.
    MfG

    --
    R. Balling
    Chirurgische Klinik, 82229 Seefeld

    Mit freundlichen Grüßen

    Dr. med. Roland Balling

    Chirurg
    Medizincontroller
    "Ärztliches Qualitätsmanagement"
    Chirurgische Klinik, 82229 Seefeld

  • Hallo,

    ist es nicht auch schon Ressourcenverbrauch, wenn ich wegen eines erhöhten Kreatinins Medikamentenlisten durchchecke auf nephrotoxische Substanzen, evtl. ACE-Hemmer absetze oder auch Voltaren, und den Chirugen erkläre, dass ich bei diesem Pat. deswegen keine Phlebografie mache?

    MR

    M.Rost

  • ist es nicht auch schon Ressourcenverbrauch, wenn ich wegen eines erhöhten Kreatinins Medikamentenlisten durchchecke auf nephrotoxische Substanzen, evtl. ACE-Hemmer absetze oder auch Voltaren, und den Chirugen erkläre, dass ich bei diesem Pat. deswegen keine Phlebografie mache?

    Das wird teilweise so diskutiert. Ich meine allerdings, dass schon deutlich mehr da sein muss (z.B. Therapie, anderes Kontrastmittel etc.)oder ein deutlich teureres Medikament als Substitution eines anderen Medikamentes.

    Leider geben die Kodierrichtlinien dazu nicht viel her. Im Zweifelsfall müssen Sie das dann mit der Krankenkasse oder dem MDK diskutieren (siehe verschiedene Beiträge in diesem Forum). Ich empfehle, in hausinternen Richtlinien festzulegen, wann die schweregradsteigernden Nebendiagnosen (die wichtigsten !) kodiert werden dürfen, wenn das zur Unterstützung der Kolleginnen und Kollegen notwendig ist.

    Beispiel:
    Hypokaliämie darf kodiert werden, wenn i.v. Kalium substituiert wurde und regelmäßige Kaliumkontrollen notwendig sind. Kalinor Brause oder auch Bananen (enthalten ja auch Kalium) reichen nicht aus.


    Ein Harnwegsinfekt darf kodiert werden, wenn .....


    Eine Anämie darf kodiert werden wenn ......


    Cave: Das ist meine persönliche Meinung, Sie können die Regel selbstverständlich anders formulieren.

    Die hausinterne und begründete Festlegung von Definitionen hilft sicher auch bei den Diskussionen mit dem MDK, da Willkührlichkeit bei der individuellen Kodierung dann nicht mehr pauschal unterstellt werden kann. Ist der MDK mit Ihrer Definition nicht einverstanden, kann eventuell einvernehmlich eine andere Definition konsentiert werden.

    Norbert Roeder

    • Offizieller Beitrag

    Guten Morgen Herr Roeder,

    die DKR mit ihren interpretationsbedürftigen Vorgaben stellen letztlich das Hauptproblem dar.
    Hausinterne Richtlinien sind deswegen als Leitfaden wichtig, jedoch eben variabel, was eine Vergleichbarkeit der Daten letztlich schwierig macht. Kliniken, die z.B. die Hypokaliämie als ND kodieren, wenn Labor, Brausegabe und Kontrollen durchgeführt werden, handeln vollkommen regelkonform. Auch der MDK könnte hier schwerlich Argumente gegen die DKR-definierte Relevanz der ND finden.
    Um also zumindest bei den "wichtigsten" NDs die Interpretationsfreiheit einzuschränken, sind offizielle Vorgaben zu wünschen (was im Einzelfall vielleicht schwierig sein wird).

    Vor kurzem hatten wir eine ähnliche Diskussion.

    Gruß
    --
    D. D. Selter

    Mit freundlichen Grüßen

    D. D. Selter

    Ärztlicher Leiter Medizincontrolling

    Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Murnau

  • Hallo,

    ich finde diese halboffiziellen Interpretationen eher schädlich, solange der Begriff "Mehraufwand" nicht definiert ist.

    Die Diskussion kommt auch nur zustande, da bestimmte Diagnosen mit CCL-Werten aus Australien versehen sind. Solange wir keine deutsche Regelung haben, kann die Realität stark verzerrt wiedergegeben sein. Im Rahmen einer deutschen Kalkulation der CCL-Werte springt als Nebenprodukt die Definition eines Mehraufwandes heraus, zumindest die ökonomische Interpretation.

    Bis dahin müssen wir mit den hausindividuellen Interpretationen leben. Vielleicht ist das besser, als für jede Regel eine Auslegungsvorschrift zu haben.

    Wir sind uns doch hoffentlich einig, dass eine Hypokaliämie in der Regel behandelt werden sollte, sonst könnte es richtig gefährlich werden. Wie das geschieht, schreibt der behandelnde Arzt vor, niemand sonst. Niemand! Das gilt auch für die Applikationsform. Alles andere ist entweder ex post oder praxisfern. Wenn etwas kontrolliert, diagnostiziert und behandelt wird, ist sogar nachgedacht worden. Also, worum geht es? Übrigens ist es nicht gesagt, dass die Infusion für das Krankenhaus teurer als die Tablette ist. Das Beispiel mit den Bananen ärgert mich langsam.

    Oder sehe ich da etwas falsch?

    Gruß

    B.Domurath

  • Herr Heimig vom InEK entwickelt doch gerade die DRGs weiter:
    wenn nun die Verschlüsselung einer Hypokaliämie nicht mit einem statistisch signifikanten Mehrverbrauch von Ressourcen einhergeht, ist sie spätestens in drei Jahren aus dem Rennen. (welches Kalkulationshaus kann eigentlich Kalinor-Brause fallspezifisch zuordnen?) Es liegt also an uns, diese Diagnose vernünftig anzuwenden, wenn wir ihr weiterhin einen CCL (nicht KCL) >0 wünschen.

    In einem seiner Vorträge hörte ich neulich, daß, wenn man alle Schweregradsplits aufhebt - quasi nur Z-DRGs erzeugt - die Abbildung der Kosten NICHT signifikant schlechter ist als in der jetzigen Version. Als Konsequenz hätte man sich auf erheblich veränderte Folgeversionen einzustellen.

    Problematisch in diesem Zusammenhang das pragmatische Kodieren, welches überwiegend die aktuell relevanten ND berücksichtigt: es resultiert eine systematische Verzerrung der Datengrundlage.

    Ich plädiere daher für eine Kodierung mit Augenmaß - Ressourcenverbrauch ist das, was man auch ohne DRGs als anstrengend, teuer oder zeitintensiv betrachten würde. Zumal das Diagnosensammeln um jeden Preis diesseits der Konvergenzphase nur fraglich monetäre Konsequenzen hat.
    --
    Jan Haberkorn
    Internist/Medizincontroller
    St. Elisabeth-Krankenhaus Köln

    Jan Haberkorn
    Internist/Medizincontroller
    St. Elisabeth-Krankenhaus Köln

  • Hallo,

    Herr Heimig vom InEK kann im Moment nur im Rahmen dessen kalkulieren, was kalkulierbar ist. Dazu gehören in dieser Runde nicht die CCL-Werte.

    Was ist das richtige Augenmaß? Was ist die Empfindung, dass es teuer ist? Schon der Chefarzt beantwortet diese Frage sicher anders als der Assistenz-Arzt. Also bleiben wir bei der Selbstverantwortung den DKR gegenüber und greifen wir der CCL-Kalkulation nicht vor.

    Übrigens, auch in Australien hat man keine anderen Therapiemöglichkeiten einer Hypokaliämie. Und doch hat die Hypokaliämie einen CCL-Wert>1. Der Rest ist Spekulation.

    Wenn Herr Heimig eigentlich nur Z-DRGs machen könnte, so beleuchtet das nur die Rolle des vielbemängelten Kompressionseffektes. Es hat aber primär nichts mit der Wertigkeit einzelner Diagnosen zu tun.
    Ich glaube, da liege ich richtig.

    Gruß

    B. Domurath
    Bad Wildungen

  • Mahlzeit allerseits,

    wenn ich das so lese,

    Zitat


    Herr Heimig vom InEK entwickelt doch gerade die DRGs weiter: .....
    In einem seiner Vorträge hörte ich neulich, daß, wenn man alle Schweregradsplits aufhebt - quasi nur Z-DRGs erzeugt - die Abbildung der Kosten NICHT signifikant schlechter ist als in der jetzigen Version. Als Konsequenz hätte man sich auf erheblich veränderte Folgeversionen einzustellen.


    dann stellt sich mir die Frage, warum sich die Australier :kangoo: teilweise über mehr als ein Jahrzehnt hinweg ein solch kompliziertes System erhalten haben oder ist hier in good old Germany doch alles soooo anders :besen: oder sind vielleicht sogar unsere Eggheads :jay: so genial, dass es ihnen als einzigen aufgefallen ist ......


    --
    Michael Hönninger
    FA Anästhesiologie / Notfallmedizin
    MedizinController
    Städt. Krankenhaus
    Frankenthal (Palz)

    Michael Hönninger
    FA Anästhesiologie / Notfallmedizin
    [glow=#FF0000,3]MedizinController[/glow]
    Stadtklinik Frankenthal

  • Guten Abend zusammen!

    Ich glaube nicht dass die Aufgabe darin liegt durch unendlich viele Kodierregeln, Fachsimpeleien oder MDK Drohungen die Ärzte die für eine ordnungsgemäße Kodierung verantwortlich gemacht werden zu verunsichern. Erstens ist eine Hypo- oder Hyperkaliämie in der Tat grundsätzlich ein ernstzunehmendes Erkrankungsbild und dürfte auch an den Universitätsklinika neben der Bananendiät suffizient behandelt werden. Und wer nach 5 Tagen Diclophenac die Niereninsuffizienz produziert hat, hat ein enormes Problem nicht nur mit der Niere. Und die Thrombozytopenie als Folge einer Low-Dose Heparinisierun ist auch nicht unerheblich usw..
    Es geht doch nicht allein um den Ressourcenverbrauch bei den Nebendiagnosen sondern um die Erfassung der das Krankheitsbild beeinflussenden Komorbiditäten u. Komplikationen (CC-level) Herr Roeder wird das besser wissen als ich. Ergo sollte der Grouper entsprechende Fälle korrekt rausfischen. Nachdem ja jetzt in ganz Deutschland fast jeder Patient mit derlei Nebendiagnosen versehen wird, werden diese geschätzten Nebendiagnosen bei der einen oder anderen DRG als optimierendes Beiwerk in Zukunft vom Tisch fallen. Das eigentliche Problem wird sein, dass durchwegs relevante Nebendiagnosen aber derzeit ohne CC-level von der Kodiergemeinde als weniger "produktiv" eingeschätzt, nicht kodiert werden. Sie werden aber bei der weiteren Systemanpassung, da ja dann in den Datensätzen nicht vorhanden, fehlen.
    Deswegen der Rat aus Oberschwaben in´s Allgäu: Kodieren!
    F. Ruppel

  • Hallo,

    dieser oberschwäbischen Rat ist goldrichtig.

    Von Herrn Röder finden Sie eine Stellungnahme zur Weiterentwicklung des DRG-Systems unter http://www.dkgev.de/pub/newpdf/pdf…-DRG-System.pdf.
    Leider vertritt Herr Röder die Meinung, dass das Kodieren der Nebendiagnosen das CCL-System inflationieren würden unter den gegebenen DKR (S 63). Das ist merkwürdig. 1. haben die meisten Diagnosen keinen CCL>1 und werden trotzdem kodiert, 2. kann niemand etwas kalkulieren, wenn es nicht kodiert wird.
    Solche Ratschläge verwirren mehr, als sie helfen. Erst nach Kalkulation der CCL-Werte in Deutschland ergibt sich, was einen deutlich höheren Aufwand macht. Ansonsten bleibt es bei dem CCL-Wert 0 oder 1 für die meisten Diagnosen. Deshalb gibt es sie. Auch Diagnosen mit diesem CCL-Wert werden zur Transparenz trotzdem kodiert, da ein höherer Aufwand besteht. Die Gefahr einer Inflation kann ich nicht erkennen.

    Einen herzlichen Gruß nach Oberschwaben

    B. Domurath
    Bad Wildungen